Damit Pflanzen und Feldfrüchte wachsen können, benötigen sie Stickstoff. Der landet im laufenden Frühjahr aktuell wieder als Gülle und künstlicher Dünger auf den Äckern. Problematisch wird es allerdings, wenn zu viel Mist und Düngemittel auf den Feldern ausgebracht wird. In diesem Fall können die Pflanzen den Überschuss nicht mehr aufnehmen. Der Dung lagert sich als Nitrat im Boden ab und wird durch den herabfallenden Regen in Flüsse, Seen und letztlich ins Grundwasser ausgewaschen. Ein ernsthaftes Problem für die Wasserqualität.
Was die Nitratkonzentration betrifft, gelten Mainfranken und der Landkreis Schweinfurt seit Jahren als Hauptbelastungsgebiet. Bayernweit ist der Anteil der roten Gebiete auf landwirtschaftlich genutzten Flächen von zwölf auf 17 Prozent gestiegen, wie das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Schweinfurt berichtet. Unterfranken überbietet diesen Trend und ist um fünf Prozentpunkte auf 20 Prozent gestiegen. Demnach gelten etwa 71.000 Hektar als Nitrat belastet.
Für die Qualität des Grundwassers und die Bewirtschaftung der Äcker durch die Landwirtinnen und Landwirte bleibt die Ausweitung der Gebiete nicht folgenlos. Expertinnen und Experten aus Wasserwirtschaft, Ackerbau und Umweltschutz erklären, warum sich die mit Nitrat belasteten Gebiete vergrößert haben, welche Konsequenzen das hat und ob aktuell eine Gefahr für das Trinkwassers droht.
Was sind rote Gebiete und wer legt sie fest?
Als "rote Gebiete" werden umgangssprachlich die Areale bezeichnet, in denen eine Nitratbelastung im Grundwasser vorliegt, erklärt Uwe Seidl vom Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen. Der Grenzwert für Nitrat in Grund- und Trinkwasser liegt europaweit bei 50 Milligramm pro Liter (mg/l). Neben roten gibt es auch gelbe und grüne Gebiete. Ein Bereich gilt als grün, wenn er bis zu 25 Milligramm pro Liter aufweist, und als gelbes Gebiet, wenn er zwischen 25 und 50 mg/l liegt.
Überschreitet eine Messstelle den Wert von 50 Milligramm Nitrat pro Liter, gilt die Fläche um den Messpunkt herum als belastet und wird vom Landwirtschaftsamt und Wasserwirtschaftsamt als rotes Gebiet ausgewiesen. Laut Informationen der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft muss im Umkreis von 50 Quadratkilometern mindestens eine Messstelle gebohrt sein.
Warum werden immer mehr Flächen im Raum Schweinfurt als rote Gebiete ausgewiesen?
Eine strengere Änderung in der Ausweissystematik, speziell das Wegfallen des Emissionsprinzips im vergangenen Jahr, sorgt dafür, dass mehr Gebiete als rot eingestuft werden, sagt Seidl. Das bedeutet, dass die Düngemenge, die ein Bauer auf einem Feld ausbringt, in der Ausweisung nicht mehr berücksichtigt wird.
Mitte der 80er Jahre lag der Grenzwert von Nitrat noch bei 90 Milligramm pro Liter, erklärt Heinz-Dieter Hofmann vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Schweinfurt. 1991 legte die Europäische Union die gesetzliche Richtlinie für Nitrat fest. Weil Deutschland diese Vorgabe nach Auffassung der Kommission seit Jahren aber zu lasch umsetzt, wurde die Bundesrepublik 2018 vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt und musste nun nachbessern.
Wurde in den vergangenen Jahren mehr gedüngt?
"Die Düngung wurde in den Folgejahren auf keinen Fall intensiviert", sagt Hofmann. Laut Daten des Landwirtschaftsamts liegt Unterfranken mit durchschnittlich bis zu 40 Kilogramm Nitrat pro Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche bayernweit im grünen Bereich, was die Stickstoffüberschüsse betrifft. Was die Gebietsausweisung betrifft, zählt seit der Neuregelung 2022 allerdings nicht mehr die durchschnittliche Nitratmenge im Kalenderjahr, sondern der Maximalwert einer Fläche im selben Zeitraum.
Bleibt ein rotes Gebiet für immer mit Nitrat belastet?
Nein, sagt Uwe Seidl vom Wasserwirtschaftsamt. Ziel sei es, die Nitratbelastung im Grundwasser zu verringern. Je nach Standort, geologischen Begebenheiten des Bodens und der Bewirtschaftungsweise könne es jedoch mehrere Jahre dauern, bis ein Gebiet wieder herabgestuft wird. Laut der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft sollen die Gebiete spätestens alle vier Jahre überprüft und angepasst werden. Die Nitratwerte würden aktualisiert und das Messnetz weiter ausgebaut werden. Bis 2024 sollen laut Gesetzgeber 1500 Messstellen im Freistaat entstehen.
Wie können Landwirte den Nitratgehalt auf einem Acker verringern?
In erster Linie durch die Bewirtschaftung, erklärt Hofmann. Durch nahezu ganzjährigen Bewuchs werde das Nitrat von den Pflanzen aus dem Boden entzogen und könne sich so nicht in tiefere Bodenschichten absetzen. Wichtig sei dabei vor allem die Bodenbedeckung über die Wintermonate durch Winterpflanzen oder Zwischenfrüchte. Mithilfe von Untersuchungen des Bodens können Landwirte zudem den Bedarf an Nitrat ermitteln und die Düngung darauf anpassen. Ansonsten können Betriebe nur ihren Einsatz von Mineraldünger oder den eigenen Tierbestand reduzieren.
Sind neben den konventionell bewirtschafteten Feldern auch Flächen von Ökobauern betroffen?
Ökologisch wirtschaftende Betriebe sind auch betroffen und haben gleiche Auflagen einzuhalten wie ein konventioneller Betrieb, erklärt Hofmann. Die Auswirkungen seien dort allerdings nicht so gravierend, da im Ökobetrieb generell weniger Nitrat im Betriebskreislauf vorhanden sei.
Was kritisieren die Landwirte an der neuen Einstufung?
Liegt eine landwirtschaftlich genutzte Fläche mit mindestens 20 Prozent in einem belasteten Gebiet, dürfen Landwirte dort nur noch eingeschränkt düngen. Die Landwirte kritisieren in diesem Zusammenhang, dass viele Messstellen zu flach angelegt seien. Darüber hinaus wird bemängelt, dass die Messpunkte für die ausgewiesenen Gebiete nicht repräsentativ seien, weil es zu wenig offizielle Messstellen gebe und die Radien um diesen herum unterschiedlich groß seien. Insgesamt ergeben sich dadurch unterschiedlich große Gebiete und ungenaue Messergebnisse aus Sicht der Landwirte.
Welche Konsequenzen haben die Ausweisung der roten Gebiete für die Landwirte?
Wird ein Acker zum roten Gebiet erklärt, müssen Landwirte den eigentlich ermittelten Düngebedarf der Fläche um 20 Prozent reduzieren, erklärt Heinz-Dieter Hofmann. Das wiederum führe zu Qualitätseinbußen beim Getreide und Futter, weniger Ertrag und letztlich weniger Gewinn für die Betriebe. Außerdem werde kostbarer Humus auf den Feldern abgebaut, wodurch die Böden an Fruchtbarkeit verlieren.
Zeitgleich müssen Viehhalter in zusätzliche Lagerkapazität investieren, weil organischer Dünger wie Gülle nur noch zu bestimmten Zeiten ausgebracht werden darf. Vor allem im Herbst dürfen Bauern auf Flächen in roten Gebieten nicht mehr düngen und geraten sowohl zeitlich als auch arbeitstechnisch in Bedrängnis. Der Anbau von Zwischenfrüchten sei zudem arbeitsaufwendig.
Wie gefährlich ist Nitrat für den Mensch?
Nitrat an sich ist für den gesunden und erwachsenen Menschen nicht unmittelbar schädlich, sagt Uwe Seidl. Bei Kleinkindern und Säuglingen könne Nitrat jedoch zu Nitrit umgewandelt werden, welches die roten Blutkörperchen angreift und zu Blausucht führe. Nitrosamine werden insbesondere mit Krebserkrankungen in Zusammenhang gebracht. Ein Grenzwert von unter 50 Milligram Nitrat pro Liter Trinkwasser wird als unbedenklich angesehen.
Besteht eine Gefahr für die Trinkwasserversorgung?
Nitrat befand sich bereits in der Vergangenheit und befindet sich auch heute noch in Brunnen, die für die öffentliche Trinkwasserversorgung genutzt werden, sagt Seidl. Trinkwasserversorger sind an die Trinkwasserverordnung gebunden, die einen Maximalwert von 50 Milligram Nitrat pro Liter erlaubt. Wird dieser Wert überstiegen, müssen Wasserversorger die Belastung senken. Das geschieht durch Maßnahmen wie Aufbereitung, ein kontrolliertes Mischen mit weniger belastetem Wasser oder im Extremfall dem Ausweichen oder Schaffen von alternativen Trinkwasserquellen.
Die Stadtwerke in Schweinfurt zählen zusammen mit der Rhön-Maintal-Gruppe (RMG) in Poppenhausen zu den größten Wasserversorgern in der Region. Der Nitratgehalt im Trinkwasser der Stadtwerke liegt laut der aktuellen Trinkwasseranalyse deutlich unter den vorgegebenen Grenzwerten und stelle somit keine Beeinträchtigung dar, so der Pressesprecher der Stadtwerke, Dirk Wapki.
Was die landwirtschaftliche Nutzung von Flächen in den Trinkwasserschutzgebieten betrifft, arbeiten regionale Wasserversorger zudem mit den Landwirten zusammen, erklärt Alfred Eusemann, Betriebsleiter der RMG. So werden in den Schutzgebieten Ettleben, Poppenhausen und Hain grundwasserschonende Maßnahmen wie der Anbau von Zwischenfrüchten vom Zweckverband finanziell unterstützt.