Es wird oft darüber diskutiert, warum sich immer weniger Menschen für Kommunalpolitik zu interessieren scheinen. Nimmt man die Beteiligung an den Kommunalwahlen als Maßstab, herrscht erschreckende Teilnahmslosigkeit: 2014 gingen in Schweinfurt nur noch 42 Prozent der Wahlberechtigten zu den Urnen, um ihre politischen Vertreter im Stadtrat zu bestimmen. Die SPD Schweinfurt stemmt sich dagegen, hat ein Projekt ins Leben gerufen, das zumindest das Potenzial hat, den gefühlten Verdruss vieler Bürger zu lindern und in aktives Mitgestalten zu wandeln.
Auf der neu ins Leben gerufenen Internetseite www.erfrischend-denken.de gibt es ab sofort die Möglichkeit zu Live-Diskussionen mit SPD-Politikern oder Experten zu verschiedenen Themen aus der Stadtpolitik. Los geht es am Donnerstag, 21. Juni, ab 18 Uhr mit der ersten Diskussion über die Bewerbung zur Landesgartenschau, die die SPD-Fraktion bekanntlich kritisch sieht. Ebenso kann man auf der Facebook-Seite der Schweinfurter SPD mitdiskutieren.
Wider die Politikverdrossenheit
SPD-Fraktionsvorsitzender Ralf Hofmann und Stadtrat Peter Hofmann stellten das Konzept vor. Sie sind dafür bekannt, das Ohr am Bürger zu haben und kritisch nachzufragen, haben jahrelange kommunalpolitische Erfahrung. Aber auch sie haben festgestellt, dass sich die Stimmung nicht nur bundesweit bei entsprechenden Reizthemen wie der Flüchtlingspolitik gewandelt hat, sondern dass es insgesamt zunehmende Politikverdrossenheit gibt, die sich im eigenen Wohnumfeld widerspiegelt. „Es gibt ein tiefes Misstrauen gegenüber Eliten, vermeintlich einfache Lösungen werden bevorzugt“, so Ralf Hofmann, der eine „Vertrauenskrise“ der Bürger gegenüber der Politik konstatiert.
Diese Entwicklung will die Schweinfurter SPD nicht hinnehmen. Sie will etwas dagegen tun, nicht nur kurz vor einer Wahl, sondern dauerhaft. Deswegen hat man schon länger verschiedene Veranstaltungen wie Fraktion vor Ort, Tür-zu-Tür in den Stadtteilen oder auch die Begehungen der historischen Keller oder Türme eingeführt. Mit allen Veranstaltungen stoße man auf ungeahnt positive Resonanz, erzählt Peter Hofmann. Natürlich gebe es auch Kritik, aber meistens öffneten sich die Bürger, erzählten, was sie gerade in ihrem engen Umfeld nervt oder an der großen Politik stört. Ein „Bombenerfolg“, so Peter Hofmann, sei der Arbeitskreis für die Altstadt, wo man sich vor Interessenten kaum retten könne.
Hemmschwellen abbauen
Die Schweinfurter Genossen schauten sich bei der Weiterentwicklung ihres Diskurses mit den Bürgern auch bei den Kollegen in Regensburg oder Nürnberg um. Die SPD-geführten Großstädte haben regelrechte Baukästen, die sie je nach Thema und Bedarf einsetzen. Dass man eigentlich eine originäre Aufgabe der Stadtverwaltung – Bürgerinformation und Bürgerbeteiligung – übernehme und intensiviere, machen Peter und Ralf Hofmann schon deutlich.
Es ist aber nicht der entscheidende Antrieb. „Wir wollen Vertrauen aufbauen, Hemmschwellen überwinden, aber auch als SPD-Politiker klare Kante zeigen, wenn es nötig ist“, so Ralf Hofmann und Peter Hofmann fügt an: „Wir müssen Antworten geben.“
Tür-zu-Tür 2.0
Bei der Erstellung der Internetseite und des Auftritts in den sozialen Medien nahmen die Schweinfurter Genossen durchaus ein erkleckliches Sümmchen Euros in die Hand, führten auch Veränderungen in ihrer Parteiarbeit vor Ort durch, um nicht nur mit Mitgliedern, sondern mit allen Bürgern zu diskutieren. Ralf Hofmann hat festgestellt, dass man erst lernen musste, klar, verständlich und zielgruppengerecht im Internet die Nutzer anzusprechen. „Wir müssen selbst aus unserer eigenen SPD-Blase herauskommen.“
Deswegen steht Service und Übersicht auf der Internetseite im Vordergrund. Die Live-Diskussionen stehen als Video immer zur Verfügung, man kann sie sich anschauen, wenn man Zeit hat, kommentieren, wenn man Lust hat oder einem später noch etwas einfällt. Gegen Internet-Trolle und unflätige Beschimpfungen wurden entsprechende Vorsorgemaßnahmen eingebaut, so dass sich die diskutierenden Politiker und Experten auf das konzentrieren können, worauf es ankommt: den Dialog mit den Bürgern.