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Schweinfurt
Gartenstadt: Ein Herz für den Schweinfurter Arbeiter
Made in SW: Im Bunker an der Blauen Leite werden die Ursprünge der europaweiten Gartenstadt-Bewegung und ihr Einfluss auf Schweinfurt gezeigt
Oliver Schikora
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:47 Uhr

Es ist die Kunst guter historischer Ausstellungen, historische Zusammenhänge im besten Fall ins Heute zu überführen. Bei der 16. „Made in SW“ ist dies Ausstellungsmacherin Daniela Kühnel bestens gelungen. Denn die diesjährige „Made in SW“ war herausfordernder als die anderen. Eigentlich sind es ja mindestens zweieinhalb Ausstellungen in einer.

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Das große Thema „Schweinfurt und seine Gartenstadt“ bot so viel Vielfalt, dass sich die Museen und Galerien der Stadt Schweinfurt als Veranstalter entschlossen, das Thema mehrfach zu bespielen. Bereits seit Anfang Mai geöffnet hat die Ausstellung „100 Jahre Bauverein“ in dem Gebäude in der Georg-Groha-Straße 25. In diesem Kleinod kann der Besucher dem Leben, wie es früher in der Gartenstadt war, nachspüren und wird sicher aufgrund der liebevollen Einrichtung mit Möbeln und Gebrauchsgegenständen, die die Veränderung des Wohnens in den vergangenen Jahrzehnten illustrieren, den einen oder anderen nostalgischen Moment haben.

In der Josef-Säckler-Straße 2 war die Geschäftsstelle des Bauvereins untergebracht..
| In der Josef-Säckler-Straße 2 war die Geschäftsstelle des Bauvereins untergebracht..

Über den Blick auf ein Jahrhundert Bauverein hinaus dreht Daniela Kühnel den Scheinwerfer traditionell in Ecken, die bisher wenig ausgeleuchtet sind bzw. lenkt den Blick auf Sachverhalte, die man vielleicht als zu selbstverständlich genommen hat. Natürlich wissen die meisten Einwohner der Gartenstadt über die besondere Geschichte ihres erst Anfang des 20. Jahrhunderts entstandenen Stadtteils Bescheid. Aber wissen sie auch, dass sie Teil einer europäischen Bewegung sind? Dass es erst in England und dann in Deutschland in vielen großen Städten genau dieses Konzept der Gartenstadt mit relativ großzügigen, lichtdurchfluteten Häusern für Arbeiter gab, die sich darüber hinaus mit einem kleinen angeschlossenen Garten selbst versorgen konnten?

Die Gartenstadt von oben
Foto: Luftbildverlag Bertram/Stadtarchiv | Die Gartenstadt von oben

Der Bunker an der Blauen Leite, selbst eine der hervorstechenden Bauten in der Gartenstadt, ist der ideale Ausstellungsort, um die vielfältige Geschichte der Gartenstadt-Bewegung in all ihren Facetten zu zeigen. Die durch die Industrialisierung ausgelösten Veränderungen bilden den Ausgangspunkt. Schweinfurt entwickelte sich in wenigen Jahrzehnten am Ende des 19. und Beginn des 20. Jahrhunderts zu einer Stadt der Fabriken. 1918 arbeiteten 11 000 Menschen in der Großindustrie, die Einwohnerzahl der Stadt wuchs innerhalb von 20 Jahren um 12 000 auf fast 28 000 Menschen am Ende des Ersten Weltkriegs.

Dementsprechend herrschte große Wohnungsnot. Viele Arbeiter waren sogenannte „Schlafgänger“, hatten keine eigene Wohnung, sondern mieteten sich ein Bett für einige Stunden. Kühnel fand dazu einen Brief eines Schweinfurter Arbeiters um 1904: „Mir ist dieses Jammerleben ein riesiger Ekel. Arbeiten und kein Heim haben. Wahrlich lieber aufgehängt. Die Verhältnisse hier in Schweinfurt sind unter dem Hund…“

Mehrere Generationen auf engstem Raum war normal.
Foto: Archiv Edgar Kolb | Mehrere Generationen auf engstem Raum war normal.

Bezahlbarer Wohnraum war das drängendste Problem, die Lösung die aus England stammende Gartenstadtbewegung, die nicht nur einfach Häuser zum Wohnen bauen ließ, sondern Siedlungen mit Infrastruktur wie Gasthaus, Läden, Schulen, Kirchen. In Schweinfurt war der 1917 gegründete Bauverein federführend für Planung und Ausführung der Gebäude zuständig, waren namhafte Architekten wie Theodor Fischer und Rudolph Metzger beteiligt. Diesen und anderen „Vätern der Gartenstadt“ können die Besucher während ihres Ausstellungsrundgangs nachspüren.

Als verbindendes Element zwischen der „Made in SW“ im Bunker und der Bauvereins-Ausstellung in der Georg-Groha-Straße hat Daniela Kühnel noch einen Gartenstadt-Rundgang entworfen, der das Konzept dieses besonderen Stadtteils eindringlich ins Gedächtnis ruft.

Gartenidylle 1958
Foto: Archiv Edgar Kolb | Gartenidylle 1958

„Schweinfurt und seine Gartenstadt“, Made in Schweinfurt XVI der Museen und Galerien der Stadt Schweinfurt, Bunker Blaue Leite, Eingang über Gartenstadtstraße;
30. Juni bis 10. September, Di – So 14 bis 17 Uhr, Do bis 21 Uhr, Eintritt frei. Eröffnung am 29. Juni um 19.30 Uhr durch Oberbürgermeister Sebastian Remelé im Vereinsheim des Rad- und Kraftfahrervereins „Solidarität“.

„100 Jahre Bauverein Schweinfurt". Ausstellung im Haus in der Georg-Groha-Straße 25 in der Gartenstadt, bis 10. September.

Begleitprogramm: „Gartenstadtrunde“, Infos beim Museums-Service MuSe (Tel. 09 72 1/51 47 44) bzw. friederike.kotouc@schweinfurt.de.
4. Juli (19.30 Uhr): Klaus Gasseleder liest Geschichten rund um die Gartenstadt, begleitet von Mad Bob Bickel am Klavier.
12. Juli (19 Uhr): „Zeitzeugen im Gespräch" im Großen Saal Maria Hilf. Reservierung: Tel. (09 72 1) 37 05 662.

 
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