Gut 30 Zuhörerinnen und Zuhörer, die meisten von ihnen Landwirte und Kommunalpolitiker der Grünen, treffen sich zur Debatte in der Privatbrauerei Ullrich Martin. Einige der Anwesenden sind mit Traktoren angereist. Daran angebracht sind jene Schilder mit Forderungen, welche die Landwirtinnen und Landwirte schon bei den Protesten der vergangenen Wochen mit auf die Straße trugen.
Seit der Kürzung der Dieselrückvergütung durch die Bundesregierung Anfang des Jahres scheint das Verhältnis zwischen der Ökopartei und den Landwirten noch angespannter als sonst. Doch hitzige Wortgefechte oder verbale Entgleisungen gibt es an diesem Abend so gut wie keine. Nur eine Handvoll Bauern bleibt in Hausen vor der Tür des Gasthauses stehen. Die meisten von ihnen sitzen oben im Gästesaal – zusammen mit Vertreterinnen und Vertretern des Kreisverbands Bündnis 90/Die Grünen Schweinfurt.
Paul Knoblach: "Ich bin selber aus allen Wolken gefallen."
Der nämlich hat unter dem Motto "Miteinander reden, gemeinsam diskutieren" zur politischen Diskussion mit den Landwirten eingeladen. "Ich finde es wichtig, dass solche Podien stattfinden können, dass Austausch da ist [...] und Landwirte vom Fach aus ihrer Situation berichten können", sagt Vorstandsmitglied Faried Dachiel in seiner Begrüßung zu den Anwesenden.
Der wohl prominenteste Redner des Abends: Paul Knoblach, Landtagsabgeordneter für die Grünen Bayerischen Landtag – unter anderem auch im Landwirtschaftsausschuss. In seinen Beiträgen bemüht sich der Ökolandwirt aus Garstadt um Verständnis. Die Beschlüsse im Dezember 2023 hätten ihn selbst überrascht, sagt er. "Ich bin aus allen Wolken gefallen."
Er selbst habe erst aus der Zeitung erfahren, was Teile seiner Partei da am 15. Dezember zusammen mit FDP und SPD in Berlin genau beschlossen haben. Da blühte dem 69-Jährigen bereits, was da auf ihn und seine Partei zukommen würde. "Mir war klar, dass man das so nicht umsetzen kann." Noch am selben Tag habe er sich an seine Fraktionsspitze in München gewandt und dafür eingesetzt, die Beschlüsse so nicht umzusetzen, erinnert er sich zurück.
Landwirte fordern Perspektive
Zahlreiche Proteste und Gespräche später, steht heute ein Kompromiss, der so vermutlich nicht mehr aufgeschnürt wird, sagt Knoblach. Und dann stehen da noch die Bäuerinnen und Bauern, die weiter nach Antworten suchen. Einer davon ist Andre Kaiser, Landwirt und hauptberuflich Fütterungsberater für zirka 200 Tierbetriebe in der Region. "Ich sehe jeden Tag, dass unsere Regierung für die Landwirte zwar spricht, aber nichts dabei herumkommt", sagt Kaiser.
Kaiser spricht aus, was einige seiner Berufsgenossen schon seit einiger Zeit umtreibt. Vieles habe sich aufgestaut über die Jahre. Überbordende Bürokratie, Umweltauflagen, an deren Sinn viele zweifeln oder der ohnehin anhaltende Strukturwandel auf dem Land, sind nur einige Beispiele. Viele Hofbetreiber fühlten sich gegängelt von der Politik, getrieben von der Marktmacht der Supermärkte und mittellos gegen die Dumpingpreise auf dem Weltmarkt.
Ähnlich sieht das auch Michael Reck, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands (BBV), im Landkreis Schweinfurt. Reck vermarktet seit über 20 Jahren Mastschweine, Mutterkühe und Gemüse auf seinem Hof in Hambach. "Wo steht die Landwirtschaft in fünf Jahren in Bayern, Deutschland, Europa?", fragt er in die Runde und fordert konkrete Perspektiven von der Politik.
"Wir brauchen einen Ansatz und wenn der Ansatz gut ist, habe ich damit kein Problem", sagt er. Und: "Wir müssen es zusammen lösen." Politik, Umweltschutz und Naturschutz müssten einen gemeinsamen Weg finden, sodass jeder entscheiden könne, ob man diesen mitgehe oder nicht. Trotz mancher kritischen Beiträge bleibt die Stimmung im Saal positiv. Man hört sich gegenseitig zu, antwortet aufeinander, klatscht sogar, wenn man gemeinsamer Ansicht ist.
Dass es davon künftig mehr brauche, glaubt auch der Hausener Christian Schäflein. "Die Landwirtschaft braucht die richtigen Verbündeten an ihrer Seite." Das seien neben den Umweltschützern auch die Verbraucher. Letztere nimmt Gastwirt Ullrich Martin zusammen mit der Politik in Pflicht: "Eine der größten Aufgabe der Politik ist meines Erachtens, dem Volk klarzumachen, wovon wir leben."
Jutta Bandorf von der Zukunftsinitiative Landwirtschaft aus Untereisenheim kritisiert hingegen, dass die Preise für Nahrungsmittel von oben diktiert würden. "Die Firmen wälzen das Risiko auf die Landwirte ab." Noch weiter geht Klaus Burge: "Man muss den Einzelhandel endlich mal zerschlagen. Das sind Kartelle", fordert der Landwirt aus Münsterschwarzach (Lkr. Kitzingen).
Gustav Tietze, Gemüsebauer aus Sennfeld, mahnt indes auch die Rolle des Bauernverbands in den vergangenen Jahren an. Ähnlich auch Rainer Reuß, konventioneller Landwirt und Präsident des Bundesverbands dezentraler Ölmühlen und Pflanzenöltechnik aus Ettleben, der mit dem Finger auf Politik und Landwirte gleichermaßen zeigt.
Grüne suchen Anschluss zur Landwirtschaft
"Özdemir wie auch die anderen zuständigen Ministerien [...] sind sich einig, dass man nach Kompensationsmöglichkeiten sucht", sagt Knoblach. Er sei nicht gekommen, um Lösungen zu präsentieren, aber um das Gespräch zu suchen und Ansätze daraus mitzunehmen. Durch die Demonstrationen sei vielen in der Politik erst klar geworden, welchen Veränderungsbedarf es überhaupt gebe. "Da ist vieles jetzt im Gang. Das wird in Berlin auch verstanden", versichert er.
Zum Beispiel beim Thema Mineralölsteuer: "Die Mineralölsteuer auf Pflanzenöl für die landwirtschaftliche Nutzung wird fallen. Davon gehe ich aus", glaubt er. Wenn es nach ihm ginge, müssten noch mehr öffentliche Gelder in regionale Strukturen fließen. Egal, wie die Lösung aber am Ende aussehe: "Wir sollten in dem Ton so wie heute Abend weiter miteinander reden." Nur so könne man die Herausforderungen lösen. "Wir sind auf eurer Seite, auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind."