Seit Februar 2022 ist Christof Wahlefeld Intendant des Theaters Schweinfurt. Es war eine Mammutaufgabe für ihn: Neben den Planungen für die Sanierung des Haupthauses musste er mit seinem Team die Ersatzspielstätte im evangelischen Gemeindehaus zu einem Theater umbauen und die neuen Spielzeiten planen.
Ende Juni endet die zweite volle Spielzeit im evangelischen Gemeindehaus, im September startet die Spielzeit 2024/25. Die Besucherinnen und Besucher in Schweinfurt gehen den neuen Weg mit, die Auslastung der knapp 150 Vorstellungen pro Saison liegt bei über 70 Prozent. Im Interview spricht Wahlefeld nicht nur über das neue Programm und worauf er sich dabei besonders freut, sondern auch darüber, wie er das Theater der Zukunft definiert.
Christof Wahlefeld: Ja, das sind wir. Die Schwellenängste haben sich abgebaut, wir haben uns aneinander gewöhnt: Wir an das Haus, die Zuschauer an die neue Situation und die Art, wie das Theater auftritt. Wir sind auf einem guten Weg, das Theater so zu beleben, dass es wieder mitten im Herzen der Stadt ankommt.
Wahlefeld: In den vergangenen vier Wochen wurde ich tatsächlich mit Lob überschüttet von den Besuchern. Ich hatte einige Male Dienst an der Abendkasse. Da kamen die Menschen direkt auf mich zu. Das ist sehr nett. Im Theater bekommt man selten direktes Feedback zum Beispiel über ein Stück, was ein wenig schade ist. Kritik gibt es zum einen gelegentlich am Layout des Programms und die Aussage, dass die Stühle unbequem seien. Das kann ich nachvollziehen und tue mein Möglichstes, das zu ändern.
Wahlefeld: Leider ist "Das große Heft" wegen Erkrankung ausgefallen, da hatte ich mich sehr darauf gefreut. Ich war bei Dancework Chicago zuletzt sehr begeistert. Ich bin froh, dass der Theaterball, Rocky Horror Show und natürlich "Cry Baby" so gut funktioniert haben. "Revolution" war auch ein spannender Abend, vor allem weil es eine Utopie auf die kommenden 50 Jahre bezogen war. Ein sehr starker Abend.
Wahlefeld: Ich bin unendlich gespannt auf Rolando Villazon, den ich live noch nicht gehört habe. Ich freue mich aber auch auf Höhepunkte wie "Das alte Land", eine sehr nahegehende Geschichte. "Das große Heft" wird nachgeholt und ich freue mich auf zwei Tanzabende, einen mit einer italienischen Gruppe, den anderen mit der DDC. So lokal arbeitet man selten mit einer Gruppe vor Ort zusammen.
Wahlefeld: Das Ziel ist Theater für jeden, was noch nicht so ganz gelingt, da Programm für Menschen mit Migrationshintergrund in der Stadt noch fehlt. Es braucht eine breite Produktpalette. Aber die eine Seite ist das Angebot, die andere, die Menschen zu erreichen. Theater ist leider nicht mehr in jedem Kopf verankert, wir müssen da natürlich auf uns aufmerksam machen.
Wahlefeld: Ja, natürlich. Der Begriff Freizeit ist immer mit Vergnügen konnotiert, aber man kann sich ja auch mit ernsthaften Dingen vergnügen. Wir sind Freizeitanbieter, keine Frage. Jeder sucht in etwas anderem in seiner Freizeit den Ausgleich, den Spaß. Jeder würde zustimmen, dass Netflix zum Beispiel ein Freizeitausgleich ist. Da entscheidet man sich doch, ob man eine Romanze, eine Komödie oder etwas Ernstes schaut. Die klassische Definition von Hochkultur und Popkultur ist ein überholtes Konzept. Man ist ja auch früher schon in seiner Freizeit ins Theater gegangen. Ein "Faust" macht genauso viel Spaß wie "Hedwig and the angry inch", auch wenn es unterschiedliche Zielgruppen sind.
Wahlefeld: Dauerhaft nicht. Für ein Theater ist es aber wichtig, dass man sich damit auseinandersetzt, was die Stadt, in der man lebt, einem bietet. In Schweinfurt ist natürlich Friedrich Rückert augenscheinlich. Leider gibt es dafür kein konkretes Angebot auf dem Gastspielmarkt, weswegen die Zusammenarbeit mit der Mäzenin ein Glücksfall war. "Cry Baby" war der Versuch, ob wir das leisten können. Dass es so ein Erfolg war im Museum Otto Schäfer, freut mich sehr. Wir werden es in der neuen Spielzeit jetzt im Gemeindehaus zeigen, mit einer Arena-Bühne und mehr Musikern. Aber es wird nicht der Standard werden, dass wir einen Großteil des Spielplans selbst produzieren.
Wahlefeld: Es sind Veranstaltungen, die etwas Besonderes haben. Entweder wegen der Schauspieler wie Friedrich von Thun oder Gisa Flake oder, weil es eine Uraufführung oder Premiere ist. Jeder kann sich entscheiden, ob man bei diesen "Glanzlichtern" dabei sein möchte.
Wahlefeld: Mit ihm persönlich habe ich noch gar nicht gesprochen, es ist über eine Anfrage bei der Agentur gelungen. Doch die Stars überlegen sich schon, ob sie hier im Gemeindehaus auftreten wollen oder nicht. Man schafft das durch den guten Ruf, den wir uns in der Theaterwelt erarbeitet haben. Man weiß, wie wir hier arbeiten und Künstlerinnen und Künstler aufnehmen. Das spricht sich herum. Diese Gastspiele sind für uns als Team ein tolles Kompliment für unsere Arbeit.
Wahlefeld: Es beginnt mit "Komoko", ein sehr sphärischer Abend. Danach kommt ein Doppelabend mit "Carmen" und "Bolero" als Modern Dance. Ein spannender Abend wird im Februar "Der Duftmacher" vom Theater Hof, das für dieses Werk eigene Düfte kreieren ließ und sie mit Verdampfern riechbar werden lässt. Es ist also eine Kombination aus Anschauen, Hören und Riechen. Ich bin total gespannt, wie das funktioniert. Dann kommen die "Goldberg Moves" der DDC. Es sind wieder sechs Tanzabende, die alle im modernen Stil fortgeführt werden.
Wahlefeld: Ja, das wird fortgesetzt. Es ist niederschwellig, auch wenn es ein langer Weg ist, dass Gäste nach der Teilnahme zum Beispiel bei der Quiz Night auch ins Theater kommen. Es passieren aber immer wieder schöne Begegnungen. Kürzlich kam eine Gruppe junger Menschen bei der Quiz Night auf mich zu und erzählte, im Theater sei es sehr gut gewesen und sie kämen gerne wieder. Natürlich wird es dauern, dass sie vielleicht irgendwann auch ein Abo nehmen, aber ich hätte sie nie auf uns aufmerksam gemacht, wenn wir die Quiz Night nicht gemacht hätten. Solche Angebote hätte das Theater schon viel früher gebraucht, um mehr Lust auf Theater, Museum, Kunst im Allgemeinen zu machen. Letztendlich die Freizeitgestaltung zu erweitern.
Wahlefeld: Wir können leider im Gemeindehaus aus akustischen Gründen nicht die ganz großen Konzerte anbieten, es bleibt nur die Kammermusik. Da gibt es bekannte Stücke wie "Die kleine Nachtmusik", die auch funktionieren. Aber Kammermusik interessiert ein sehr spezifisches, sehr in der klassischen Musik gebildetes Publikum. Unsere jahrzehntelange Freundschaft mit den Bamberger Symphonikern halten wir natürlich durch die Theaterfahrten aufrecht, leider ist für sie unsere Bühne hier zu klein. Wir planen auch mehr Vermittlungsarbeit.
Wahlefeld: Das freut mich sehr. Ich habe mir Jan Jedenak zur Seite geholt, der selbst Puppenspieler ist und schon Festivals kuratiert hat. Wir arbeiten gerade am Programm und werden im Herbst bekannt geben, was in der ersten Juli-Woche 2025 geplant ist. Es wird im Gemeindehaus auch eine eigene Puppenbühne geben. Für mich ist es ein spannendes Medium, das ich jetzt zum ersten Mal intensiv kennenlerne.
Wahlefeld: Die Schadstoffsanierung ist abgeschlossen. Für unser Herzstück, also die Bühnentechnik, sind die Aufträge vergeben. Man muss natürlich auch bedenken, dass wir als Theater selbst einige Monate brauchen, um das Haus nach der Sanierung wieder in Betrieb zu nehmen. Von der Verkabelung über Aufbau der Lichtanlage, Einmessen der Tonanlage bis zur Begehung mit der Feuerwehr und Einrichten der Garderoben. Einen endgültigen Termin für den Umzug und wann das alte Haus wiedereröffnet wird, gibt es noch nicht.