Omikron breitet sich mit rasanter Geschwindigkeit aus, die Infektionszahlen erreichen täglich neue Höchstwerte. Die Folge: Immer mehr Menschen müssen oder wollen sich testen lassen – und die Labore ächzen unter der Masse an Proben. Auch in Unterfranken. "Wir sind bereits an den Grenzen angekommen", sagt Dr. Sandra Rickhoff, Laborärztin und Geschäftsführerin des MVZ Labors Schweinfurt. Ein Gespräch über zeitaufwendige Analysen, unterschätzte Antigen-Tests und ungeduldige Anruferinnen und Anrufer.
Dr. Sandra Rickhoff: Seit gut einer Woche sehen wir eine deutliche Zunahme. Aktuell werten wir bis zu 800 Tests täglich aus – rund um die Uhr an sieben Tagen die Woche. Damit hat sich die Anzahl seit Weihnachten mehr als verdoppelt.
Rickhoff: Derzeit sind um die 30 Prozent der Tests positiv und der Anteil der Omikron-Variante liegt zwischen 80 und 90 Prozent.
Rickhoff: Die reine Analyse im Labor dauert zwischen vier und sechs Stunden – pro Test. Bis ein Befund erstellt werden kann, müssen aber zahlreiche Tätigkeiten vor- und nachgeschaltet werden.
Rickhoff: Wenn die Probe das Labor erreicht, werden zunächst die Patientendaten und der Untersuchungsauftrag erfasst. Dann muss jeder einzelne Abstrich in eine spezielle Lösung gegeben werden, um die Virus-DNA zu isolieren und in kleine Teile zu spalten. Anschließend werden die Proben in hochspezialisierten Geräten mittels einer PCR, einer Polymerase-Kettenreaktion, analysiert. Dabei erhitzt das Gerät die Probe zyklisch und prüft, ob sich Virusmaterial vervielfältigen lässt. Ist das der Fall, sehen wir das an einem Mess-Signal – und das heißt dann für uns: die Probe ist positiv. Erst danach wird der Befund erstellt, wir kontrollieren noch einmal, dass keine Fehler passiert sind, und geben das Testergebnis dann frei.
Rickhoff: Im Moment können wir noch einen Großteil der PCR-Ergebnisse innerhalb von 24 Stunden bereitstellen. Allerdings kann sich das ändern, wenn die Testungen weiter deutlich zunehmen.
Rickhoff: Im Moment sehe ich diese Gefahr tatsächlich. Wir sind bereits an den Grenzen angekommen. Um zu verhindern, dass wir die Grenzen überschreiten, müssen aus meiner Sicht unter anderem mehr zertifizierte Antigen-Tests zur Freitestung genutzt werden. Das würde die Labore deutlich entlasten.
Rickhoff: Ja, für die allgemeine Bevölkerung ist eine Freitestung auch mit einem zertifizierten Antigen-Test möglich, sofern die Patientinnen und Patienten nicht hochsymptomatisch sind. Insgesamt sind Antigen-Tests zwar etwas weniger empfindlich als PCR-Tests, aber bei einer hohen Viruslast sind sie ebenfalls sehr zuverlässig. Ein PCR-Test ist zur Freitestung deshalb eigentlich nur für das Personal in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen oder anderen Bereichen der kritischen Infrastruktur zwingend nötig.
Rickhoff: Pool-Testungen bedeuten zunächst weniger Aufwand. Aber: Bei einem deutlichen Anstieg der Inzidenzen steigt auch der Laboraufwand – schlicht, weil dann deutlich mehr Pools positiv werden und in der Folge weiter differenziert und mit Einzeltests untersucht werden müssen.
Rickhoff: DiePersonalsituation im Labor ist seit geraumer Zeit angespannt, schließlich beschäftigt uns Corona nun seit gut zwei Jahren. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen leisten großartige Arbeit, aber sie haben ihre Belastungsgrenze erreicht.
Rickhoff: Wenn vermehrt Mitarbeiter in Isolation und Quarantäne müssten, wäre der Laborbetrieb nur noch in reduziertem Umfang möglich. Und das betrifft letztlich nicht nur die Sars-CoV-2-Untersuchungen, sondern auch alle anderen Laboruntersuchungen, die zur Diagnostik für die Behandlung von akuten und chronischen Erkrankungen unverzichtbar sind.
Rickhoff: Wir bekommen regelmäßig Anrufe, meist höfliche Anfragen. Ab und an gibt es aber auch aggressive Patienten, die ihren Frust an uns auslassen, wenn sie beispielsweise ihr Ergebnis online nicht abrufen können. Das generelle Problem ist: Es sind viele Anfragen – und je mehr wir telefonieren, desto weniger PCR-Tests können wir bearbeiten.
Rickhoff: Wir versuchen bereits seit Monaten, das Personal mit medizinisch-technischen Laboratoriumsassistentinnen und-assistenten aufzustocken, aber der Markt ist wie leergefegt.
Rickhoff: Soweit es für uns als Labor möglich ist, führen wir bereits eine Priorisierung durch: Wir ziehen grundsätzlich Proben von Krankenhäusern, aus Bereichen der kritischen Infrastruktur und von symptomatischen Personen vor. Allerdings können wir den Hintergrund bei den wenigsten Überweisungsscheinen sehen. Deshalb muss angestrebt werden, dass die Proben künftig bereits von den Einsendern entsprechend der nationalen Teststrategie priorisiert werden. Denn man muss ganz klar sagen: Noch schaffen wir es, alle Proben innerhalb von 24 Stunden zu bearbeiten – aber wir sind wirklich am Limit.