zurück
Gerolzhofen
Preisschock und Engpässe: ÜZ Mainfranken hat Kaltwärme noch nicht abgeschrieben, setzt aber auf Alternativen
Als günstige, emissionsfreie Heizenergie überzeugt Geothermie – wären da nicht die teuren Erdbohrungen. Eine mögliche Lösung des Problems liegt auch in der Erde.
Mit einem großen Bohrgerät werden die Löcher in die Erde gebohrt, die notwendig sind, um Kaltwärme als Heizenergie zu nutzen. Das Bohren der Löcher hat sich in den vergangenen Jahren massiv verteuert.
Foto: Eva Gerhart/ÜZ Mainfranken | Mit einem großen Bohrgerät werden die Löcher in die Erde gebohrt, die notwendig sind, um Kaltwärme als Heizenergie zu nutzen. Das Bohren der Löcher hat sich in den vergangenen Jahren massiv verteuert.
Michael Mößlein
 |  aktualisiert: 22.03.2024 02:56 Uhr

Aus Kälte Wärme gewinnen – das klingt zunächst etwas gaga. Und doch funktioniert die sogenannte Kaltwärme-Versorgung gut und problemlos. Im Grunde genommen steckt dahinter keine andere Technik als die, die in Gefrierschränken steckt – nur mit umgekehrter Wirkung.

Von Kaltwärme als effizienter, umweltschonender Energie zum Heizen sind auch die Verantwortlichen der Überlandzentrale (ÜZ) Mainfranken in Lülsfeld weiter überzeugt. Dennoch richten sie ihr Augenmerk gerade auf neue Formen, um Geothermie zum Heizen zu nutzen.

Bisher hat die ÜZ auf Erdbohrungen gesetzt, um oberflächennahe Geothermie zu nutzen. Hierzu werden – vereinfacht gesagt – zwei maximal 100 Meter tiefe Löcher in die Erde gebohrt. In die Löcher wird eine Leitung eingelassen, die bis zum Grund des Lochs und wieder hinauf führt; um die Leitung herum wird das Loch verfüllt. Diese Erdsonden sind mit Sole, einem Frostschutzkonzentrat gefüllt. Die Flüssigkeit entzieht der Umgebung so viel Energie, dass in Wärmepumpen Kältemittel verdampfen kann. Der Dampf erhitzt sich durch Verdichtung so stark, dass seine Wärmeenergie ausreicht, um Warmwasser für eine Heizung zu gewinnen.

Hoher Wirkungsgrad, geringe Betriebskosten

Der besondere Reiz daran: 80 Prozent der auf diese Weise gewonnenen Energie stammt emissionsfrei aus der Tiefe, ist unerschöpflich – und kostet nichts. Der benötigte Strom macht nur 20 Prozent der eingesetzten Energie aus. Damit hat über Erdsonden gewonnene Kaltwärme einen deutlich höheren Wirkungsgrad als beispielsweise eine Luftwärmepumpe und ist leiser. Kaltwärme punktet zudem mit den geringsten Betriebskosten unter den verfügbaren Heizsystemen und geringem Wartungsaufwand. Eine Kilowattstunde Nutzwärme kostet laut ÜZ unter 5,50 Cent.

Preisschock und Engpässe: ÜZ Mainfranken hat Kaltwärme noch nicht abgeschrieben, setzt aber auf Alternativen

Nach Angaben von Paul Feser, der als Energieberater der ÜZ auch für Wärmelösungen zuständig ist, hat die ÜZ bisher 324 Grundstücke in der Region mit Kaltwärme erschlossen. Ganze Baugebiete, wie "Am Nützelbach I" in Gerolzhofen, "Am Roten Berg II" in Oberschwarzach oder am Mönchstockheimer Weg in Dingolshausen, wurden mit Kaltwärme versorgt.

Die installierten Anlagen haben laut Feser eine Gesamtheizleistung von 2430 Kilowatt und haben knapp fünf Millionen Kilowattstunden Wärme aus Geothermie erzeugt, was etwa einer halben Million Liter Öl entspräche. Eine beeindruckende Bilanz, zumal die ÜZ angibt, dass es keinen einzigen Kunden gäbe, bei dem die Anlage nicht funktionieren würde.

Probleme in mehreren Baugebieten

Dennoch sind Kaltwärme-Projekte der ÜZ in den vergangenen eineinhalb bis zwei Jahren vor allem mit Problemen in Verbindung gebracht worden. Im Baugebiet "Obere Honigleite" in Waigolshausen beispielsweise warteten Bauherren vergeblich auf die Fertigstellung der Erdbohrungen, ebenso im Baugebiet "Am Nützelbach II" in Gerolzhofen. In beiden Baugebieten sollte die ÜZ die Kaltwärme-Versorgung bereitstellen.

Die ursprünglichen Bebauungspläne verpflichten die Bauherren, die Kosten für diese umweltschonende Form des Heizens zu zahlen. Diese Investition ließ sich auch so lange gut rechnen, bis spätestens nach Beginn des Ukraine-Kriegs die Kosten für Erdbohrungen schlagartig nach oben schossen. Zudem kündigte ein Dienstleister, der die Bohrungen für die ÜZ durchführte, seinen Vertrag mit der ÜZ.

Feser hat eine Beispielrechnung, die den Preisanstieg verdeutlicht: So kostete eine Wärmequellenanlage, also für die Sonden und die Außenanbindung, im Jahr 2021 noch 17.900 Euro (brutto). Ein Jahr später waren es 24.400 Euro und aktuell sind es 40.000 Euro. Dies entspricht einer Steigerung von 124 Prozent in drei Jahren. Hinzu kämen Kosten für eine Wärmepumpe und die Flächenheizung, die bauseits bereitzustellen sind – laut ÜZ wären dies nochmals über 30.000 Euro.

Amortisierung lässt lange auf sich warten

Mit den stark gestiegenen Kosten, vor allem für Erdbohrungen, amortisiere sich eine Kaltwärme-Anlage gegenüber alternativen Heizungen erst in circa 30 Jahren, heißt es seitens der ÜZ. Der Markt der Dienstleister, die Löcher bohren, sei überschaubar, und die Vorlaufzeit, um einen Termin zu bekommen, liege zwischen einem halben und einem Jahr. Laut Jürgen Kriegbaum, dem geschäftsführenden Vorstand der ÜZ, überlege man noch, wie man das Problem mit Baufirmen aus der Region lösen könnte.

Paul Feser ist Energieberater bei der ÜZ Mainfranken. Er hält einen Flächenkollektor in Händen, der platzsparend senkrecht in die Erde vergraben wird.
Foto: Michael Mößlein | Paul Feser ist Energieberater bei der ÜZ Mainfranken. Er hält einen Flächenkollektor in Händen, der platzsparend senkrecht in die Erde vergraben wird.

Doch es sind nicht nur die verteuerten Bohrkosten, inklusive der teuer gewordenen Entsorgung des Bohrwassers, weshalb Kaltwärme an Attraktivität eingebüßt hat. Laut der ÜZ ist der Genehmigungsweg aufwändiger geworden. Die zuständigen Wasserwirtschaftsämter behandelten das Thema zudem uneinheitlich.

Hoffen auf sinkende Kosten

Kaltwärme, davon ist Feser überzeugt, "das wäre ein sehr wirtschaftliches System, wenn sich die Preise nicht so verteuert hätten". Der Energieberater hofft auf einen Neustart der Erdbohrungen, wenn sich die Preise normalisieren sollten.

Dennoch hat sich die ÜZ nach Alternativen zur Erdbohrung im Bereich der Geothermie umgeschaut. Grundsätzlich bestehe die Möglichkeit, mit Flächenkollektoren zu arbeiten. Diese liegen nicht allzu tief in der Erde. Sie benötigen aber große, unbebaute Flächen, wie Gärten, die auf den oft kleinen Neubaugrundstücken selten vorhanden sind.

Ein Ausweg könnten Erdkollektoren einer Firma sein, die vergraben ein paar Meter tief senkrecht in der Erde stecken. Diese benötigen wenig Fläche in der Waagrechten. Ähnlich verhält es sich mit Erdkörben, deren Leitungen spiralenförmig in der Erde liegen. Hier sieht man Chancen, dass die ÜZ solche Anlagen mit eigenen Mitteln in die Erde bekommt, etwa mit Kabelfräsen. Um Erfahrungen zu sammeln, sucht die ÜZ noch nach einem Pilotprojekt.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Gerolzhofen
Michael Mößlein
Bauunternehmen
Betriebskosten
Geothermie
Heizungen und Öfen
Wirtschaft in Schweinfurt
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top