Genau 4,61 Tonnen Kohlendioxid (CO2) pro Person hat der Flug der Schweinfurter Delegation von Frankfurt ins bolivianische Tarija und zurück verursacht und aufgrund der großen Flughöhe das Klima dabei noch dreimal stärker erwärmt als sein CO2 allein.
Grund für die insgesamt 21.400 Kilometer lange Reise von Bürgermeisterin Sorya Lippert, Umweltreferent Jan von Lackum und Sofie Beeskow vom städtischen Servicebetrieb sowie Erich Ruppert von der Lokalen Agenda 2030 war paradoxerweise gerade aber der Schutz des Klimas. Wie passt das zusammen?
"Selbstverständlich wird der Flug kompensiert", sagt Bürgermeisterin Sorya Lippert gleich vorneweg. Sie war auf eigene Kosten mit der städtischen Delegation in die südamerikanische Provinzstadt geflogen, mit der Schweinfurt 2022 eine kommunale Klimapartnerschaft eingegangen ist, die Lippert maßgeblich initiiert hat – die im Stadtrat aber nicht unumstritten war.
Bundesministerium übernimmt die Schirmherrschaft
Beide Städte haben sich unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (BWZ) verbindlich verpflichtet, zu den Themen Klimaschutz und Klimafolgenanpassung ein gemeinsames Handlungsprogramm zu entwickeln. Hier gibt es gleiche Interessen. Beide Kommunen suchen Lösungen, wie überhitzte Städte lebenswert bleiben können und wie das Trinkwasser gesichert werden kann, das gerade auf der fränkischen Trockenplatte rar ist. Interessant für Tarija ist in diesem Zusammenhang auch das Projekt Brauchwasseraufbereitung, das derzeit in der Schweinfurter Kläranlage läuft.
Die Tarijenos waren im vergangenen Jahr bereits zu einem Besuch in Schweinfurt, um sich vor Ort Anregungen zu holen, und sie werden im Herbst wiederkommen. Die Schweinfurter machten an Ostern den Gegenbesuch. 2024 soll es eine weitere Begegnung hier und dort geben. Die Kosten und die Kompensation der Flüge übernimmt das BWZ.
Fliegen gilt als die klimaschädlichste Art der Fortbewegung. Macht so eine Klimapartnerschaft Sinn? "Ja", sagt Bürgermeisterin Sorya Lippert, "weil es auch in Schweinfurt relevant ist, wenn global klimaschädliche Strukturen in den Blick genommen werden." Und weil Schweinfurt als Standort von Exportartikeln und Technologie ein Interesse daran haben müsse, hier vor Ort die richtigen Rahmenbedingungen zu fördern.
Projekt "Kommunale Klimapartnerschaften" wird zwei Jahre lang gefördert
Das Projekt "Kommunale Klimapartnerschaften" gibt es seit mehr als zehn Jahren. Es bringt deutsche Städte, Gemeinden und Landkreise mit Kommunen aus Afrika, Lateinamerika und Asien in den Bereichen Klimaschutz und Klimafolgenanpassung zusammen. Über den zweijährigen Förderzeitraum der Bundesregierung sollen gemeinsame Handlungsprogramme erarbeitet werden, die konkrete Ziele und Maßnahmen beinhalten.
"Wir haben die Verantwortung, dem globalen Süden zur Seite zu stehen bei der Bewältigung der Schäden, die der hauptsächlich von uns verursachte Klimawandel schon heute hervorruft, und sie bei der Vermeidung künftiger Schäden durch aktiven Klimaschutz zu unterstützen", sagt Lippert. Nur in der direkten Begegnung können ihrer Meinung nach Veränderungen angestoßen werden, die es für das Klima braucht.
Dass schon die erste Begegnung im vergangenen Jahr fruchtbar war, zeigte sich beim Besuch vor Ort. Die Tarijenos hatten die Idee eines Grünen Bandes aus Schweinfurt mit nach Hause genommen und legten Bürgermeisterin Lippert bereits fertig ausgearbeitete Pläne vor, wie sie es in ihrer Stadt umsetzen wollen – einschließlich der Ideen für ein dazugehöriges soziales Projekt für Frauen in schwierigen Lebenslagen und der Darstellung der dort neu anzupflanzenden heimischen Bäume und Sträucher zur Luftverbesserung. "Wir waren beeindruckt", schwärmt Lippert von der Schnelligkeit, mit der in der Partnerstadt Ideen umgesetzt werden. "Da können wir uns was abschneiden."
Lippert entsetzt von einem riesigen Abfallberg
Ein großes Problem in der 250.000 Einwohnerinnen und Einwohner zählenden Provinzstadt am Río Nuevo Guadalquivir ist der Müll. "Wir waren alle entsetzt von dem riesigen Abfallberg", erzählt Lippert. Ein ganzes Tal sei vollgekippt. Die aufsteigenden Gase würden einfach abgefackelt und die hochgiftigen Sickerwässer mangels Alternative wieder hochgepumpt, damit sie verdunsten.
In Tarija werde neuerdings zwar aus getrennt gesammeltem Biomüll mit Hilfe von kalifornischen Würmern und japanischen Pilzen Kompost gemacht, "aber die große Lösung für den vielen Müll wäre ein Gemeinschaftskraftwerk", riet Lippert ihrem Bürgermeisterkollegen Johnny Marcel Torres Terzo zu einer Einrichtung wie in Schweinfurt. Dann könne auch der Müll aus den Ortschaften flussaufwärts eingesammelt werden und würde nicht im Fluss landen.
100 Bäume mit Kindergartenkinder gepflanzt
Auch die Abwässer machen Sorge. Grundsätzlich gibt es in Tarija zwei Klärwerke, eines pro Flussseite. "Da, wo weniger Menschen wohnen, ist es vergleichbar mit unserem Klärwerk in Schweinfurt", hat Lippert festgestellt. Doch auf der anderen Flussseite gebe es große Probleme, weil immer mehr Bauern wegen der klimatischen Veränderungen ihre Lebensgrundlagen in den Bergen verlieren und sich in der Stadt wild ansiedeln. "Ein Thema für den nächsten Besuch", sagt Lippert, die den Gastgebern zudem das Generieren von Strom aus den Faultürmen nahelegte.
Für den Klimaschutz wird in Tarija schon im Kindergarten geworben. So durfte die Schweinfurter Delegation gleich mit 100 Kindern Bäume pflanzen. Es gibt ein Nachhaltigkeitszentrum vor Ort, "vergleichbar mit dem unsrigen in Handthal", berichtet Lippert. Nur, es ist kein Budget für den Unterhalt da. Das werde eine Aufgabe für die Arbeitsgruppe Klimapartnerschaften der Lokalen Agendas 2030 sein.
Bereits angelaufen ist außerhalb der Klimapartnerschaft eine Kooperation zwischen dem "Collegio Aleman" in Tarija und dem Olympia Morata Gymnasium in Schweinfurt. Die erste Austauschschülerin aus Bolivien wird im Mai kommen. Der Betreiber der Schule, Don Felix Cari, der im gesamten südamerikanischen Raum Träger von Weiterbildungseinrichtungen ist, hat in Schweinfurt bereits Berufsschulen besucht und laut Lippert die Entsendung von Pflegekräften zugesagt. Interesse bestehe auch seitens der Universitäten am Austausch mit der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt, die ebenso an den Themen saubere Energiegewinnung oder Künstliche Intelligenz arbeiten.
"Es war richtig und wichtig, dass wir in Tarija waren", zieht Bürgermeisterin Lippert ein positives Fazit der Reise. Ihr Eindruck: "Es ist hilfreich, an kleinen Stellschrauben zu drehen, um Großes zu bewirken."