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Schweinfurt
Prozess gegen "Go&Change"-Guru: Verteidigung lehnt Schweinfurter Richterin und ganze Kammer als befangen ab
Mit immer neuen Anträgen ziehen die Anwälte von Kai K. den Prozess in die Länge. Fällt ein Urteil erst im August? Der Angeklagte will sich bald zu den Vorwürfen äußern.
Rechts Kai K., neben ihm seine Anwälte (v.li.) Timo Fuchs, Klaus Spiegel und Hubertus Werner. Ihre Anträge verzögern im Landgericht Schweinfurt den Fortgang des Prozesses. 
Foto: René Ruprecht | Rechts Kai K., neben ihm seine Anwälte (v.li.) Timo Fuchs, Klaus Spiegel und Hubertus Werner. Ihre Anträge verzögern im Landgericht Schweinfurt den Fortgang des Prozesses. 
Benjamin Stahl
 und  Christine Jeske
 |  aktualisiert: 04.07.2024 02:45 Uhr

Das Verfahren gegen den Kopf der Gemeinschaft "Go&Change" will kein Ende nehmen. Am Donnerstag, dem inzwischen 21. Prozesstag, hat die Vorsitzende Richterin Claudia Guba angekündigt, Verhandlungstermine bis in den August hinein suchen zu wollen. Dabei befindet sich der Prozess am Landgericht Schweinfurt eigentlich längst auf der Zielgeraden: Für spätestens kommende Woche war ein Urteil erwartet worden.

Doch die Anwälte von Kai K. ziehen die Verhandlung mit immer neuen Anträgen in die Länge. Zuletzt hatten sie unter anderem ein neues psychiatrisches Gutachten über ihren Mandanten und die Ablösung von Staatsanwältin Melanie Roth wegen Befangenheit gefordert. Nun reichten sie einen weiteren Antrag ein, wonach die komplette Kammer um die Vorsitzende Guba - also auch die beiden beisitzenden Richter sowie der Schöffe und die Schöffin - befangen sein sollen.

Da weder Staatsanwaltschaft noch Verteidigung Einwände hatte, konnte zwar an diesem Donnerstag die Hauptverhandlung fortgesetzt werden. Ein Urteil kann aber solange nicht fallen, bis über die mutmaßliche Befangenheit der Kammer durch das Landgericht Schweinfurt entschieden worden ist.

Verteidiger kündigen an: Kai K. will sich ausführlich erklären

Kai K. soll laut Anklage im Mai 2023 eine 30-Jährige, die früher mit ihm verlobt und zum Tatzeitpunkt selbst "Go&Change"-Anhängerin gewesen war, mehrmals vergewaltigt, geschlagen und dreimal bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt haben. Bislang hat sich der 42-Jährige vor Gericht nicht zu den Vorwürfen geäußert. Das soll sich nun ändern.

Wie seine Verteidiger ankündigten, will sich der Mann, der innerhalb seiner Gemeinschaft den Status eines Gurus genießt, ausführlich erklären. "Das dürfte mehrere Stunden dauern", hieß es von der Verteidigung. Allerdings solle bei dieser "Einlassung" der psychiatrische Gutachter Prof. Hans-Peter Volz im Gericht dabei sein.

Verteidigung stellt wieder und wieder zahlreiche Anträge

Der Sachverständige, dessen Gutachten die Verteidigung zuletzt heftig infrage gestellt hatte, hält den Angeklagten nur für einen Teil des Tatzeitraums, der sich über eine knappe Woche erstreckt, für schuldunfähig. Zu wenig für die Anwälte von Kai K.: Sie beantragten, dem Gutachter die Aussage eines Zeugen zur Kenntnis zu bringen. Diese lege nahe, dass bei Kai K. schon länger eine "Wahnproblematik" bestanden habe. Diesen Antrag lehnte das Gericht ab.

Nicht so den nächsten: Anwalt Helmut Mörtl hielt es für bedeutsam, eine Sprachnachricht von Kai K. an einen "Go&Change"-Mitgründer vorzuspielen. Darin hatte sich der 42-Jährige über das angeblich ausschweifende Sexleben der 30-Jährigen, die im Prozess auch als Nebenklägerin auftritt, beklagt. Diese Nachricht wurde am Donnerstag vorgespielt.

Über weitere Anträge der Verteidigung muss das Gericht noch entscheiden. Unter anderem geht es dabei um die Auswertung von Daten auf dem Handy der 30-Jährigen, insbesondere um Aktivitäten auf einer Erotik-Plattform, über die Sex-Treffen vereinbart werden können. Auch die Entscheidung über die Frage, ob dem Antrag, den Haftbefehl gegen Kai K. außer Vollzug zu setzen, gefolgt wird, steht noch aus.

Verbale Attacken: Gereizte Stimmung im Gerichtssaal 

Dass die Anwälte in dem Prozess, der bereits seit Mitte Februar läuft, alle Register ziehen, hilft der ohnehin angespannten Stimmung im Schweinfurter Gerichtssaal nicht. Zuletzt hatten die Verteidiger mit verbalen Attacken - vor allem gegen Staatsanwältin Roth ("Sie labern vor sich hin") und Gutachter Volz ("Sachverständiger ist ungeeignet") - für heftige Wortgefechte gesorgt.

Nun stoßen die vielen Anträge Richterin Guba sauer auf: Die Verteidigung könne nicht erwarten, "dass die Kammer springt", wenn ihr etwas "in letzter Minute vor die Füße geworfen wird". Das Gericht sei der Verteidigung immer wieder entgegengekommen.

Der Prozess wird am Dienstag, 2. Juli, fortgesetzt.

 
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  • Cornelius Beyer
    Da irgendwo ja die Unmenge an Geld für diese bemerkenswerte Verteidigung locker sitzt, prognostiziere ich für die wohl unweigerlich folgende zweite Instanz ein von dort bezahltes Gutachten zur völligen Schuldunfähigkeit.

    Warum der Mann nach wie vor in der Forensik bzw. in U-Haft sitzt, erschliesst sich mir aus der Berichterstattung leider nicht. Mit den vorliegenden Informationen erscheint es mir schlichtweg falsch.
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  • Georg Ries
    Das sind (hinzunehmende) Auswüchse des Rechtsstaats. Die Anwälte ziehen alle noch so unsachlichen Register, um damit schon Munition für die nächste Instanz zu sammeln. ☹️
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  • Harald Bach
    Langsam verliert man den Respekt vor solchen W……advokaten!
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