Es sind Schweinfurts letzte alte Arbeiterhäuser in der Gartenstadt, ein Stück Geschichte einer Industriestadt. Nicht schön, nicht gut gebaut, Anfang des 20. Jahrhunderts schnell hochgezogen und abgewohnt. Die meisten Häuser stehen leer, die Zeit läuft ab.
Der Bauverein plant die "Neue Gartenstadt'" – modern, zeitgemäß soll man in dem Quartier zwischen Fritz-Soldmann- und Gartenstadtstraße wohnen können. Sogar mehr Menschen als bisher. Aus 50 Wohneinheiten, die teilweise seit Jahrzehnten nicht mehr genutzt werden, sollen irgendwann über 60 Wohneinheiten werden – vom Einfamilienhaus mit Garten bis hin zu Mehrfamilienhäusern mit Gemeinschafts-Grünfläche.
Im März lagen die Pläne des Bauvereins auf dem Tisch, erst im Bauausschuss, dann im Stadtrat. Und beide Male gab es Kritik, auch wenn am Ende die Mehrheit für einen Vorhaben bezogenen Bebauungsplan gestimmt hat. Der erste Schritt hin zur Umsetzung der Pläne, über die der Bauverein nach eigenen Angaben seit 2018 mit der Stadt spricht und verhandelt.
OB fordert zum Nachdenken auf, Stadtheimatpfleger wendet sich an Landesamt
Kritik gab es keine. Bis März. Oberbürgermeister Sebastian Remelé hatte erst Verständnis für die Pläne geäußert, dann den Bauverein offen gebeten, noch einmal darüber nachzudenken. Schließlich sei dieser Teil der Gartenstadt der letzte, ursprünglich gebliebene. Auch in der Öffentlichkeit gab es kritische Stimmen. Stadtheimatpfleger Dag Schröder kündigte an, beim Landesamt für Denkmalpflege prüfen zu lassen, ob für die Gartenstadt-Siedlung Ensembleschutz bestehe.
Und der Bauverein? Er schwieg, weitgehend. Bis auf eine knappe Erklärung von Ralf Hofmann, SPD-Stadtrat und Aufsichtsratsvorsitzender des Bauvereins, in der Stadtratssitzung Ende März. "Der Bauverein reißt die Gebäude nicht aus Selbstzweck ab, sondern schaut den Tatsachen ins Auge", erklärte Hofmann damals. Die Wohnhäuser in der Gartenstadt entsprächen weder von Ausstattung und Zuschnitt noch vom energetischen Standard her den heutigen Anforderungen.
Warum hat der Bauverein bisher auf die Kritik nicht reagiert?
Warum das lange Schweigen? Warum keine Antwort auf die Kritik, die offenen Fragen? Damit hat die Redaktion den Bauverein im März konfrontiert und eine klare Aussage bekommen. Erst wolle man mit denen reden, die es wirklich betreffe. Dieses Gespräch mit den Betroffenen und Mitgliedern des Bauvereins gab es vor kurzem.
Und die Reaktion? Die sei durchweg positiv gewesen, heißt es in einer Pressemitteilung des Bauvereins, der über 3000 Mitglieder zählt. Mieter und Nachbarn des Quartiers zwischen Fritz-Soldmann-, Benno-Merkle-, Gartenstadt- und Bauvereinstraße hätten bei der Infoveranstaltung ein klares Votum abgegeben – für die Pläne des Bauvereins.
Wie Bauverein und Planer die Pläne für Abriss und Neubau begründen
Die würden der Verpflichtung des Bauvereins Rechnung tragen, "bezahlbaren Wohnraum zu schaffen", wird Gudrun Rentsch, Geschäftsführerin von arc.grün, dem beauftragten Planungsbüro des Bauvereins, in der Mitteilung zitiert. ''Abriss und Neubau ist deshalb die sinnvolle Lösung."
Und es ist eine, die laut Bauverein, viele Vorteile bringt: Auf der gleichen Fläche solle "mehr zeitgemäßer, aber für die Mieter weiterhin bezahlbarer Wohnraum" geschaffen werden. Was die Größe der Wohnungen, die Fassadengestaltung und andere Details betreffe sei noch alles offen, heißt es in der Mitteilung. Und weiter: Das neue Quartier werde nach den Plänen deutlich grüner; die begrünten Dächer, Photovoltaik-Anlagen, verkehrsberuhigten Straßen und neuen Radwege seien eine "nachhaltige Antwort auf den Klimawandel".
Was Verantwortliche der Genossenschaft an der Kritik irritiert
Trotzdem sei man sich der sozialgeschichtlichen Bedeutung der über 100 Jahre alten Siedlung bewusst. Ralf Hofmann und Vorstand Dominik Ebert nannten es legitim, sich über den Erhalt der Gebäude Gedanken zu machen. Gleichwohl gebe es zum Abriss keine Alternative. Die Bausubstanz sei schlecht, die Technik veraltet.
Neu zu bauen sei nachhaltiger und wirtschaftlicher als Erhalt und Sanierung, wird Vorstand Ebert in der Mitteilung zitiert. Der Bauverein, so Ralf Hofmann, sei nicht bekannt dafür, Traditionen zu ignorieren und Häuser leichtfertig wegzureißen. Man sei aber "zuvorderst den Mitgliedern verpflichtet". Der Bauverein mache "was wir brauchen und können".
Gegenteilige öffentliche Äußerungen auch Stadtverantwortlicher nannte Hofmann "irritierend", zumal mit der Stadt alles eng abgestimmt sei. Dass der Stadtheimatpfleger das Landesamt für Denkmalpflege eingeschaltet hat, nehme man zur Kenntnis, sei darüber aber ebenso verwundert, weil dieses in den bisherigen Besprechungen mit der Stadt nie Thema gewesen sei.
Wann das Projekt in der Gartenstadt nach aktuellem Stand starten soll
Man hoffe, dass sich der für frühestens 2025 geplante Baubeginn nicht verzögere. Geplant sei die Umgestaltung "von oben nach unten". Diese beginne in der Fritz-Soldmann-Straße, um in maximal zehn Jahren in der Josef-Säckler-Straße fertig zu sein. Wer noch im Quartier lebt, bekommt in der Bauzeit eine Alternativwohnung und kann später in die neuen vier Wände zurückkehren, versicherten die Vorstände Dominik Ebert und Birgit Umhöfer.
Wie ich aus eigener Erfahrung weiß ist eine Dachwohnung unter einer Photovoltaik Anlage durch die Beschattung im Hochsommer auch viel kühler.