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Gerolzhofen
Im Baugebiet "Am Nützelbach II": Gerolzhofen verzichtet auf die Kaltwärme-Pflicht
Die Stadt will den Bauwerbern entgegenkommen, wenn sie durch die unplanmäßigen Verzögerungen bei den Erschließungsarbeiten jetzt in finanzielle Probleme gekommen sind.
Im Gerolzhöfer Baugebiet 'Am Nützelbach II' hat inzwischen eine rege Bautätigkeit eingesetzt, nachdem das Gebiet mit reichlich Verspätung erst im Sommer von der Stadt freigegeben worden war.
Foto: Klaus Vogt | Im Gerolzhöfer Baugebiet "Am Nützelbach II" hat inzwischen eine rege Bautätigkeit eingesetzt, nachdem das Gebiet mit reichlich Verspätung erst im Sommer von der Stadt freigegeben worden war.
Klaus Vogt
 |  aktualisiert: 16.10.2022 02:30 Uhr

Gut 20 Zuhörer erschienen am Montagabend im zweiten Stock des Alten Rathauses, um der Stadtratsentscheidung bezüglich der Kaltwärme-Versorgung im Neubaugebiet "Am Nützelbach II" beizuwohnen. Wie sich bereits im Vorfeld angekündigt hatte, folgte das Gremium mehrheitlich den Vorschlägen der Verwaltung und hob nach längerer Diskussion die Verpflichtung zum Kaltwärme-Anschluss auf und verzichtete zudem auf die ausdrückliche Festschreibung des Energieeffizienzstandards "KfW 55". 

Bislang hätten sich 20 Baugrundstücke an der von der ÜZ Mainfranken organisierten Kaltwärme-Versorgung anschließen sollen. Diese Verpflichtung hatten die Bauherren im notariellen Kaufvertrag des Grundstücks mit unterschrieben. Nachdem diese moderne und umweltfreundliche Form der Wärmegewinnung sich im Baugebiet "Nützelbach I" bereits bestens bewährt hatte, wollte der Stadtrat auch im neuen Gebiet damit ein Zeichen für den Klimaschutz setzen.

Zum Jahresbeginn 2021 wurden die Grundstücke an die Bauherren verkauft und sie hofften, möglichst zügig mit dem Bau ihrer Häuser beginnen zu können. Doch die Hoffnung zerschlug sich. Die Erschließung des Neubaugebiets stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Nach ersten Verzögerungen, unter anderem bei den archäologischen Untersuchungen, hätte dann spätestens Anfang Mai 2021 der Bau der Straßen sowie der Ver- und Entsorgungsleitungen beginnen sollen. Doch daraus wurde nichts. "Artenschutzrechtliche Belange" würden dem Baubeginn entgegenstehen, teilte die Verwaltung damals mit. Die bereits angerückten Bagger blieben ungenutzt auf dem Baufeld stehen.

Versäumnis der Bauverwaltung

Es stellte sich dann heraus, dass die Verzögerung letztlich auf ein Versäumnis der städtischen Bauverwaltung zurückzuführen war. Weil sich der Beginn der Tiefbauarbeiten am Jahresbeginn 2021 verzögert hatte, war auf dem Baufeld eine dichte Vegetation hochgewachsen, die möglicherweise von Bodenbrütern wie der Lerche genutzt wurde. Deshalb musste das Ende der Brutzeit abgewartet werden, ehe mit den Arbeiten begonnen werden konnte. Dazu hätte es aber nicht kommen müssen. Denn hätte man vorher durch Grubbern oder Pflügen des Baulands oder durch den Einsatz von Herbiziden eine Schwarzbrache geschaffen, hätten die Bauarbeiten plangemäß starten können. Doch statt einer Schwarzbrache entstand in kleines Biotop.

Als dann endlich die Bauarbeiten beginnen konnten, stellte sich schnell heraus, dass der Zeitplan der Erschließung nicht einzuhalten ist. Jetzt schlug Corona zu. Neben Krankheitsfällen bei der Baufirma sorgten insbesondere Lieferschwierigkeit beim Baumaterial - wie etwa bei PVC-Rohren - für Verzögerungen. Der Plan, das Baugebiet spätestens im Dezember 2021 für die Bauherren freizugeben, wurde zu den Akten gelegt. Man werde jetzt wohl erst im Juli 2022 mit der Erschließung fertig, sagte damals Bürgermeister Thorsten Wozniak. So kam es denn auch. Anfang August 2022 wurde das Baugebiet endlich für die Bauherren freigegeben - eineinhalb Jahre nach dem Abschluss der Kaufverträge.

Mannigfache Probleme durch die Verzögerung

Diese erhebliche Verzögerung brachte für die Bauherren massive Probleme mit sich. Durch die Corona-Pandemie und den Krieg in der Ukraine hat sich inzwischen die Situation gerade im Bausektor dramatisch verschärft. Die Preise explodierten, die Zinsen steigen sprunghaft, es gibt nicht ausreichend Baumaterial und die Baufirmen sind überlastet. Und während der Verzögerung bei den Erschließungsarbeiten wurde von der Bundesregierung auch noch die Energieeffizienz-Förderung komplett gestrichen.

Im speziellen Fall bei "Nützelbach II" kam noch verschärfend hinzu, dass die ÜZ Mainfranken bislang nicht in der Lage war, die für die Kaltwärme-Versorgung der Häuser benötigten Bohrlöcher herzustellen, weil die Bohrfirma in der Zwischenzeit abgesprungen ist. Außerdem muss man jetzt für die Bohrungen mit einer Preissteigerung von mindestens 30 Prozent rechnen. Die ÜZ zeigte sich deshalb kulant und bot den Bauherren an, bei Bedarf aus dem Kaltwärme-Vertrag auszusteigen.

Stadt ist nicht ganz unschuldig

Alles in allem also eine vertrackte Situation für die Bauherren - eine Situation, an der die Stadt allerdings nicht ganz unschuldig ist. Dies sahen auch die Stadträte so, denn in den Redebeiträgen klang immer das Bemühen durch, schnellstmöglich eine Lösung zu finden. Günter Iff (Freie Wähler) brachte gar eine Art von Schadensersatz ins Spiel.

Arnulf Koch sagte in seinem längeren Redebeitrag namens der CSU-Fraktion, die Bauherren in "Nützelbach II" hätten inzwischen ein Riesenproblem. Die Verzögerungen im Baugebiet, aber auch die aktuellen Entwicklungen in der Welt- und Bundespolitik hätten zu einer schwierigen Zwickmühle geführt. Man müsse seitens der Stadt jetzt alles probieren, damit für die Bauherren der Traum vom Eigenheim doch noch umsetzbar bleibt, auch wenn der Anteil der Stadt hier nur "ein winziger Teil" sei.

Koch: Entgegenkommen der Stadt nötig

Deshalb, so Koch weiter, sollte man die Kaltwärme-Verpflichtung zurücknehmen, um den Bauwerbern die Möglichkeit zu geben, sich nach möglicherweise günstigeren Alternativen umzuschauen. Für den Fall, dass es Bauherren gibt, die jetzt die Reißleine ziehen müssen, weil die Finanzierung überhaupt nicht mehr ausreicht, sollte man gemeinsam Wege suchen und seitens der Stadt ein Entgegenkommen zeigen, "damit sie möglichst günstig aus dem Vertrag herauskommen" und ihr Grundstück an die Stadt zurückgeben können.

Thomas Vizl (Geo-net) stimmte Koch bezüglich der Rücknahme der Kaltwärme-Verpflichtung zu. Wie Koch appellierte auch er an die Bauherren, alle alternativen Heizmethoden erst genau durchrechnen zu lassen, insbesondere unter dem Aspekt steigender Strompreise, ehe man sich gegen die Kaltwärme entscheide. Im Gegensatz zu Koch sprach sich Vizl aber für die weitere ausdrückliche Festschreibung des Energieeffizienzstandards "KfW 55" im Baugebiet aus. "KfW 55" werde zwar im kommenden Jahr sowieso der gesetzliche Mindeststandard sein, eine jetzige Rücknahme sehe er aber als "falsches Signal" an, sagte Vizl. 

Kann der Preis für die Bohrungen gehalten werden?

2. Bürgermeister Erich Servatius sprach sich für die SPD-Fraktion dafür aus, beiden Verwaltungsvorschlägen zu folgen: keine Verpflichtung zum Kaltwärme-Anschluss und keine ausdrückliche Festschreibung des "Kfw 55".

Günter Iff (Freie Wähler) stellte zunächst die Frage in den Raum, ob die ÜZ Mainfranken den jetzt bekanntgegebenen Preis von 16.000 Euro für die Bohrungen wird halten können für den Fall, dass nun nicht mehr 20 Grundstücke, sondern vielleicht nur noch vier oder fünf sich anschließen. Sandra Hörr von der Verwaltungsgemeinschaft antwortete, nach ihren Informationen werde der Preis von der ÜZ auf jeden Fall gehalten. Genaueres bringe aber erst eine Informationsveranstaltung, die die Lülsfelder für die Bauherren abhalten.

Antrag der Freien Wähler auf Vertagung

Iff stellte daraufhin einen Antrag zur Geschäftsordnung mit dem Ziel, die Entscheidung im Stadtrat zu vertagen, bis diese Informationen seitens der ÜZ auch gesichert seien. Gisela Schwab (SPD) kritisierte dies. Man könne nicht erneut die Angelegenheit um Wochen verzögern. "Die Leute wollen doch endlich bauen!" Der Antrag auf Vertagung wurde dann mit 8:9 Stimmen abgelehnt. Dafür waren die Fraktionen von Geo-net und Freie Wähler, der Rest dagegen.

Die nächste Frage von Günter Iff drehte sich um die Grunderwerbssteuer, die sich verringern dürfte, wenn die Kosten für den Kaltwärme-Anschluss nicht mehr Bestandteil des notariellen Kaufvertrags sind und sich der Grundstückspreis dadurch verringert. Hier sagte Sandra Hörr, weil noch nicht zwei Jahre seit der Beurkundung vergangen seien, würde das Finanzamt zu viel gezahltes Geld wieder erstatten.

Prüfauftrag an die Verwaltung

Schließlich stellte Iff den Antrag, die Stadtverwaltung möge prüfen, ob es möglich sei, den Bauherren - "quasi als Schadensersatz für die Verzögerungen" - einen Energiezuschuss in Höhe von 20 Prozent der Kostenmehrung bei der Kaltwärme auszuzahlen. Sandra Hörr betonte, eine solche selektive Förderung sei ihrer Meinung nach rechtlich überhaupt nicht möglich, man könne dies aber nochmals in der Verwaltungsgemeinschaft prüfen. Der Prüfauftrag Iffs fand dann mit 16:1 Stimmen eine deutliche Mehrheit. Nur Bürgermeister Thorsten Wozniak stimmte, mit Verweis auf Hörrs Aussage, dagegen.

Der Antrag der Verwaltung, die Verpflichtung zum Kaltwärme-Anschluss aufzuheben, ging mit 14:3 Stimmen durch. Nur Günter Iff, Martin Zink und Hubert Zink aus der Fraktion der Freien Wähler stimmten dagegen.

Der Antrag, die ausdrückliche Festschreibung des Energieeffizienzstandards "Kfw 55" zu streichen, fand eine Mehrheit von 12:5 Stimmen. Dagegen waren - wie von Vizl zuvor angekündigt - die vier Fraktionsmitglieder von Geo-net und überraschend auch Christoph Rosentritt (CSU).

 
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