Mit 70 Häusern in der Gartenstadt-, der Josef-Säckler-, Hans-Georg-Groha und Fritz-Soldmann-Straße wird ein genauso zentraler wie typischer Bereich der Gartenstadt verschwinden und anschließend neu erstehen – dem alten Charakter entsprechend und damit ohne große Mietshäuser. Aber auch nicht historisierend, denn der Bauverein will zeitgerecht bauen und niemanden vormachen, dass man ein Wohnen in historisch belegten Rekonstruktionen biete.
Abgewirtschaftet und nicht mehr zeitgemäß
Die Häuser des Bauvereins mit Wohnflächen zwischen 62 und 90 Quadratmeter seien abgewirtschaftet, nicht barrierefrei, energetisch schlechter als mangelhaft und von einem unzeitgemäßen Zuschnitt, erfährt die Redaktion im Gespräch mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Ralf Hofmann, den Vorständen Klaus Krug, Birgit Umhöfer, Günter Schmidt und Prokurist Dominik Ebert.
Im Frühjahr 1920 wurde das erste Bauprogramm in der Gartenstadt realisiert. Der 1917 gegründete Bauverein (gemeinnützige Genossenschaft mit anfangs gut 100 und heute 3000 Mitgliedern) hatte sich die Bekämpfung der Wohnungsnot zum Ziel gesetzt. Das Bebauungskonzept überzeugte damals durch kleine Einfamilienhäuser und große Gärten. Zu den Häusern gehörte auch ein Stallanbau für Federvieh und Hasen.
Bausubstanz mangelhaft bis ungenügend
Die Häuser in den vier Straßen zwischen der Bauverein- und der Benno-Merkle-Straße wiesen bei der Fertigstellung (bis 1927) und zumeist auch heute noch drei, vier oder fünf Zimmer, Wohnküche, Speisekammer und einen Abort auf. Zudem besitzen sie teilweise einen Keller, eine Waschküche und einen Dachboden. Alles war funktionell ausgerichtet. WC und elektrisches Licht entsprachen einem für die Bauzeit hohen Standard.
Die Bausubstanz ist dagegen vom Mangel an Baustoffen in der Zeit zwischen den Weltkriegen geprägt. Die Mauern sind dünn, und selbst Außenwände sind nicht komplett gemauert. Stellenweise schützen nur verputzte Holzbretter vor Wind und Wetter beim Leben in kleinen und sehr niedrigen Räumen.
Typisch ist die Aufteilung der Räume in der Hans-Georg-Groha-Straße 25 mit Wohnstube, Wohnküche, Bad und Stall im Erd- sowie vier Kammern im Obergeschoss. Zu erreichen sind die Kammern über eine schmale Treppe, wobei das Obergeschoss nicht niveaugleich, sondern in der Höhe versetzt errichtet wurde, weshalb auch zwischen den Kammern Treppen zu ersteigen sind.
Mit dem Versuch einer Haussanierung sei man schon vor Jahren gescheitert, sagt Güter Schmidt. Auf das Projekt "Die neue Gartenstadt" setzt der Aufsichtsratsvorsitzende. Ralf Hofmann will dieses Herzstück des Bauvereins und der Gartenstadt fortentwickeln. Nachdem etliche Häuser bereits seit geraumer Zeit leer stehen, sei die Planungsphase auch schon soweit fortgeschritten, dass man im Gespräch mit der städtischen Bauverwaltung sei.
Mix aus Einzelhäusern und Mietwohnungen
Entstehen soll ein Mix aus Einzelhäusern und Mietwohnungen, in denen man "gut, sicher und bezahlbar leben kann", so Hofmann. Die Zeit treibt allerdings den Aufsichtsratsvorsitzenden und die Vorstände nicht. Mit den permanenten Sanierungen im Bestand (322 Häuser mit 1800 Wohnungen und 32 gewerblichen Mieteinheiten hat der Bauverein) und den Neubautätigkeiten an der Eselshöhe-West II (16 Einzelhäuser und einige Mehrfamilienhäuser, Baubeginn für zwei Mehrgeschossbauten im Juni 2020) sieht sich die Genossenschaften aktuell an der Grenze der Leistungsfähigkeit.
Kündigungen wird es also vorerst nicht geben. Die Mieter seien allerdings unterrichtet, dass man irgendwann abreißen werde, sagt der Vorstand. Wer dann eine Ersatzwohnung brauche, der werde eine solche vom Bauverein bekommen, versichert Günter Schmidt. Auch werde das Projekt nicht in einem Zug durchgeführt. Der Startschuss könnte in der Fritz-Soldmann-Straße fallen, wo bereits sechs nebeneinander stehende Häuser geräumt sind.