Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine jährt sich bald zum ersten Mal und beschäftigt die Bürger in Schweinfurt wie die Kommunalpolitik – nicht nur wegen gestiegener Energiepreise, die derzeit intensiv diskutiert werden, oder neuer Waffenlieferungen der Bundesregierung. Viele Schweinfurterinnen und Schweinfurter halfen geflüchteten Menschen aus der Ukraine. Die Stadt bot mit ihrer Flüchtlingsunterkunft in der Ledward Kaserne wichtige Hilfe zur Integration.
Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) gab im Mai 2022 eine Solidaritäts-Partnerschaft mit der ukrainischen Großstadt Lutsk bekannt. Er engagiert sich persönlich im Austausch mit dem dortigen Bürgermeister Ihor Polischtschuk, war mit Sozialreferent Jürgen Montag auch schon in der Ukraine. Nun hat der Stadtrat sein Vorhaben genehmigt, mit Lutsk eine dauerhafte Partnerschaft zu entwickeln. Es ist die vierte Partnerstadt nach Châteaudun in Frankreich, Motherwell in Schottland und Seinäjoki in Finnland.
Bei der Abstimmung war lediglich die AfD-Fraktion geschlossen dagegen, alle anderen acht Parteien und Wählergruppen im Stadtrat stimmten dafür. Dem OB ist das Thema eine Herzensangelegenheit, wie man deutlich merkte. "Schweinfurt ist in der Mitte Europas und hat eine vielfältige Bevölkerung. Wir haben auch die Pflicht, die Rolle als Mittler einzunehmen und die Internationalität zu wahren", erklärte er.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Thema Versöhnung nach der von Nazi-Deutschland ausgehenden Katastrophe vor allem in Richtung Westen ein wichtiges, so Remelé. Nun sei nach dem Fall des Eisernen Vorhangs 1990 und dem russischen Angriffskrieg die Zeit gekommen, "den Blick nach Ostereuropa zu richten". Die Ukraine sei aus seiner Sicht "ein Land mit zutiefst europäischer Prägung und hohem Potenzial".
Bürgermeister in Lutsk hat großes Interesse an Partnerschaft mit Schweinfurt
Bei seinem Besuch in Lutsk habe er große Dankbarkeit und Herzlichkeit erlebt, aber auch, dass es viele junge Menschen in der Ukraine gibt, die Deutsch lernen und den Blick nach Westen haben. "Es wird unseren Horizont erweitern", ist der OB überzeugt, dass die Partnerschaft mit Lutsk Schweinfurt langfristig Vorteile bringt.
Die 200.000-Einwohner-Stadt in der westlichen Ukraine liegt gut 100 Kilometer von der polnischen Grenze entfernt und wurde bisher von massiven Kriegsschäden verschont. Der mittelalterliche Stadtkern ist sehenswert, außerdem gibt es zwei Universitäten und ein großes Werk von SKF.
Die Verbindung mit dem schwedischen Wälzlagerhersteller, dessen Deutschland-Zentrale bekanntlich in Schweinfurt ist, war es auch, über die die ersten Kontakte geknüpft wurden. Im Stadtrat berichtete Holger Laschka (Grüne), der als Pressesprecher bei SKF arbeitet, wie eng der Kontakt nach wie vor ist und wie dankbar die Ukrainer für die Hilfe aus Schweinfurt seien.
SKF hilft beim Transport von Hilfsgütern in die Ukraine
Vor allem dank der SKF-Logistik gelang es, mehrere Hilfstransporte nach Lutsk zu bringen, wo sich –wie im nahe gelegenen Lwiw – Tausende Flüchtlinge aufhalten. Unter anderem wurden über 100 Krankenhausbetten, Stromgeneratoren oder ein in Schweinfurt nicht mehr gebrauchtes Feuerwehrauto in die Ukraine gebraucht sowie Kleidung, Essen und Medikamente.
Kritische Nachfragen gab es in Hauptausschuss und Stadtrat zu der Frage, wer sich im OB-Büro um die Partnerschaften kümmern soll. Der OB möchte zunächst eine neue Halbtagsstelle schaffen, um nicht nur die geplante Partnerschaft mit Lutsk und die Hilfstransporte zu koordinieren, sondern auch die Partnerschaften in Finnland, Frankreich und Schottland zu begleiten und teilweise neu zu beleben. Im Idealfall wird sich auch wie für die schon bestehenden Partnerschaften für die neue in der Ukraine ein Freundeskreis entwickeln, der Fahrten organisiert und Kontakte für Schulaustausche knüpft.