Ein paar Worte des Bedauerns und dann ein Strich drunter – so schnell wie der Bauausschuss und in der Folge der Stadtrat die Pläne des Schweinfurter Bauvereins für den Umbau der "alten Gartenstadt" zu einem neuen, modernen Wohnquartier abgehandelt haben, wird es wohl nicht gehen. Stadtheimatpfleger Dag Schröder hält den beabsichtigten Abriss der vor 100 Jahren für Mitarbeitende der Industrie gebauten Reihenhäuschen zwischen Fritz-Soldmann-, Benno-Merkle-, Gartenstadt- und Bauvereinstraße für falsch.
"Das ist ein Stück Stadtgeschichte", betont der Stadtheimatpfleger und verweist auf die historische Bedeutung der Gartenstadt, die für eine sozialpolitisch entscheidende Epoche in Schweinfurt steht. Er hat deshalb das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege Unterfranken (BLfD) als obere Fachbehörde eingeschaltet und um eine Bewertung gebeten, ob für die Gartenstadt-Siedlung Ensembleschutz besteht.
Dag Schröder ist Architekt und Stadtplaner – und gebürtiger Schweinfurter. Als Kind hat er die Trümmerlandschaft nach 1945 und den Wiederaufbau miterlebt. Seit 2016 ist er ehrenamtlicher Stadtheimatpfleger, davor war er 15 Jahre Stellvertreter. Sein Anliegen ist es, historische Baukultur zu erhalten, sein Aufgabenbereich die Stadtbildpflege, Architektur und Denkmalpflege.
Überrascht hat Dag Schröder deshalb, dass die Stadt nicht im Vorfeld der Beratungen der Pläne des Bauvereins in Bauausschuss und Stadtrat seine fachliche Expertise eingeholt hat. Er habe von dem geplanten Projekt noch nicht einmal gewusst. Bei den regelmäßigen Arbeitstreffen mit den städtischen Vertretern der Unteren Denkmalbehörde sei die Gartenstadt nie Thema gewesen. Einmal im Monat kommt der Stadtheimatpfleger mit den Fachleuten der Stadt zusammen und begutachtet Bau- oder Sanierungsvorhaben. Auch ein Vertreter des BLfD sei immer dabei.
Reihenhaussiedlung erhalten
Dass bei diesen Jour Fixe die Pläne für die "neue Gartenstadt" nicht vorgelegt wurden, erstaunt den Heimatpfleger schon. "Für alle Kleinigkeiten werden wir herangezogen, aber so etwas elementar Wichtiges erfahren wir nicht."
Über 1000 Verfahren für Baudenkmäler und historische Ensembles habe er als Stadtheimatpfleger beziehungsweise früherer Stellvertreter schon begleitet. "Wir verbieten nicht nur", betont Schröder, "wir machen auch Vorschläge." Seine Empfehlung für die Schweinfurter Gartenstadt wäre, die Reihenhaussiedlung zu erhalten – "idealerweise alles".
In ganz Deutschland gebe es positive Beispiele, verweist Schröder auf Städte wie Bamberg und Heilbronn, die ihre Gartenstädte "liebevoll" saniert haben. "Das ist ein Stück Bau- und Sozialgeschichte." Das Argument, die Häuser seien nicht mehr zu retten, lässt Schröder nicht gelten. Jedes Gebäude ist in seinen Augen sanierungsfähig. "Wenn der Wille da ist, kann man es auch machen." Und nicht immer sei eine Sanierung teurer als ein Neubau, meint Schröder.
Gartenstadt-Konzept besitzt noch Gültigkeit
SPD-Fraktionssprecher Ralf Hofmann hatte in seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender des Bauvereins in der Stadtratssitzung argumentiert, die Wohnhäuser in der Gartenstadt müssten angesichts ihres Zustands abgerissen werden. Sie entsprächen weder von Ausstattung und Zuschnitt noch vom energetischen Standard den heutigen Anforderungen. Durch den Abriss der alten Gebäude solle der Weg frei gemacht werden für eine moderne, dichtere Bebauung, denn Auftrag des Bauvereins sei es, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
Auch im ausgehenden 19. Jahrhundert, in der Zeit der Industrialisierung und zunehmenden Verstädterung, ging es um die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum für die in die Großstädte drängenden Menschen. Sich selbst versorgen mit Gemüse und Obst, frische Luft und Natur vor der Haustür, nach dieser Vorstellung wurde das Gartenstadt-Konzept erdacht. "Das hat auch heute noch seine Gültigkeit", sagt Stadtheimatpfleger Dag Schröder. Die Sehnsucht nach dem Häuschen mit Garten sei gerade jetzt wieder entflammt.
Denkmalprüfung erfolgt Ende April
Wie geht es nun weiter? Dr. Christian Dümler, Konservator des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege (BLfD), wird Ende April nach Schweinfurt kommen, die Gartenstadt in Augenschein nehmen und eine Denkmalprüfung vornehmen. Die Stadt wird danach eine Empfehlung erhalten, was aus Denkmalschutzsicht beim Umbau der Gartenstadt zu berücksichtigen ist. Befolgen muss sie die Ratschläge des BLfD aber nicht. "Die Stadt ist als Untere Denkmalbehörde immer Herr des Verfahrens", verdeutlicht Dümler.
Stadtheimatpfleger Schröder würde sich wünschen, dass die politisch Verantwortlichen in Schweinfurt Verständnis für die Wertigkeit dieser Bausubstanz aufbringen. "Schweinfurt ist eine stolze alte Reichsstadt", das historische Erbe gelte es zu erhalten.
Zu hoffen bleibt, das der Bauverein sich etwas mehr Mühe gibt, als die Architekten des "neuen Stadtteils Bellevue". Einfach nur viereckig braucht es dann auch nicht.
Selbstverständlich kann in einem dichtbesiedelten Land wie dem unseren nicht jeder sein kleines grünes Paradies mit Bäumen, Beeten, Rasen und Jägerzaun drumrum haben, aber Betonburgen mit lauter Mini-Appartments sind auch keine Lösung.
Die modernen Häuser sehen nicht immer schön aus und wirken oftmals auch störend, wenn die anderen Anwesen noch erhalten sind.
Dann am besten die ganze Gartenstadt abreißen und alles neu bauen. Hoffe, dass sich das dann noch jemand leisten kann.
Komisch, dass ein Teil der Gartenstadtstraße vor Jahren saniert wurde - auch am Bergl wurde saniert und nicht abgerissen.
Inzwischen scheint es aber egal zu sein, wie mal etwas aussieht, Hauptsache so manche Leute können ihren Kopf durchsetzen.
Aber noch scheint es ja dann Hoffnung zu geben.
Glauben Sie allen Ernstes, dass sich ein Normalverdiener die Mieten leisten könnte, wenn man die Häuser renovieren würde?
Die Verantwortlichen sind auch Kaufleute die kalkulieren müssen zum Wohle der Genossenschaft und ihren Mitgliedern.
Ich würde an deren Stelle dieses Projekt nicht mehr weiter verfolgen, soll doch die Stadt ihre Wohnungen selbst bauen.