Bei Andreas Römer hat sich in den vergangenen Monaten einiges aufgestaut. Der Landwirt kniet am Rande seines Weizenfelds in der Nähe seines Hofes bei Egenhausen vor einem metertiefen Loch mit Betonmantel, aus dem ein Rohr herausragt. Dabei handelt es sich um einen Brunnen, erklärt Römert. Diesen nutzt der Landwirt dazu, um den Nitratgehalt im Grundwasser unterhalb seines Ackers zu überprüft.
Seit Jahren gelten viele Felder in Unterfranken als nitratbelastet. Im vergangenen Jahr wurden die Richtlinien und speziell die Ausweissystematik zur Messung von Nitrat weiter verschärft. Das führte dazu, dass seit Ende 2022 große landwirtschaftliche Flächen im Landkreis Schweinfurt als rote, also belastete Gebiete ausgewiesen wurden. Für Landwirte, die diese Äcker bewirtschaften, gelten hohe Auflagen, bis die Nitratwerte nach Jahren wieder abgenommen haben.
Durch die Einschränkungen beim Düngen in den roten Gebieten fürchten viele Landwirte um Ertragseinbußen von mehreren Tausend Euro, sagt Andreas Römert. Auch sein Acker in Egenhausen liegt seit Ende vergangenen Jahres in einer solchen Zone. Und das, obwohl der Landwirt seit mehr als 30 Jahren ökologisch und damit weitestgehend wasserschonend arbeitet. "Vom Nährstoffbedarf her düngen wir nur mit natürlichen Düngern, die in keinster Weise schnell ausgewaschen werden und ins Grundwasser gelangen", verdeutlicht er.
Insbesondere für Säuglinge gilt Nitrat als gesundheitsschädlich. Der zulässige Höchstwert dafür liegt bei 50 Milligramm Nitrat pro Liter Wasser. Ab dieser Menge gilt ein Feld als belastet. Bei seiner letzten Wasserkontrolle an seinem Brunnen maß Andreas Römert unter seinem Feld allerdings nur rund 20 Milligramm Nitrat pro Liter Wasser. Damit liegt er weit unter dem gesetzlichen Grenzwert. Wie passt das zusammen?
Die Datenbasis für die Nitratbelastung von Römerts Acker liefert nicht etwa sein Brunnen in Egenhausen, sondern ein Netz an Messstellen, das weit verteilt über die Landkreisgrenzen hinweg reicht. Das Konzept der Messstellen basiert auf Grundwasserkörpern, erklärt Sarah Klapp, Pressesprecherin des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz auf Anfrage der Redaktion.
Messstelle in Geldersheim wegen Fehlbohrung ungeeignet
Im Landkreis Schweinfurt liegen 13 Grundwasserkörper, die teils über die Landkreisgrenzen hinausgehen. In diesen Grundwasserkörpern wurden für die Ausweisung der roten Gebiete Ende 2022 laut Ministerium genau 54 Messstellen verwendet. Erklärtes Ziel sei es jedoch, bis Ende 2024 das Messnetz auf 100 Messstellen im Grundwasserkörper Schweinfurt zu erweitern. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sich durch diese weiteren Messungen die roten Gebiete verkleinern können.
Eine dieser Messstellen wurde 2020 in Geldersheim gebohrt und von Umweltminister Torsten Glauber (Freie Wähler) persönlich in Betrieb genommen. Vergangenes Jahr stellte sich jedoch laut dem Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen heraus, dass die Bohrung der Messstelle fehlerhaft war und sie damit ungeeignet für die Nitratmessung ist.
Baudirektor Uwe Seidl verweist in diesem Zusammenhang auf die "komplexe Hydrogeologie" und erklärte gegenüber der Redaktion, dass sich Rückschlüsse oft erst nach den Bohrarbeiten ergeben und Fehleinschätzungen durchaus vorkämen. Das Wasserwirtschaftsamt wolle die Bohrungen künftig jedoch intensiver begleiten. Was die entstandenen Kosten an der Messstelle in Geldersheim betrifft, seien laut Seidl keine pauschalen Aussagen möglich. Wie viele weitere Fehlbohrungen es gab, ließ das Ministerium unbeantwortet.
Bauernverband kritisiert Lücken im Messnetz
Der Unterfränkische Bauernverband kritisiert, dass die Datenlage dadurch aktuell zu ungenau sei. "Die Grundlagen für die Ausweisung der roten Gebiete fehlen in unseren Augen grundsätzlich", sagt Michael Reck, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands in Schweinfurt. Für eine nachvollziehbare Gebietsbegrenzung brauche es vor allem ein ausreichendes und fachlich geeignetes Messnetz, brauchbare Messstellen sowie Ausnahmen für Betriebe mit gewässerschonender Wirtschaftsweise, fordert der Verband. Bis das Messnetz in den entsprechenden Gebieten ausreichend nachverdichtet sei, sollten betroffene Betriebe zudem von Auflagen befreit werden, so Reck.
Rote Gebiete sollten auf Basis der Hydrologie und nicht durch mathematische Verfahren ausgewiesen werden, bekräftigt der Bauernverband in einer Pressemitteilung. Das Bayerische Umweltministerium entgegnet, dass es sich bei dem Verfahren um eine anerkannte Methode handle, die gesetzlich ausdrücklich vorgesehen sei. Fakt ist jedoch auch, dass die Flächen, wie im Falle von Andreas Römert, laut Wasserwirtschaftsamt keine direkten Auswirkungen auf die entfernten Messstellen in Hambach oder Ettleben haben.
Gerade in der Region Geldersheim wäre eine weitere Messstelle aus landwirtschaftliche Sicht daher durchaus sinnvoll, da hier ein großes rotes Gebiet entstanden ist, erklärt Kreisobmann Michael Reck. Er bekräftigt, dass die nächste Messstelle, die gut sechseinhalb Kilometer entfernt liegt, nichts mit der Düngung im Raum Geldersheim zu tun habe und das angewandte Ausweisverfahren keine fachlichen Grundlagen zum Wasserschutz liefere.
Um qualitativ und quantitativ bessere Daten zu erhalten, möchte der Freistaat Bayern deshalb das Messnetz bis 2024 auf 1500 Messstellen erweitern. Ein schwacher Trost für Landwirte wie Andreas Römert. Durch die Ausweisung 2022 gelten die Auflagen für die Landwirte bis zur nächsten Ausweisung als verbindlich. Er hoffe deshalb, dass das Messnetz möglichst schnell erweitert wird. Hierfür hat der Landwirt extra seinen Brunnen in Egenhausen mit einer Pumpe ertüchtigt, sodass die Behörden diesen in das Messnetz aufnehmen können.
Wann die Gebiete jedoch von der Landwirtschaftsverwaltung neu ausgewiesen werden, ist bislang nicht abschließend geklärt. Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) kündigte in Medienberichten an, die Ausweisung im Jahr 2025 aktualisieren zu wollen.