Über Geflüchtete herrscht bei vielen Diskussionen Un- oder Halbwissen vor über ihre Unterbringung, ihre Motive und vor allem über die Leistungen, die sie erhalten. Die Kreisräte des Schweinfurter Kreistags haben sich nun selbst ein Bild vor Ort gemacht und das Anker-Zentrum, die für ganz Unterfranken zuständige Erstaufnahmeeinrichtung, in der ehemaligen Conn-Kaserne besucht. Eine Möglichkeit, die allen offensteht, wie der Leiter Benjamin Kraus betont: "Wir wollen zu jederzeit und für jeden transparent sein."
Gerade diese Transparenz sei notwendig. Darin waren sich die fünf Fraktionsvorsitzenden des Kreistags auf Anfrage der Redaktion einig. Das unterstrich auch Gabriele Jakob (CSU), deren Fraktion die Besuchsmöglichkeit im Kreistag angestoßen hatte, was zunächst im Landratsamt nicht auf Gegenliebe gestoßen sei, wie Jakob findet. Für Kommunalpolitikerinnen und -politiker sei es wichtig zu wissen, welcher Prüfaufwand vor Ort betrieben wird und welche Schritte während des Verfahrens für Flüchtlinge eingeleitet werden.
Flüchtlinge werden zu kleineren Arbeiten herangezogen
Die Wahrnehmung bei vielen Menschen beschränke sich oft auf den Müll, der auf den Wegen zu den Supermärkten in Euerbach zu finden sei, die von geflüchteten Menschen regelmäßig aufgesucht werden, so Jakob. Zentrumsleiter Kraus erläuterte, dass Gruppen zusammengestellt werden, um die Hinterlassenschaften wegzuräumen. Auch können Geflüchtete in der Einrichtung gegen minimale Entlohnung kleinere Dienste übernehmen. Zugang zu geregelter Arbeit soll Geflüchteten künftig ab drei Monate Aufenthalt möglich gemacht werden. Die Menschen schnellstmöglich in Lohn und Brot zu bringen, war auch der überwiegende Tenor beim Publikum einer Info-Veranstaltung zum Thema Asyl mit zwei SPD-Bundestagsabgeordneten in Schweinfurt.
Während die bayerische Staatsregierung eine Bezahlkarte für Geflüchtete einführen will, damit sie nicht so frei über Geld verfügen können, rechnete Sozialamtsleiter Steffen Beutert vor, wieviel Bargeld die Menschen tatsächlich in der Tasche haben. Alleinstehende haben demnach einen rechtlichen Anspruch auf 460 Euro monatlich, Partnerinnen oder Partner auf 413 Euro und Kinder zwischen 312 und 408 Euro. Davon werden alle Sachleistungen abgezogen, die das Anker-Zentrum vorhält: vor allem Essen, Kleidung, Internet-Nutzung und Hygieneartikel. Danach bleiben zwischen 111 und 169 Euro als monatliche Barleistung für eine Person übrig.
Stefan Rottmann (SPD): Es fehlt an sinnvoller Beschäftigung
Stefan Rottmann (SPD) nannte den Besuch aufschlussreich und äußerte sein Erstaunen über die Logistik in der Aufnahmeeinrichtung: "Die sind unglaublich gut organisiert", um sämtliche (Verwaltungs-)Schritte in die Bahnen zu lenken. Es fehle aber eine sinnvolle Beschäftigung für die dort wohnenden Personen. Dies sei auch der Eindruck, den Bürgerinnen und Bürger von den Flüchtlingen hätten. Er verwies auf die Gemeinden, wo die Geflüchteten im Anschluss dezentral unterkommen; dort müsse auch die Integrationsarbeit geleistet werden. Dennoch dürften die Kommunen keine Nachteile erleiden.
Oliver Brust (Freie Wähler) vergleicht seine Impressionen mit seinen früheren Erfahrungen als Bürgermeister des benachbarten Geldersheims: Vor Jahren sei noch viel improvisiert worden. Jetzt sei das Zentrum gut organisiert, um die Menschen auf ein Leben hierzulande vorzubereiten. Deswegen wertet er es als positiv, dass Behörden und die Sozialberatung vor Ort gebündelt sind. Er sieht noch Nachholbedarf, der Bevölkerung zu erläutern, wie Asylverfahren ablaufen und welcher der sechs unterschiedlichen Rechtstitel für die Bewerberinnen und Bewerber gelten. Vorbehalte macht er in der Bevölkerung aus, wenn sich Einzelne "schlecht benehmen", was vielfach mit der gesamten Gruppe der Flüchtlinge gleichgesetzt werde.
Auch für diese Fälle hat Kraus vor Ort eine Lösung: Personen, die Probleme haben, sich in das Gemeinschaftsleben einzufügen, werden in einem separaten Gebäude untergebracht und haben für alle anderen Wohnhäuser Betretungsverbot. "Das ist eine erfolgreiche Praxis", sagt Kraus.
Lob und Kritik von den Grünen
Kritisch setzen sich die Grünen mit dem Anker-Zentrum auseinander, das sie auch aufgrund der Größe prinzipiell ablehnen, wie Co-Fraktionschefin Birgit Schmitt äußert. Wie es bei Niederwerrn geführt wird, hinterließ bei den Grünen demnach einen positiven Eindruck. Ausnahme: Bei der Essensausgabe werde leider auf Wegwerfgeschirr gesetzt.
Eine perfekte Organisation lobt auch Bernd Schuhmann (AfD): "Alle Rädchen greifen ineinander." Die Unterbringung sei für die Menschen sehr gut; mit Abstrichen gelte das für die Zeltunterkünfte, die bei hohen Belegungszahlen genutzt werden. Insgesamt sei es ein schmaler Grat, das Flüchtlingsthema zwischen der "Humanität für das Einzelschicksal" und dem "gesamtnationalen Kontext" zu betrachten, so Schuhmann.
Anker-Leiter klärt auf: Wieso haben manche Geflüchtete keine Papiere?
Der Leiter des Anker-Zentrums, Benjamin Kraus, versuchte die oft gehörte Unterstellung zu relativieren, viele Geflüchtete werfen ihre Papiere weg, etwa um ihr Alter zu verschleiern. In vielen Herkunftsländern fehle es an Infrastruktur, um Reisedokumente ausstellen zu können. Zudem sei für die Betroffenen der Pass nicht unbedingt das Wichtigste, wenn sie ihren Fluchtvorsatz in die Tat umsetzen.