Der vom Bauverein geplante Umbau der "alten Gartenstadt" zu einem neuen, modernen Quartier liegt manchen politisch Verantwortlichen schwer im Magen. Nicht nur Ulrike Schneider (Zukunft./ödp) hat seit der Bauausschusssitzung des Schweinfurter Stadtrats, in der grünes Licht für die Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans gegeben wurde, Bauchschmerzen. Auch Stefan Funk (CSU) bereitet der beabsichtigte Abriss und Neubau des Quartiers zwischen Fritz-Soldmann-, Benno-Merkle-, Garten- und Bauvereinstraße "Bauchweh". Stefanie Stockinger-von Lackum rumort es ebenfalls heftig im Magen aus Sorge, die "moderne Gartenstadt" könne so "furchtbar hässlich" werden wie die neue Eselshöhe des Bauvereins.
In der Sitzung des Stadtrates am Dienstag ist der Aufstellungsbeschluss für den vorhabenbezogenen Bebauungsplan mit fünf Gegenstimmen zwar bestätigt worden, vorab aber noch einmal eine intensive Debatte über das Vorhaben des Bauvereins entbrannt. Angestoßen hatte sie Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU), der – wie schon in der Bauausschusssitzung – noch einmal seine Sorge um das kulturelle Erbe der Stadt Schweinfurt deutlich machte. Er habe für das Vorgehen des Bauvereins zwar großes Verständnis, ob der vollständige Abriss der geschichtsträchtigen Bausubstanz aber die richtige Antwort sei, das sollte der Bauverein noch einmal überdenken.
Stadtheimatpfleger lässt Ensembleschutz prüfen
Laut Projektplanung sollen die vor 100 Jahren für Mitarbeitende der Industrie gebauten Reihenhäuschen entfernt und durch Flachdachgebäude mit verschiedenen Wohnformen ersetzt werden: dreigeschossige Häuser mit bis zu sechs Wohneinheiten, seniorengerecht und barrierefrei sowie zweigeschossige Doppelhäuser und Reihenhäuser; die beiden letzteren mit privaten Gartenzonen.
"Uns geht ein wichtiger Teil der Stadtgeschichte verloren", verwies Ulrike Schneider auf die sozialpolitisch entscheidende Epoche der Gartenstadtbewegung und forderte die Einbindung von Stadtheimatpfleger Dag Schröder. Tatsächlich ist dieser aufgrund der öffentlichen Debatte um die Gartenstadt schon von sich aus tätig geworden. Wie Ordnungsreferent Jan von Lackum verlauten ließ, lässt der Stadtheimatpfleger gerade beim Landesamt für Denkmalpflege prüfen, ob für die Gartenstadt-Siedlung Ensembleschutz besteht.
Ulrike Schneider brachte zusätzlich noch den Klimaschutz ins Spiel. Sie zitierte aus dem Baukulturbericht, wonach Abriss und Neubau deutlich umweltschädlicher als Sanierung im Bestand seien. "Man muss nicht immer alles abreißen", pflichtete Klaus Rehberger (CSU) bei mit Verweis auf die Augsburger Fuggerei, der ältesten Sozialsiedlung der Welt.
Man könnte den Schweinfurter Architekten Stefan Schlicht als Fachmann und Verfechter einer neuen "Umbaukultur" einmal ins Gremium holen, schlug Ulrike Schneider vor. Ihr Antrag, den Tagesordnungspunkt zurückzustellen und sich mehr Zeit für eine "so weitreichende Entscheidung" zu nehmen, fand aber keine Mehrheit.
Bezahlbaren Wohnraum schaffen
Nach langem stillschweigenden Zuhören schaltete sich schließlich Ralf Hofmann in die Debatte ein. Der SPD-Fraktionssprecher ist zugleich Aufsichtsratsvorsitzender im Bauverein und sah sich zu einer Klarstellung veranlasst: "Der Bauverein reißt die Gebäude nicht aus Selbstzweck ab, sondern schaut den Tatsachen ins Auge." Die Wohnhäuser in der Gartenstadt entsprächen weder von Ausstattung und Zuschnitt noch vom energetischen Standard den heutigen Anforderungen.
Durch den Abriss der alten Häuser solle der Weg frei gemacht werden für eine moderne, dichtere Bebauung. Denn Auftrag des Bauvereins sei es, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. "Das ist nur möglich mit Abriss und Neubau", sagte Hofmann und bot eine Besichtigung der Gebäude an, um sich davon zu überzeugen.
Unterstützung für diese Argumentation gab's von Johannes Petersen (SPD): "Wenn man in die Häuser reinschaut, sieht man, dass mit einer Sanierung hier nichts zu machen ist." Auch entstehe nach den Plänen des Bauvereins viel mehr Grün, das zur Aufwertung der Gartenstadt führen werde.
Auf Flachdächer verzichten
Zwiegespalten ist Theresa Schefbeck (CSU): Es sei zwar schade, dass man die alten Häuser abreißen müsse, eine Sanierung aber gleichfalls schwierig. Die neuen Pläne greifen ihrer Ansicht nach die alte Struktur im Grundsatz auf. Nun müssten diese so auch umgesetzt werden. In anderen Bereichen sei das nicht passiert, sagte sie mit Blick auf die Eselshöhe. "Da hat der Bauverein sich nicht mit Ruhm bekleckert."
Rüdiger Köhler (CSU) regte als baulichen Kompromiss an, auf die Flachdächer zu verzichten und die neuen Gebäude mit Satteldächern auszustatten. So bestehe auch die Möglichkeit, Photovoltaik zu nutzen. AfD-Vertreter Sebastian Madeiski tat die Diskussion um den Erhalt der alten Gartenstadt als Nostalgie-Debatte ab und meinte, man solle die Gelegenheit zur Neugestaltung nutzen.
"Der Bauverein stellt sich diesem Diskurs", war Ralf Hofmann aber dankbar für die Aussprache in der Stadtratssitzung und sicherte zu, dass der Bauverein die vorgebrachten Einwände prüfen werde. Er stellte aber auch klar, dass der Bauverein in erster Linie die Interessen der Genossenschaft zu wahren habe. "Und das ist die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum."
den würde ich als sehr Mutig bezeichnen.
Als Verantwortlicher des Bauvereins würde ich das Vorhaben komplett canceln.
Die gleichen Experten, die jetzt Erbsen zählen, schreien dann nach neuen Wohnungen.
Das Ergebnis daraus ist oftmals, Stillstand, kleinster gemeinsamer Nenner, hohe Kosten, hoher Zeitaufwand.
Es gibt immer mehrere Ansichten, jedoch muss man sich in so einem Fall entscheiden und es macht oft wenig Sinn einen Weg zu finden der alle zufriedenstellt.
Vor allem ist das mittlerweile eh kaum noch möglich weil es immer einen gibt der auch nach einem Beschluss noch aufsteht und plötzlich neue Argumente ins Feld führen will und sagt "so nicht".
Zitat: Auch entstehe nach den Plänen des Bauvereins viel mehr Grün
Wie soll das gehen? Hier war bisher viel Grün - sprich relativ große Gärten. Wenn diese nun einer dichteren Bebauung weichen müssen, wie soll hier dann bitte - viel mehr Grün entstehen.
Dichtere Bebauung bedeutet schlichtweg auch, dass es wieder ein kleines bisschen wärmer wird, da mehr Fläche versiegelt wird. Das nennt man dann vermutlich Klimaschutz....
So geht das: Nach den Plänen soll eine der Straßen wegfallen, dadurch erhöht sich die unversiegelte Fläche. Die vorgesehenen Flachdächer sollen ebenfalls begrünt werden. Dadurch wird u.a. auch das Regenwasser zurückgehalten, die Verdunstung kühlt die Dachflächen.
Aber so ist das - man dreht es wie es einem gefällt
Die vorgesehenen Häuser sind sogar deutlich niedriger als die bisherigen Gebäude, denn von den drei erwähnten Geschossen liegt eines im Hang, also dort, wo bisher nicht einmal ein Keller war. Zusätzlich entfällt der bei den alten Häusern vorhandene, aber wegen der Höhe/Breite nicht nutzbare Dachraum.
Im untersten Geschoss kann durch die Hanglage z.B. eine barrierefrei zugängliche Wohnung für Senioren entstehen. Auch ein Mehr-Generationenhaus wäre so denkbar.
Die oberhalb wohnenden Nachbarn müssen aufgrund der geringeren Gebäudehöhe nicht mehr auf eine triste Ziegeldachfläche schauen. Sehen Sie sich doch mal die Planung auf der Webseite der Stadt Schweinfurt (im Rats- u. Bürgerinfosystem) an. Dort kann man auch gut erkennen, dass die Grünflächen insgesamt mehr werden und nicht weniger.
Und zwischendrin dann "Urban Gardening", also hochtrabend fuer Aecker und Nutzgaerten. Ja, kann man sicher machen. Nur schoen wird das dann nicht, sofern der Architekt seine sparsame Bauweise von der Eselshoehe einfach kopiert. Das wirkt im Grunde dann wie die Bausuenden der 1970er, nur auf klein skaliert.
Zum Thema energetischer Standard: nach der Argumentation duerfte eigentlich auch kein Enthusiast mehr ein altes Bauernhaus das aelter als 100 Jahre ist kaufen, und renovieren. Oder die Stadt Schweinfurt noch den Renaissance-Bau stehen lassen. Also so ganz greifen tut das nicht.