Schon eine halbe Stunde bevor die Gemeinderatssitzung begann, hatte es Diskussionen über das Thema Windenergie gegeben. "Ich trete für gar nichts ein, außer für den ergebnisoffenen Prozess", sagte Bürgermeister Johannes Grebner in der Diskussion vor der Sitzung. Erstmals waren die Windkümmerer Hannah Büttner, Julia Schönhärl und Rolf Pfeifer persönlich bei der Gemeinderatssitzung anwesend. Die Windkümmerer verstünden ihre Rolle als neutrale Berater, so Büttner. Sie hätten keinen Nutzen davon, ob am Ende Windkraft kommt oder nicht.
Die Windkümmerer haben eine Bürgerbefragung durchgeführt. "Darauf gab es Rückmeldungen aus allen Ortsteilen", sagte Schönhärl, aber insgesamt 82 Prozent kamen aus Hesselbach, Hoppachshof, Ebertshausen und Zell. Am häufigsten genannt wurden von den Bürgern die Themen: 10-H, Verfahrensablauf, Schall, Naturschutz, Wald und Landschaft, letztere auch in Verbindung mit dem Brönnhof.
Szenarien-Werkstatt und öffentliche Diskussionsveranstaltung
Pfeifer ging konkreter auf die Themen Wald, Brönnhof und die 10-H-Regelung ein. Die seit 2014 in Bayern geltende Regel besagt, dass ein Windrad mindestens das Zehnfache seiner Höhe von Wohnbebauung entfernt sein muss. Laut Regionalplanung seien Windräder im Wald möglich. Der Wald in Üchtelhausen sei bereits jetzt sehr gut mit Wegen erschlossen und wäre für Windkraft geeignet. Es gebe jedoch auch Standorte außerhalb des Waldes. Der Brönnhof komme dagegen nicht infrage. Die Fläche am Brönnhof ist mit einem sogenannten FFH-Gebiet belegt. FFH-Gebiete sind besondere schützenswerte Fauna-Flora-Habitat-Gebiete, die von der Naturschutzverwaltung der Regierung Unterfranken ausgewiesen werden. Jegliche bauliche Nutzung sei ausgeschlossen.
"Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen", zitierte Büttner Aristoteles. Als nächsten Schritt schlug sie dem Gemeinderat eine öffentliche Szenario-Werkstatt vor. Dort sollen mögliche Szenarien entworfen werden, "wie es ausschauen könnte, wenn Windkraft kommen würde", sagte Büttner. Die Ergebnisse sollen dann in einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung vorgestellt werden.
Thomas Pfister: "Ergebnis wird gleich, die gleichen Bürger stimmen wieder ab"
Hierauf folgte die Diskussion im Gemeinderat. Steffen Sperber wollte wissen, wie viele Rückmeldungen bei der Bürgerbefragung pro und contra Windkraft waren. Es habe hierzu keine Abstimmung gegeben, so Schönhärl, sondern es sollten bewusst ergebnisoffen Rückmeldungen gesammelt werden. Insgesamt habe es aber mehr kritische Hinterfragungen gegeben. Sperber antwortete, der Gemeinderat könnte sich "Arbeit, Zeit und Energie" sparen, wenn er den Prozess an dieser Stelle abbricht.
Auch Helene Memmel sagte, es sei der Punkt gekommen, um abzubrechen. "Ziel war Windkraft am Brönnhof", sagte sie. Die Windkümmerer hätten hier nichts erreicht und ihr Ziel verfehlt. Thomas Pfister und Bettina Kuhn waren der Meinung, die Bürger hätten 2016 eine deutliche Entscheidung gegen Windräder getroffen. Damals verhinderte ein Bürgerentscheid die Errichtung von fünf Windkraftanlagen in der Gemeinde Üchtelhausen.
"Ich denke das Ergebnis wird wieder gleich, die gleichen Bürger stimmen wieder ab", so Pfister. Und Kuhn sagte, sie halte es für realistisch, dass der ganze Prozess der Gemeinde Kosten in Höhe von 250 000 Euro verursachen könnte. Windkümmerer Pfeifer antwortete, man könne ein vorhabenbezogenes Bebauungsplanverfahren anwenden, dann müsse der Betreiber der Windräder die Kosten übernehmen, der Gemeinde entstünden hierbei keine Kosten.
Bürgermeister Grebner: "Ergebnisoffen informieren, was überhaupt möglich ist"
Grebner sagte, in der Bürgerbefragung jetzt ging es nicht um eine Ja-Nein Abstimmung. Es seien zunächst recht sachliche Rückmeldungen eingegangen. Dann ist ein Flugblatt verteilt worden, was einen erheblichen Einfluss auf die Rückmeldungen gehabt hätte. Auf vielen Rückmeldungen stand dann nur noch "Windkraft ja, aber nur mit 10-H". Sein Ziel sei es, ergebnisoffen zu informieren, was zum Thema Windenergie überhaupt möglich sei. "Es kostet uns kein Geld, nur ein bisschen Zeit", sagte der Bürgermeister. Die Meinungen von 2016 dürften mitnichten ad acta gelegt werden, aber es habe damals viele Missverständnisse gegeben. Ein großes Thema sei damals der Infraschall gewesen. Erst vor kurzem sei festgestellt worden, dass man sich bei den Auswirkungen von Infraschall um den Faktor 100 verrechnet habe.
"Meinungen können sich ändern", sagte Peter Heß. Er selbst habe 2016 noch gegen die Windräder gestimmt, mittlerweile sehe er es anders. Er möchte nicht zu einer Generation gehören, die sich vorwerfen lassen muss, "sie hat nichts getan, sondern weggeschaut". Joachim Zehner sagte, er möchte den Prozess bis zum Schluss gehen, um sich eine eigene Meinung bilden und dann eine Entscheidung treffen zu können. Achim Neugebauer ergänzte, er habe ebenfalls aktuell noch zu wenig Informationen für eine Entscheidung.
Strommix aus Windkraft, Fotovoltaik und Biogas
"Am Anfang muss Frage stehen: Was wollen wir?", sagte Jan de Boer. Man solle sich nicht auf Windkraft versteifen, sondern auch Fotovoltaik und Biogas berücksichtigen. Auch Teresa Schmitt war der Meinung, man habe sich sehr auf Windkraft beschränkt und solle sich auch nach Alternativen umschauen. Als jüngstes Gemeinderatsmitglied sagte sie: "Unsere Generation braucht am meisten Strom, der muss irgendwo herkommen". Bei der Abstimmung 2016 habe sie noch gegen die Windräder gestimmt. "Aber wir brauchen erneuerbare Energien", sagte Schmitt, und "müssen etwas für unsere Kinder und Enkel übrig lassen".
Windkümmerer Pfeifer betonte: "Wir sind in einer Situation, in der wir eine Generationenfrage beantworten müssen." Dies sei eine Verantwortung, "die wir eigentlich fast nicht übernehmen können". Der Klimawandel verursache Probleme, "die wir uns heute nicht vorstellen können." Wie bei den Lebensmitteln wird das Land die Städte auch mit Energie versorgen müssen.
Zusammenarbeit mit Windkümmerern wird fortgesetzt
Die Windenergie sei aktuell so billig wie nie. Dennoch plädierte Pfeifer dafür, die Entscheidung nicht zu überstürzen und das komplexe Thema langsam weiterzugehen. Der Gemeinderat beschloss mit zwölf zu fünf Stimmen, die Arbeit mit den Windkümmerern fortzusetzen. Die nächsten Schritte werden also eine Szenarien-Werkstatt und eine Informationsveranstaltung für die Bürger sein.
Die Gemeinde Üchtelhausen ist eine von drei unterfränkischen Kommunen, in denen "Windkümmerer" tätig sind.Der Begriff geht zurück auf eine Initiative von Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger. Ziel dahinter ist es, das Thema Windkraft auf kommunaler Ebene voranzubringen. Seit 2020 sind die Windkümmerer bayernweit in rund 30 Kommunen im Einsatz. Die Aufgabe als Windkümmerer übernehmen Firmen. Für Üchtelhausen ist die Firma Ifok zusammen mit der Firma endura kommunal zuständig
Zitat: "Erst vor kurzem sei festgestellt worden, dass man sich bei den Auswirkungen von Infraschall um den Faktor 100 verrechnet habe