Der Prozess um die nächtlichen Messerstiche vor dem Stift Haug in Würzburg nimmt eine neue Wendung. Das Gericht lässt den Angeklagten aus dem Gefängnis frei, in dem er seit neun Monaten sitzt. Das ist ein Hinweis auf eine dünne Beweislage, aber nicht gleichbedeutend mit einem Freispruch.
Doch was bedeutet die Aufhebung eines Haftbefehls? Und wie geht es danach mit einem Prozess weiter? Unsere Redaktion hat in Gesprächen mit mehreren Juristen Antworten auf die wichtigsten Fragen zusammengetragen.
Was ist ein Haftbefehl?
Der schriftlich erteilte Haftbefehl ist die Anordnung einer Ermittlungsrichterin oder eines Ermittlungsrichters, Verdächtige in Untersuchungshaft zu nehmen. Er bezweckt die Sicherung der Strafverfolgung. Weil der Staat damit sehr stark in die Grundrechte von Betroffenen eingreift, ist ein Haftbefehl nur unter sehr strengen Voraussetzungen zulässig.
Warum gibt es bei einem Haftbefehl so strenge Voraussetzungen?
"Wichtig ist, darauf hinzuweisen, dass mit der Untersuchungshaft allein nach Aktenlage den Beschuldigten die Freiheit genommen wird - bereits vor Durchführung einer Hauptverhandlung und Beweisaufnahme und ohne Vorliegen eines Urteils", sagt Boris Raufeisen, Vizepräsident des Landgerichts Würzburg. "Es handelt sich damit in der Tat um einen der schwersten Grundrechtseingriffe durch eine strafprozessuale Maßnahme."
Unter welchen Voraussetzungen ist ein Haftbefehl zulässig?
Das Gesetz fordert für einen Haftbefehl das Vorliegen eines "dringenden Tatverdachts", also besonders hohe Anzeichen für eine Täterschaft, sagt Raufeisen. Im Unterschied dazu reiche für eine Durchsuchung der einfache "Anfangsverdacht" aus. Für eine Anklageerhebung brauche es die „hinreichende Erwartung“ einer Verurteilung.
Was sagt das Gesetz zur Aufhebung eines Haftbefehls?
Boris Raufeisen erläutert: Ein Gericht muss von sich aus immer wieder prüfen, ob beim aktuellen Stand eines Verfahrens der dringende Tatverdacht weiter besteht, der Grundlage einer Inhaftierung ist. Gibt es daran begründete Zweifel, kann ein Gericht einen Haftbefehl aufheben oder außer Vollzug setzen.
In Paragraf 120 der Strafprozessordnung steht: „Der Haftbefehl ist aufzuheben, sobald die Voraussetzungen der Untersuchungshaft nicht mehr vorliegen oder sich ergibt, dass die weitere Untersuchungshaft zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis stehen würde.“
Gibt es einen Unterschied zwischen Haftbefehl aufheben und ihn außer Vollzug setzen?
Einen beträchtlichen: Wird ein Haftbefehl aufgehoben, kommt der Verdächtige einfach frei. Wird ein Haftbefehl außer Vollzug gesetzt, dann muss ein Gericht sicherstellen, dass Angeklagte trotz Freilassung bis zum Ende eines Prozesses weiterhin kommen. Dafür gibt es geeignete Auflagen und Überwachungsmaßnahmen. Das kann etwa bedeuten, dass Beschuldigte sich regelmäßig bei der Polizei melden müssen.
Wer kann die Aufhebung eines Haftbefehls beantragen?
Verteidiger oder die Staatsanwaltschaft können die Aufhebung eines Haftbefehls beantragen, wenn die Beweisaufnahme die Tatsachen nicht bestätigt, die Grundlage des Erlasses waren. Dann muss das Gericht über den Antrag entscheiden. Das Gericht kann – wenn es diesen Eindruck gewinnt – auch von sich aus einen Haftbefehl aufheben.
Was bedeutet die Aufhebung eines Haftbefehls für einen Prozess?
Ein Prozess geht auf nach der Aufhebung eines Haftbefehls weiter bis zu einer Verurteilung oder einem Freispruch, sagt Boris Raufeisen, Vizepräsident des Landgerichts Würzburg.
Kann ein Beschuldigter nach der Aufhebung eines Haftbefehls erneut verhaftet werden?
Wenn sich neue Aspekte ergeben, kann ein Verdächtiger oder eine Verdächtige erneut verhaftet werden. Dabei hätten sie erneut Gelegenheit, vorher dazu Stellung zu nehmen
Wie lange dauert es, bis ein Haftbefehl aufgehoben wird?
Entscheidet ein Gericht, einen Haftbefehl aufzuheben, kommen Verdächtige sofort auf freien Fuß.