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Schweinfurt
Solardach für 1,2 Millionen: Über den Becken der Schweinfurter Kläranlage läuft Seilbahntechnik aus der Schweiz
Flächen doppelt nutzen, spart Fläche. Das gilt für Strom vom Dach genauso wie für ein Projekt im großen Stil: Photovoltaik im Klärwerk. Was sie besonders macht.
1,2 Millionen hat der Eigenbetrieb Stadtentwässerung der Stadt Schweinfurt für die Erzeugung regenerativer Energien in der Kläranlage Schweinfurt investiert. Bei der offiziellen Inbetriebnahme des Solarfaltdachs (von links) Oberbürgermeister Sebastian Remelé, Betriebsleiterin Dr. Nadine Scheyer und Werkleiter Jan von Lackum.
Foto: Johannes Petersen | 1,2 Millionen hat der Eigenbetrieb Stadtentwässerung der Stadt Schweinfurt für die Erzeugung regenerativer Energien in der Kläranlage Schweinfurt investiert.
Katja Beringer
 |  aktualisiert: 23.06.2024 02:33 Uhr

Das, was sich so geräuschlos über den vier Belebungsbecken der Schweinfurter Kläranlage in Oberndorf entfaltet, ist 1,2 Millionen Euro schwer. So viel hat das Solarfaltdach gekostet, das nicht fest montiert ist, sondern mobil. Je nach Bedarf kann die 330 Kilowatt Peak-Anlage ihre Paneelen aus- oder einfahren.

Der Hersteller stammt aus der Schweiz, das System nutzt Seilbahntechnik der Eidgenossen, so Jan von Lackum bei der offiziellen Inbetriebnahme vor der Sitzung des jüngsten Haupt- und Finanzausschusses des Stadtrats.

Der berufsmäßige Stadtrat, Ordnungs- und Umweltreferent ist auch offizieller Werkleiter der Stadtentwässerung Schweinfurt. Betriebsleiterin ist Dr. Nadine Scheyer, und die hatte auch gleich eine Erklärung für die hohen Kosten parat: die mobile Bauweise. Was die Anlage vergleichsweise teuer macht, ergibt in dem Fall auch Sinn. Denn: ein festes Solardach wäre an der Stelle nicht möglich. Außerdem werde so eine Fläche zweifach genutzt, sagt von Lackum.

Seilbahntechnik aus der Schweiz kommt bei dieser mobilen PV-Anlage zum Einsatz. Auf den Seilen können die einzelnen Paneele aus- und eingefahren werden.
Foto: Katja Beringer | Seilbahntechnik aus der Schweiz kommt bei dieser mobilen PV-Anlage zum Einsatz. Auf den Seilen können die einzelnen Paneele aus- und eingefahren werden.

Das Solarfaltdach aus der Schweiz dagegen kann einfahren – bei starkem Wind zum Beispiel oder auch für bestimmte Arbeiten an den Becken. Ansonsten kann die Anlage Strom produzieren und gleichzeitig auch die Becken beschatten. Was angesichts der heißen Sommer und langen Hitzeperioden Sinn ergibt. Bakterien, die das Abwasser reinigen, gehe es nämlich wie den Menschen, sagt von Lackum: Ist ihnen zu heiß, werden sie träge und faul.

Wofür der mit dem Solarfaltdach erzeugte Strom verwendet wird

Zum Teil wird man die über das Solarfaltdach produzierte Energie für den Eigenverbrauch des Klärwerks verwenden, den Überschuss ins Netz einspeisen. Ist die Anlage wirtschaftlich, könnte auch ein weiteres Solarfaltdach dazukommen – ein Becken könnte noch überdacht werden, so von Lackum.

Die mobile PV-Anlage über den vier Belebungsbecken kann bei Bedarf ein- und ausgefahren werden kann.
Foto: Katja Beringer | Die mobile PV-Anlage über den vier Belebungsbecken kann bei Bedarf ein- und ausgefahren werden kann.

Für Oberbürgermeister Sebastian Remelé ist die Investition, die der Haupt- und Finanzausschuss dem Eigenbetrieb Stadtentwässerung selbst genehmigt hatte, "ein Beitrag zur Erzeugung regenerativer Energien auf dem Stadtgebiet", wo freie Flächen rar sind.

Bayerns Umweltminister Glauber besucht die Schweinfurter Kläranlage

Investitionen muss die Stadtentwässerung inzwischen auch über Kredite finanzieren, zum Beispiel auch die für das neue Laborgebäude, in das im vergangenen Jahr 2,2 Millionen Euro geflossen sind. Weitere Projekte stehen an, wie Kanalsanierungen durch Inliner-Technik im Bereich der Gartenstadt und die Erneuerung von Hausanschlüssen.

Ebenso geplant ist der Einstieg in die erste Bauphase für die Transportleitung für Nutzwasser. Wie und wofür dieses genutzt werden kann, wird in der Kläranlage Schweinfurt in einem bundesweiten  Pilotprojekt erforscht.

Warum viel Regen das Reinigen von Abwasser nicht leichter macht

Jetzt soll das gereinigte Wasser, das bisher einfach in den Main geleitet worden ist, auch für die Bewässerung der Grünanlagen ins Stadtgebiet gebracht werden – über eben jene Transportleitung. Dafür, und für den Bau einer vierten Reinigungsstufe, erhält die Stadt Zuschüsse vom Freistaat. Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber wird die Förderbescheide am Freitag bei einem Besuch der Anlage selbst überreichen.

Insgesamt hat die Stadtentwässserung 2023 einen Jahresgewinn von rund 760.600 Euro erzielt. Deutlich in die Höhe gegangen ist laut Werkleiter die Abwassermenge, die stieg von 9,5 Millionen Kubikmeter auf etwa elf Millionen. Der Grund: Schon 2023 hat es relativ viel geregnet. Für Kläranlagen ist das nicht unbedingt von Vorteil. Besteht Abwasser im Wesentlichen aus Regenwasser, macht das die Abwasserreinigung nicht leichter. Auch das Gas und damit der Strom, den man aus den Zersetzungsprozessen in den Faultürmen gewinnen kann, werde weniger, so von Lackum.

 
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  • Klaus Krug
    1.200.000 Euro für 330 Kilowatt-Peak, das macht pro Kilowatt-Peak rund 3.600 Euro. Das ist gut doppelt so teuer wie heute üblich.

    Die gemeinnützige Finanztip-Stiftung schrieb im Januar 2024: Mehr als 1.800 Euro pro Kilowatt-Peak (kWp) Leistung solltest Du normalerweise nicht bezahlen. Und das ist für heutige Verhältnisse schon recht üppig. Eine normale Klärbeckenbeschattung und eine normale PV-Anlage hätten zusammen möglicherweise erheblich weniger gekostet.
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