Einige Kommunen haben es schon gemacht, andere diskutieren noch oder diskutieren überhaupt nicht. Oder sie zeigen Flagge. So wie die Gemeinde Schwebheim. Hier wurde dem fränkischen Mundartdichter Nikolaus Fey die Ehre als Straßennamenpate aberkannt, wegen seiner Rolle im Nationalsozialismus. Der kleine Verbindungsweg zwischen Friedrich-Rückert- und Ferdinand-Pfeuffer-Straße soll deshalb umbenannt werden. Das beschloss der Gemeinderat am 23. Juni 2022. Bis zum heutigen Tag aber ist das nicht passiert. Warum?
"Der Gemeinderat konnte sich nicht auf einen neuen Namen einigen", verweist Bürgermeister Volker Karb auf Nachfrage dieser Redaktion auf eine Sitzung Anfang Oktober 2022, in der mehrere Namensvorschläge ergebnislos diskutiert worden waren. Die Straßenumbenennung sei daraufhin vertagt und seitdem nicht mehr auf die Tagesordnung gesetzt worden.
Nicht, "weil man vor den Anwohnerinnen und Anwohnern einknickt", wie es Hanne Peetz vom Ortsgeschichtlichen Arbeitskreis vermutet, sondern weil laut Bürgermeister Volker Karb aufgrund eines Krankheitsfalles im Rathaus die personellen Ressourcen für die Bearbeitung des Themas bislang fehlten. Erst seit kurzem sei das Hauptamt wieder so besetzt, dass man einen neuen Anlauf machen könne. Die Namensfindung soll laut Karb noch in diesem Jahr erneut auf die Tagesordnung kommen.
Einstimmige Empfehlung zur Straßenumbenennung
Das Thema ist dem Bürgermeister sehr wichtig, seit die Ergebnisse der Fachkommission vorliegen, die der Würzburger Stadtrat 2015 eingesetzt hat, um sich mit den Patengebern verschiedener Straßen zu beschäftigten, die in der Nazi-Zeit gelebt haben. Die Kommission, der unter anderem der Inhaber des Lehrstuhls für Neue Geschichte der Universität Würzburg sowie Vertreter des Instituts für Zeitgeschichte München-Berlin angehörten, hat vier Jahre lang, von 2016 bis 2020, die Biografien von rund 120 Straßen-Namenspaten untersucht und am Ende in neun Fällen empfohlen, die nach den Betreffenden benannten Straßen umzubenennen oder zumindest erklärende Informationen dazu zu geben.
Einer dieser neun ist der Schriftsteller Nikolaus Fey (1881-1956). Seine Verstrickung in das Regime des Nationalsozialismus sei so tief gewesen, findet die Kommission, dass die Empfehlung sogar einstimmig ausfiel, was nicht bei allen Kandidaten der Fall war. Er sei bereits zum 1. Mai 1933 in die Partei eingetreten, habe Schulungen absolviert, sei als offizieller Redner der Partei aufgetreten und habe das Amt des unterfränkischen Beauftragten für die Reichsschrifttumskammer bekleidet.
Dass Fey kein bloßer Mitläufer gewesen sei, sondern aktiver Funktionsträger, belege auch sein Wirken von 1942 bis 1944 in der Hauptabteilung Propaganda der Regierung des Generalgouvernements Polen. Fey sei als überzeugter Nationalsozialist anzusehen und habe sich während der NS-Zeit eine Vielzahl an Verfehlungen zu schulden kommen lassen, so das Urteil der Kommission.
Gemeinderat stimmte mit 11:2 für eine Straßenumbenennung
In Schwebheim griff nach Veröffentlichung dieser Erkenntnisse der Ortsgeschichtliche Arbeitskreis das Thema auf. Auch die Gemeinderätinnen Jutta Keller, sie wohnt übrigens in der Nikolaus-Fey-Straße, und Britta Ritter beschäftigten sich intensiv mit dem Thema Nikolaus Fey, trugen Informationen zusammen, studierten Quellen und analysierten seine Gedichte. Ihre Ergebnisse: "Fey hat aktiv mitgemacht."
Im Gemeinderat war man sich schnell einig, dass jemand mit brauner Vergangenheit nicht mit einem Straßennamen geehrt werden sollte. Mit 11:2 stimmte das Gremium deshalb für die Umbenennung. Die Anwohnerinnen und Anwohner wurden darüber schriftlich informiert und sollten bei der neuen Namensfindung mithelfen. Ein Wunsch wurde dabei auch laut: Keine Persönlichkeiten mehr, sondern vielleicht etwas aus der Natur. Dem kamen die Betroffenen nach. Sie hätten am liebsten zwar ihren Straßennamen behalten, votierten dann aber mehrheitlich für "Waldweg" als neuen Namen, weil die Straße am Waldrand liegt.
"Eigentlich hätten wir stolz sein können, dass dies alles so schnell ging", sagt Bürgermeister Volker Karb. Aber der Namensvorschlag der Bevölkerung wurde abgelehnt. Der Gemeinderat wollte mit einem neuen Namen dann doch lieber ein Zeichen setzen. "Friedenstraße" wurde zum Beispiel genannt. Oder "Sophie-Scholl-Straße". Einig indes wurde man sich nicht. "An diesem Punkt stehen wir heute noch", bedauert Bürgermeister Karb, dass durch die Namensdiskussion das geschichtlich so wichtige Thema verwässert worden sei.
Grafenrheinfeld will sich dem "Druck von außen" nicht beugen
Auch in Grafenrheinfeld gibt es eine Nikolaus-Fey-Straße, eine öffentliche Diskussion im Gemeinderat darüber aber nicht. "Wir haben uns intern ausgetauscht", sagt Bürgermeister Christian Keller. Das Ergebnis: "Eine Umbenennung ist bei uns kein Thema." Die Anwohnerinnen und Anwohner wollten diese sowieso nicht. Hier werde Druck von außen aufgebaut, meint Keller mit Blick auf die Empfehlungen der Würzburger Kommission. Solange die Initiative zu einer Umbenennung nicht aus Grafenrheinfeld heraus komme, sieht er deshalb keinen Grund zum Handeln.
Das Ratsgremium verlässt sich dabei voll und ganz auf die Einschätzung seines dritten Bürgermeisters Ludwig Weth, der sich als ehemaliger Lehrer am Gymnasium von Wiesentheid, Feys Geburtsort, mit der nationalsozialistischen Vergangenheit des Heimatdichters beschäftigt hat. Weth hält eine Umbenennung für falsch. Gerade um an die NS-Vergangenheit von Fey zu erinnern, muss aus seiner Sicht der Name sichtbar bleiben.
Für Weth stellt sich zudem die Frage: "Wo fangen wir an, wo hören wir auf?" Turnvater Jahn, nach dem in Grafenrheinfeld ebenfalls eine Straße benannt ist, sei dann ja auch zu hinterfragen. Denn er habe die deutsche Turnbewegung initiiert, um die deutsche Jugend auf den Kampf gegen die napoleonische Besetzung vorzubereiten. "Da müsste man ja alle Lebensläufe der Namensgeber durchforsten." Sinnvoll hält Weth allenfalls, das Nikolaus-Fey-Straßenschild mit einer entsprechenden Hinweistafel auf die Rolle des Dichters in der NS-Zeit zu versehen.
Gerolzhofen plant Infoveranstaltung zur Meinungsfindung
Auch in Gerolzhofen gibt es eine Nikolaus-Fey-Straße. Der Stadtrat hatte sich schon im Januar 2022 mit einer Umbenennung auseinandergesetzt, war aber zu keinem finalen Beschluss gekommen. Bürgermeister Thorsten Wozniak (CSU) drängt jetzt zu einer Entscheidung und lädt im Januar die Bevölkerung zu einer Informationsveranstaltung mit Diskussion ein. Mit seiner persönlichen Meinung hält er nicht hinter dem Berg: "Würde ich dort wohnen, wäre ich für eine Umbenennung."
Und wie hält es Gochsheim? Auch hier ist eine Straße nach Nikolaus Fey benannt. Die Frage, wie man mit dem schwierigen historischen Erbe des Mundartdichters umgehen soll, wurde bislang nicht diskutiert und wird es aktuell wohl auch nicht. Trotz mehrfacher Anfragen, war Bürgermeister Manuel Kneuer für eine Stellungnahme zu diesem Thema nicht zu erreichen.
Andererseits wird die Variante, den Namen mit einem Zusatz 'Wider dem Vergessen' zu versehen so gut wie gar nicht diskutiert bzw. deren Ablehnung überhaupt nicht plausibel begründet.