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Schweinfurt
Umbau der Gartenstadt: Stadtheimatpfleger vermisst Verständnis für das historische Erbe von Schweinfurt
Das Projekt des Bauvereins ist noch lange nicht durch. Jetzt wird das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege ein Wörtchen mitreden.
Mit der Gartenstadt entstand in Schweinfurt ein eigenes Viertel. Die Reihenhaussiedlung und die kleinen Einfamilienhäuser mit dahinter liegendem Garten wurden vor 100 Jahre für Mitarbeitende in der Industrie gebaut.  
Foto: Stadtarchiv | Mit der Gartenstadt entstand in Schweinfurt ein eigenes Viertel. Die Reihenhaussiedlung und die kleinen Einfamilienhäuser mit dahinter liegendem Garten wurden vor 100 Jahre für Mitarbeitende in der Industrie ...
Irene Spiegel
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:39 Uhr

Ein paar Worte des Bedauerns und dann ein Strich drunter – so schnell wie der Bauausschuss und in der Folge der Stadtrat die Pläne des Schweinfurter Bauvereins für den Umbau der "alten Gartenstadt" zu einem neuen, modernen Wohnquartier abgehandelt haben, wird es wohl nicht gehen. Stadtheimatpfleger Dag Schröder hält den beabsichtigten Abriss der vor 100 Jahren für Mitarbeitende der Industrie gebauten Reihenhäuschen zwischen Fritz-Soldmann-, Benno-Merkle-, Gartenstadt- und Bauvereinstraße für falsch.

"Das ist ein Stück Stadtgeschichte", betont der Stadtheimatpfleger und verweist auf die historische Bedeutung der Gartenstadt, die für eine sozialpolitisch entscheidende Epoche in Schweinfurt steht. Er hat deshalb das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege Unterfranken (BLfD) als obere Fachbehörde eingeschaltet und um eine Bewertung gebeten, ob für die Gartenstadt-Siedlung Ensembleschutz besteht.   

Im Garten vor der Haustür konnten sich auch die Kinder vergnügen.
Foto: Stadtarchiv | Im Garten vor der Haustür konnten sich auch die Kinder vergnügen.

Dag Schröder ist Architekt und Stadtplaner – und gebürtiger Schweinfurter. Als Kind hat er die Trümmerlandschaft nach 1945 und den Wiederaufbau miterlebt. Seit 2016 ist er ehrenamtlicher Stadtheimatpfleger, davor war er 15 Jahre Stellvertreter. Sein Anliegen ist es, historische Baukultur zu erhalten, sein Aufgabenbereich die Stadtbildpflege, Architektur und Denkmalpflege. 

Überrascht hat Dag Schröder deshalb, dass die Stadt nicht im Vorfeld der Beratungen der Pläne des Bauvereins in Bauausschuss und Stadtrat seine fachliche Expertise eingeholt hat. Er habe von dem geplanten Projekt noch nicht einmal gewusst. Bei den regelmäßigen Arbeitstreffen mit den städtischen Vertretern der Unteren Denkmalbehörde sei die Gartenstadt nie Thema gewesen. Einmal im Monat kommt der Stadtheimatpfleger mit den Fachleuten der Stadt zusammen und begutachtet Bau- oder Sanierungsvorhaben. Auch ein Vertreter des BLfD sei immer dabei.

Reihenhaussiedlung erhalten

Dass bei diesen Jour Fixe die Pläne für die "neue Gartenstadt" nicht vorgelegt wurden, erstaunt den Heimatpfleger schon. "Für alle Kleinigkeiten werden wir herangezogen, aber so etwas elementar Wichtiges erfahren wir nicht." 

Über 1000 Verfahren für Baudenkmäler und historische Ensembles habe er als Stadtheimatpfleger beziehungsweise früherer Stellvertreter schon begleitet. "Wir verbieten nicht nur", betont Schröder, "wir machen auch Vorschläge." Seine Empfehlung für die Schweinfurter Gartenstadt wäre, die Reihenhaussiedlung zu erhalten – "idealerweise alles".  

Sich selbst versorgen mit Gemüse und Obst, frische Luft und Natur vor der Haustür, nach dieser Vorstellung wurde das Gartenstadt-Konzept erdacht. Die Aufnahme in der Georg-Groha-Straße 25 entstand 2017 im Rahmen der Ausstellung '100 Jahre Bauverein'.
Foto: Oliver Schikora | Sich selbst versorgen mit Gemüse und Obst, frische Luft und Natur vor der Haustür, nach dieser Vorstellung wurde das Gartenstadt-Konzept erdacht.

In ganz Deutschland gebe es positive Beispiele, verweist Schröder auf Städte wie Bamberg und Heilbronn, die ihre Gartenstädte "liebevoll" saniert haben. "Das ist ein Stück Bau- und Sozialgeschichte." Das Argument, die Häuser seien nicht mehr zu retten, lässt Schröder nicht gelten. Jedes Gebäude ist in seinen Augen sanierungsfähig. "Wenn der Wille da ist, kann man es auch machen." Und nicht immer sei eine Sanierung teurer als ein Neubau, meint Schröder.

Gartenstadt-Konzept besitzt noch Gültigkeit

SPD-Fraktionssprecher Ralf Hofmann hatte in seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender des Bauvereins in der Stadtratssitzung argumentiert, die Wohnhäuser in der Gartenstadt müssten angesichts ihres Zustands abgerissen werden. Sie entsprächen weder von Ausstattung und Zuschnitt noch vom energetischen Standard den heutigen Anforderungen. Durch den Abriss der alten Gebäude solle der Weg frei gemacht werden für eine moderne, dichtere Bebauung, denn Auftrag des Bauvereins sei es, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

Ein Stück Bau- und Sozialgeschichte verkörpern die Gartenstädte, die Anfang des 20. Jahrhunderts in ganz Deutschland entstanden.
Foto: Stadtarchiv | Ein Stück Bau- und Sozialgeschichte verkörpern die Gartenstädte, die Anfang des 20. Jahrhunderts in ganz Deutschland entstanden.

Auch im ausgehenden 19. Jahrhundert, in der Zeit der Industrialisierung und zunehmenden Verstädterung, ging es um die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum für die in die Großstädte drängenden Menschen. Sich selbst versorgen mit Gemüse und Obst, frische Luft und Natur vor der Haustür, nach dieser Vorstellung wurde das Gartenstadt-Konzept erdacht. "Das hat auch heute noch seine Gültigkeit", sagt Stadtheimatpfleger Dag Schröder. Die Sehnsucht nach dem Häuschen mit Garten sei gerade jetzt wieder entflammt.

Denkmalprüfung erfolgt Ende April

Wie geht es nun weiter? Dr. Christian Dümler, Konservator des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege (BLfD), wird Ende April nach Schweinfurt kommen, die Gartenstadt in Augenschein nehmen und eine Denkmalprüfung vornehmen. Die Stadt wird danach eine Empfehlung erhalten, was aus Denkmalschutzsicht beim Umbau der Gartenstadt zu berücksichtigen ist. Befolgen muss sie die Ratschläge des BLfD aber nicht. "Die Stadt ist als Untere Denkmalbehörde immer Herr des Verfahrens", verdeutlicht Dümler.  

Stadtheimatpfleger Schröder würde sich wünschen, dass die politisch Verantwortlichen in Schweinfurt Verständnis für die Wertigkeit dieser Bausubstanz aufbringen. "Schweinfurt ist eine stolze alte Reichsstadt", das historische Erbe gelte es zu erhalten. 

 
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  • U. L.
    So erstrebenswert es sein mag, die alten Häuser weiter bestehen zu lassen: Allein die Anforderungen des GEG (Gebäudeenergiegesetz) lassen nur Abriss und Neubau zu. Wir leben in eine anderen - nicht unbedingt besseren - Zeit.
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  • D. H.
    Man hat diese Häuser über Jahre "verkommen lassen", um einen Abriss zu rechtfertigen.
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  • U. S.
    Das Vorgehen der Stadt ist wieder einmal sehr fragwürdig! Warum wird der Stadtheimatpfleger nicht von vornherein in ein solches Projekt mit einbezogen? Wofür hat man ihn installiert, wenn seine Stimme nicht gehört wird? Sein Rat müsste laut Arbeitsvertrag mit der Stadt bei einem solchen Projekt gehört werden. Stattdessen lässt man den Stadtrat über eine dürftige und sehr einseitige Beschlussvorlage abstimmen. Dejá vu... nicht anders wurde bei den unpassenden Plänen für die Erweiterung des Verbindungshauses Moeno Ripuria vorgegangen. Als Stadtrat wird man keineswegs umfassend informiert, ohne eigene Recherchen ist man zunehmend aufgeschmissen...
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  • K. K.
    Das große Titel-Schwarz-Weiß-Bild zeigt nicht den Bereich, um den es hier geht, sondern einen ganz anderen Teil der Gartenstadt, der mit dem geplanten Vorhaben überhaupts nichts zu tun hat. Wurde da vielleicht etwas verwechselt oder schlecht recherchiert?
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  • M. H.
    Als Anwohner bin ich froh das diese leer stehenden, verfallenden Gebäude endlich verschwinden. Nicht jedes verwilderte Haus ist Zitat "ist ein Stück Stadtgeschichte", nur weil es eben noch da ist.
    Zu hoffen bleibt, das der Bauverein sich etwas mehr Mühe gibt, als die Architekten des "neuen Stadtteils Bellevue". Einfach nur viereckig braucht es dann auch nicht.
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  • M. S.
    Ach, es besteht noch etwa Hoffnung?
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  • R. H.
    Im Artikel gibt es einen Link auf einen Tagblatt-Bericht vom 11.3.2020 mit der Überschrift "70 Häuser in der Gartenstadt werden geräumt und abgebrochen ", in dem der Autor ausführlich begründet, dass und warum die Bauvereinshäuser nicht mehr zu retten sind, was vermutlich jeder Gartenstädter schon vorher wusste. Und jetzt kommt der Stadtheimatpfleger Dag Schröder nach drei Jahren um die Ecke und jammert, dass er davon nichts gewusst hat und ihn keiner informiert hat. Liest er denn keine Zeitung oder hatte er die alte Arbeitersiedlung Gartenstadt nicht auf seinem Bildschirm?
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  • Veraltete Benutzerkennung
    Das Eigenheim mit Garten, die lockere Bebauung mit viel Grün - all das soll weg und Platz machen für "verdichtete Bebauung" im Arbeiterschließfach-Stil und für Hasenstall-Monstren, die über kurz oder lang zu sozialen Brennpunkten werden.

    Selbstverständlich kann in einem dichtbesiedelten Land wie dem unseren nicht jeder sein kleines grünes Paradies mit Bäumen, Beeten, Rasen und Jägerzaun drumrum haben, aber Betonburgen mit lauter Mini-Appartments sind auch keine Lösung.
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  • E. B.
    Danke, Herr Schröder, für Ihren Einsatz. Schweinfurt hat schon so viel historische Substanz "eingelegt", die die Bombenangriffe noch übrig gelassen hatten. Ich hoffe, dass das Amt für Denkmalpflege in Bamberg den erhalten befürwortet und bei den Verantwortlichen der Stadt und beim Bauverein ein Umdenken einsetzt.
    Die modernen Häuser sehen nicht immer schön aus und wirken oftmals auch störend, wenn die anderen Anwesen noch erhalten sind.
    Dann am besten die ganze Gartenstadt abreißen und alles neu bauen. Hoffe, dass sich das dann noch jemand leisten kann.
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  • M. B.
    Die ganze Gartenstadt abreißen funktioniert zum Glück nicht, da die Einfamilienhäuser in Privatbesitz sind.
    Komisch, dass ein Teil der Gartenstadtstraße vor Jahren saniert wurde - auch am Bergl wurde saniert und nicht abgerissen.
    Inzwischen scheint es aber egal zu sein, wie mal etwas aussieht, Hauptsache so manche Leute können ihren Kopf durchsetzen.
    Aber noch scheint es ja dann Hoffnung zu geben.
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  • B. M.
    @ christel2
    Glauben Sie allen Ernstes, dass sich ein Normalverdiener die Mieten leisten könnte, wenn man die Häuser renovieren würde?
    Die Verantwortlichen sind auch Kaufleute die kalkulieren müssen zum Wohle der Genossenschaft und ihren Mitgliedern.
    Ich würde an deren Stelle dieses Projekt nicht mehr weiter verfolgen, soll doch die Stadt ihre Wohnungen selbst bauen.
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  • F. E.
    Für gewöhnlich sind die Mieten der Neubauten deutlich teurer. Gerade die Genossenschaften treiben mit ihrer Neubaupolitik die Mieten. Entsprechende Untersuchungen, z.B. vom NDR, zeigen das. Abgesehen davon ist es eine enorme Resourcenverschwendung bereits stehende Gebäude abzureißen und mit klimaschädlichem Beton neu zu bauen. Auch die Gärten, die verschwinden würden, sind grüne Oasen. Auf den Tiefgaragen, die dann kommen, wird kein echter Baum wachsen. In anderen Städten werden die Gartenstädte saniert. Es fehlt einfach der Wille und manche wollen sich einfach ein Denkmal setzen indem sie etwas bauen. Das ist schade! Ich hoffe, die wundervolle Gartenstadt bleibt und wird nicht ein Neubauviertel.
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