
Auf der Karte wirken die Grenzen zwischen grünen und roten Gebieten wie mit dem Lineal gezogen. In der Flur zwischen Willanzheim und Tiefenstockheim, zwischen Hörblach und Schwarzach oder auch mittendrin in der Mainstockheimer Gemarkung genügt theoretisch ein Schritt, um von unbelastetem auf mit Nitrat belasteten Grund zu gelangen. Für den einen Landwirt gelten strengere Düngerichtlinien als für den gleich nebenan.
Bei vielen Landwirten stoßen die derzeit geltenden Flächenbegrenzungen und Regelungen auf Kritik: Es gebe zu wenige offizielle Messtellen, der Radius um die Messstellen sei unterschiedlich groß und das Verursacherprinzip werde nicht beachtet. Deshalb haben sich mehrere hundert Landwirte zu zwei Interessengemeinschaften zusammengeschlossen. Es laufen Musterklagen. "Die Bauern wehren sich, weil es existenziell wird", sagt Wilfried Distler, Kreisgeschäftsführer des Bayerischen Bauernverbands (BBV).
Netzwerk an Messstellen ermittelt die Nitratbelastung im Grundwasser
Matthias Dorsch aus Mainstockheim und Michael Walter aus Iffigheim bewirtschaften Felder in den Bereichen der Grundwasserkörper "Unterkeuper Schweinfurt" und "Unterkeuper Mainbernheim", die sich durch mehrere Landkreise ziehen, darunter den Landkreis Kitzingen. Im Bereich von Grundwasserkörpern wird mit einem Netzwerk an Messstellen ermittelt, wie stark die Nitratbelastung im Grundwasser ist. Bis 25 Milligramm pro Liter (mg/l) sind die Bereiche "grün", von 25 bis 50 "gelb", ab 50 mg/l "rot". Sowohl Dorsch als auch Walter haben Flächen in roten Gebieten.
Zwei der elf Messstellen im Grundwasserkörper Unterkeuper Schweinfurt befinden sich im Landkreis Kitzingen, eine auf Dettelbacher Grund, die andere bei Kitzingen. Beide sind auf der Karte mit einem roten Punkt markiert. Die Nitratbelastung ist höher als 50 mg/l – der Mittelwert aus den jährlichen Höchstwerten von 2018 bis 2021 liegt in Kitzingen bei 51, in Dettelbach bei 64. Auch im Gebiet Unterkeuper Mainbernheim gibt es zwei Messstellen im Landkreis (von insgesamt zehn). Die in Iphofen ist gelb mit 33 mg/l, die im Bereich Seinsheim rot mit 58 mg/l.
Aus rot wird grün: Zusatzmessstellen verändern die Bewertung
Über die so genannte Regionalisierung fließen zudem Werte von Zusatzmessstellen in die Bewertung der Gebiete ein. Ein Brunnen in Willanzheim mit 15 mg/l zum Beispiel, der vor zwei Jahren noch nicht in die Prüfung mit einbezogen war, für die Neuregelung ab Ende 2022 aber aufgenommen wurde. Was dazu führt, dass ein bislang rotes Gebiet plötzlich grün wurde.
Der Radius rund um die Messstellen ist allerdings unterschiedlich groß – der um die Willanzheimer reicht im Süden gerade mal bis etwa zur Gemarkungsgrenze des Nachbarortes Tiefenstockheim, im Norden aber bis hoch nach Schwarzach. Und die nächste Messstelle in nördlicher Richtung liegt erst bei Frankenwinheim, wie Karten des Landesamtes für Umwelt zeigen.
Aus grün wird rot: Für Gnodstadt gelten nun strengere Regeln
Die Werte des Tiefenstockheimer Brunnens beeinflussen zwar das angrenzende Willanzheim nicht, wohl aber die Flächen mehrere Kilometer südlich, was beispielsweise Gnodstadt zum roten Gebiet werden lässt. In dem bislang grünen Gebiet gelten nun strengere Vorschriften.
Zwölf Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in Bayern lagen bislang in roten Gebieten, sagt Wilfried Distler. Durch die Neubewertung 2022 sind es nun 17 Prozent. Der Schwerpunkt liege in Franken. "Ich war früher mit 70 Prozent meiner Fläche drin, jetzt sind es 90", sagt Michael Walter. Bei Matthias Dorsch sind zwar nicht mehr Felder betroffen, aber teilweise andere als bisher.
Landwirte und BBV streiten teils hohe Belastung nicht ab
Dass mancherorts die Nitratbelastung zu hoch ist, streiten die Landwirte und der BBV nicht ab. Und Alois Kraus, ehemaliger langjähriger Kitzinger BBV-Kreisobmann und einer der drei Vorstände der IG Grundwasserkörper Schweinfurt, sagt auch, dass nicht alle Landwirte vorbildlich düngen. Aber die meisten würden es tun. Und deshalb finden die Vertreter der Landwirtschaft es nicht richtig, dass alle Bauern in einem roten Gebiet über einen Kamm geschoren werden.

"Ich als einzelner Betrieb könnte machen, was ich will, ich könnte die Düngung ganz einstellen, und das Gebiet wäre immer noch rot", erklärt Matthias Dorsch. Und es werde beispielsweise in Kitzingen in Zusammenarbeit mit dem Wasserversorger LKW Kitzingen schon vieles freiwillig gemacht, um die Nitratwerte zu senken. Das gehe nicht von heute auf morgen, aber es wirke. "Die Denitrifikationsanlage wird gar nicht mehr gebraucht", erinnern die Landwirte. Die Anlage, die seit 1991 in Betrieb war, wurde 2008 stillgelegt.
"Warum dürfen die Landwirte nicht belegen, dass sie nicht übermäßig düngen?", fragt Kreisbäuerin Anette vom Berg-Erbar. Die nötigen Informationen seien vorhanden, die Landwirte hätten die Zahlen. Schließlich muss genau festgehalten werden, wieviel Düngemittel gekauft und ausgebracht wird, wieviel Stickstoff in den Boden eingebracht und von der jeweiligen Pflanze verbraucht wird.
Wilfried Distler: "Wir sind doch sowieso gläsern." Und: Kein Landwirt sei darauf erpicht, mehr Geld für Dünger auszugeben als er müsse. Gedüngt werde nur, wenn die Pflanze Bedarf habe und nur so viel, wie sie brauche, so Distler. "Wir düngen nach guter fachlicher Praxis und gehen schonend mit dem Boden um."
Die Folgen für Pflanzen und Betriebe in roten Gebieten
Um die Nitratbelastung zu verringern, dürfen Landwirte in roten Gebieten weniger düngen als die Berufsgenossen auf grünen Flächen. "Die Pflanzen bekommen nicht das, was sie brauchen", sagt Walter. Das führe zu weniger Ertrag und damit weniger Erlösen, zugleich müssten die Viehhalter investieren, weil sie Gülle nur noch zu bestimmten Zeiten ausbringen dürften und Lagerkapazität schaffen müssten.
Weil sein Betrieb im roten Gebiet liegt, reichte Dorschs Lager nicht mehr aus, er musste vergrößern. Werde in zwei Jahren neu bewertet und durch neue zusätzliche Messstellen ergeben sich möglicherweise bessere Werte, sei diese Investition womöglich umsonst gewesen, gibt vom Berg-Erbar zu bedenken.
Landwirte: Weniger Wachstum, weniger Pflanzendichte, größere Verdunstung
Anhand einer Beispielrechnung erklärt Distler, wie sich die Düngeverordnung für einen Landwirt im roten Gebiet auswirke: 20 Prozent Unterdüngung führe zu Einbußen von 10 Doppelzentner Weizen pro Hektar Fläche, was etwa 300 Euro weniger Einnahmen entspreche. Dazu gehe der Qualitätszuschlag verloren. "Bei einem Durchschnittsbetrieb von 40 bis 50 Hektar Weizenanbaufläche entsteht so ein wirtschaftlicher Schaden von 20.000 Euro pro Jahr."
Wenn solche Zahlen genannt werden, führen Kritiker an, den Landwirten gehe es nur um ihre Betriebe und ums Geld, nicht aber um die Natur. Die Bauern und BBV-Vertreter widersprechen und führen zusätzliche Argumente an: Werde weniger gedüngt als die Pflanze benötigt, verdünne sich der Bestand. Die Pflanzen sind kleiner und dünner, es gibt mehr freien Boden dazwischen. "Damit hat man auch eine höhere Verdunstung", sagt Anette vom Berg-Erbar. "Das ist kontraproduktiv."
Befürchtung: In Franken wird viel Brotweizen angebaut, der Anteil wird sinken
Und auch der Ernährungsaspekt müsse beachtet werden, findet die Kreisbäuerin. Franken sei ein großes Gebiet, in dem vor allem Brotweizen produziert werde. Die gleiche Qualität mit 20 Prozent weniger Düngung zu erreichen als die Pflanze eigentlich brauche, sei sehr schwierig, sagt Matthias Dorsch.
Wenn die Qualität für Brotweizen nicht ausreiche, werde Futterweizen produziert. "Das ist ein wichtiger Aspekt hinsichtlich der Ernährungssicherheit", so vom Berg-Erbar. Es gebe Länder, da werde bei den Düngerichtlinien schon wieder zurückgerudert, weil der Qualitätsweizen nicht mehr ausreiche.
Es gibt in Bayern noch viel zu wenige Messstellen
Eine der Forderungen der Bauern: Es muss mehr Messstellen geben. Die Vorschrift, je 50 Quadratkilometer Fläche eine Messstelle einzubeziehen, sei "nie und nimmer" erreicht, kritisiert Wilfried Distler. 1500 Messstellen würden in Bayern benötigt, sagt Alois Kraus. "Jetzt ist es noch nicht mal die Hälfte." Bis 2024 werde das nötige Netz auch nicht geschaffen sein.
"Es gibt in unserem roten Gebiet auch unbelastete Brunnen. Aber die sind keine anerkannten Messstellen", erklärt Michael Walter. Doch welche Brunnen werden wann anerkannt? Wird ein rotes Gebiet nach zwei Jahren bei der erneuten Neubewertung grün oder andersherum? Distler spricht von einem "Lotteriespiel" für die Bauern.
Ein großes Problem in Unterfranken sind die fehlenden Niederschläge
Nicht alle Landwirte in Bayern verstehen die Aufregung der unterfränkischen Landwirte, denn die höheren Nitratwerte hängen auch mit den niedrigen Niederschlagswerten in der Region zusammen. "Hätten wir mehr Niederschläge, gäbe es das Problem gar nicht", sagt vom Berg-Erbar. Auch beim Blick auf Europa fühlen sich die hiesigen Landwirte benachteiligt: "Andere Länder haben die Durchschnittswerte der Brunnen gemeldet. Wir in Deutschland nur die schlechtesten Brunnen."
Die Basis für die Bewertung der Nitratwerte sei nicht einheitlich. "Und die unterfränkischen Landwirte werden in Sippenhaft genommen." Zudem werde nur auf die Landwirtschaft geschaut. "Wie die vielen maroden Kanalsysteme sich auf die Wasserqualität auswirken, wird gar nicht berücksichtigt", kritisiert Matthias Dorsch, auch nicht Gewerbe und Industrie.
Er sei bereit, etwas zu tun, wenn es in seiner Gemarkung ein Problem gebe, macht Dorsch klar. Aber es müsse klar differenziert werden, wo das Problem liege. Und er fordert Perspektiven für die Landwirte: Wer nachweisen könne, dass er nicht zu viel dünge und nicht zum Nachteil der Wasserqualität arbeite, müsse aus den Beschränkungen herausgenommen werden. "Wer das nicht nachweisen kann, muss mit den strengeren Vorgaben leben." Aber alle Landwirte "zum Buhmann der Gesellschaft" zu machen, das wollen die Bauern sich nicht mehr gefallen lassen.
Hier aber fordern die Bauern ein Recht auf Umweltverschmutzung, sie wollen es dann am Ende nicht gewesen sein und bezahlen darf es letzten Endes der Kunde der Wasserwerke. Nein, danke!
Deswegen ist ihr Vergleich sowas von lächerlich.
Und trotzdem ist das richtig um die Schadstoffbelastung runter zu bringen, deshalb ist es auch nur richtig, wenn das Wasser geschützt wird.
Da haben sogar die Landwirte mit ihrem CSU-Bauernverband aber auch total versagt, nicht mal mehr unser fränkischer Ministerpräsident will die Wasserverschmutzung hinnehmen.
Selten so einen Schmarren gelesen.
Kommen Sie auf die Betriebe, wir Landwirte beweisen ihnen das Gegenteil.
Die Grenzwerte haben ihre Gründe und Daseinsberechtigung. Ich bin strikt dafür, dass die EU hier endlich ernst macht!