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Gerolzhofen
Probleme mit der Geothermie im Gerolzhöfer Neubaugebiet: Das sind die Gründe
Keine guten Nachrichten für die Bauherren: Die Bohrungen für die Kalt-Wärme-Versorgung verzögern sich, werden deutlich teurer. Nun gibt es ein kulantes Angebot.
Nachdem sich im Gerolzhöfer Baugebiet 'Am Nützelbach II' die Baumaschinen zurückgezogen haben, kann mit dem Bau der Wohnhäuser begonnen werden. Es gibt allerdings Verzögerungen bei der Kalt-Wärme-Versorgung.
Foto: Klaus Vogt | Nachdem sich im Gerolzhöfer Baugebiet "Am Nützelbach II" die Baumaschinen zurückgezogen haben, kann mit dem Bau der Wohnhäuser begonnen werden. Es gibt allerdings Verzögerungen bei der Kalt-Wärme-Versorgung.
Klaus Vogt
 |  aktualisiert: 11.02.2024 16:37 Uhr

Steigende Darlehenszinsen, massive Kostensprünge beim noch dazu selten komplett verfügbaren Baumaterial und fehlende Handwerker-Kapazitäten: Wer jetzt in diesen Krisenzeiten ein Haus baut, dem drohen schlaflose Nächte – besonders wenn der Finanzierungsplan von Anfang an eng gestrickt war. Einige Häuslebauer im Baugebiet "Am Nützelbach II" am südlichen Stadtrand von Gerolzhofen können ein Lied davon singen. Doch die Preissteigerungen sind nicht das einzige Problem, mit denen sie momentan zu kämpfen haben.

Unvorhergesehene Kostensteigerungen können schnell zu einer Gefahr für das gesamte Projekt werden. Den Bauherren am Nützelbach drohen finanzielle Turbulenzen, weil die Kosten für die Bohrlöcher der Erdsonden für die Kaltwärme-Versorgung deutlich gestiegen sind.

Darauf hat die Stadträtin Gisela Schwab (SPD) jetzt aufmerksam gemacht. Sie spricht von Preissteigerungen von bis zu 30 Prozent. Hinzu kommt, dass auch die Installationsarbeiten für die Wärmepumpe und die Heizungsleitungen immer teurer werden.

Geothermie ist verpflichtend

Die Häuslebauer haben sich im Zuge des mit der Stadt abgeschlossenen notariellen Grundstück-Kaufvertrags dazu verpflichtet, ihr Haus an die Geothermie anzuschließen. Zuständig für den Bau der Geothermie ist die ÜZ Mainfranken aus Lülsfeld. Da in den Verträgen keine Fest-, sondern nur Schätzpreise für die Herstellung der Bohrungen festgeschrieben sind, dürfte es nach Ansicht von Gisela Schwab für betroffene Bauherren schwierig werden, aus dem Vertrag herauszukommen. Klar ist: Trotz dieser unklaren Vertragsgestaltung haben die Bauherren unterschrieben und bewusst diese Kröte geschluckt, weil sie offenbar froh waren, während der Tiefzinsphase einen der begehrten Bauplätze zu bekommen.

Doch wie war es überhaupt zu diesen notariellen Verträgen gekommen? Wir blicken zurück. Der Stadtrat hatte im Juli 2020 in zwei Sitzungen darüber beratschlagt, ob auch im Neubaugebiet "Am Nützelbach II" – wie zuvor bereits im Gebiet "Nützelbach I" – den Bauwerbern zwingend vorgeschrieben werden soll, eine Kaltwärme-Versorgung zu installieren.

Bei dieser Art von Wärmeversorgung zirkuliert in zwei rund 85 Meter tiefen Bohrlöchern eine frostsichere Wärmeträgerflüssigkeit, die sogenannte Sole. Eine Wärmepumpe entnimmt dieser rund zwei Grad kalten Flüssigkeit noch Restwärme und erwärmt damit das (Heizungs-)Wasser im Gebäude. Etwas überraschend lehnte das Gremium damals mit knapper Mehrheit den Beschlussvorschlag ab, wonach sich jeder Käufer eines Baugrundstücks in "Nützelbach II" auch zum Anschluss an die Kalt-Wärme-Versorgung verpflichten muss.

Schwammiger Beschluss

Als Alternative wurde dann beschlossen, dass die Bauherren Energieeffizienz-Häuser mit dem Standard von mindestens "KfW 40" zu errichten haben. Damit wollte man den Bauwerbern die Möglichkeit offen lassen, ihr Gebäude auch mit einem anderen modernen und ökologisch vergleichbaren Heizsystem zu wärmen – zum Beispiel mit Pellets oder mit Luft-Wärmepumpen.

Danach fiel den Damen und Herren des Gremiums allerdings auf, dass man in diesem Beschluss nicht zugleich auch den unstrittig vorhandenen Willen manifestiert hatte, dass möglichst viele Häuslebauer auf Kaltwärme setzen. Es wurde zudem Kritik laut, weil der Energieeffizienz-Standard "KfW 40" im Vergleich zum derzeit üblichen niedrigeren "KfW 55" erhebliche Mehrkosten in Höhe von mehreren Zehntausend Euro für jeden Bauherren gebracht hätte – zumal die von der ÜZ Mainfranken angebotene Kaltwärme-Versorgung den Standard "KfW 55" abdeckt.

Alter Beschluss wurde aufgehoben

Im August 2020 kam deshalb die Angelegenheit zum dritten Mal auf die Tagesordnung des Stadtrats. Man hob nun den schwammigen Beschluss vom Juli 2020 auf und fasste stattdessen zwei neue Beschlüsse: Die Wohngebäude im Baugebiet "Am Nützelbach II" müssen mindestens die Voraussetzungen für ein KfW 55- Energieeffizienzhaus erfüllen. Und 20 im Bebauungsplan extra gekennzeichnete Einfamilienhäuser im Süden des Baugebiets müssen zwingend an das Kaltwärme-Projekt der ÜZ Mainfranken angeschlossen werden. Bauherren auf den nicht gekennzeichneten Parzellen können, wenn sie wollen, ebenfalls anschließen. Allerdings gibt es hier keinen Zwang.

Gerade bei Neubauten ist es erstrebenswert, weg von fossilen Brennstoffen zu kommen. Bei diesem Haus befindet sich auf dem Dach eine Photovoltaikanlage für Stromproduktion mit einer Wärmepumpe am Boden, die mit dem solaren Strom betrieben werden kann. 
Foto: Daniel Maurer | Gerade bei Neubauten ist es erstrebenswert, weg von fossilen Brennstoffen zu kommen. Bei diesem Haus befindet sich auf dem Dach eine Photovoltaikanlage für Stromproduktion mit einer Wärmepumpe am Boden, die mit dem ...

Zurück zur aktuellen Situation im Neubaugebiet: Nachdem die Stadt die Freigabe erteilt hat, können und sollen jetzt die privaten Bauarbeiten an den Häusern beginnen. Diejenigen Bauherren, die sich an die Kaltwärme der ÜZ Mainfranken anschließen müssen, haben neben der Kostensteigerung aber nun noch ein weiteres Problem: Die Bohrarbeiten haben noch immer nicht begonnen.

Geänderte Förderkulisse

Was ist der Grund für diese Verzögerung? Weil es bei den Förderprogrammen des Bundes innerhalb der vergangenen zwei Jahre zu verschiedenen Änderungen gekommen sei, habe man die bisherige Praxis bei der Erschließung der Kaltwärme-Versorgung ändern müssen, berichtet ÜZ-Pressesprecherin Eva Gerhart. Hätten die Bohrungen schon vor der Vergabe der Grundstücke stattgefunden, wäre für die Bauherren die spätere Beantragung einer Effizienzhaus-Förderung bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) nicht mehr möglich gewesen. "Dadurch wäre den Bauwilligen ein Schaden in Höhe von 26.250 Euro pro Wohneinheit entstanden", betont Gerhart. 

Bohrfirma ist abgesprungen

Allerdings ist der Verkauf der Grundstücke schon ab Januar 2021 über die Bühne gegangen. Eine geänderte Förderkulisse kann also nicht der alleinige Grund für die Verzögerung sein. Die ÜZ hatte vielmehr mit einem logistischen Problem zu kämpfen: Die Bohrfirma, die seit sieben Jahren mit der ÜZ Mainfranken bei der Kaltwärme zusammengearbeitet hat, hat den bestehenden Rahmenvertrag, in dem die kalkulierten Preise bis Ende 2023 hinterlegt waren, überraschend zum Jahresende 2021 gekündigt. Alexander Wolf, der Teamleiter "Wärme & Energieberatung" bei der ÜZ, bestätigt auf Anfrage entsprechende Informationen dieser Redaktion.

Die Suche nach einer anderen Bohrfirma habe sich sehr schwierig gestaltet, schildert Wolf. Einschlägige Unternehmen seien für 50 Wochen ausgebucht. Trotzdem sei es der ÜZ nun gelungen, ein Unternehmen zu finden, das die Bohrungen in Gerolzhofen vornehmen wird. In einer ersten Aktion seien 14 Bohrungen geplant. "Start wird wohl in der 42. oder 43. Kalenderwoche 2022 sein", sagt Wolf.

Preissteigerung von 30 Prozent

Die ÜZ Mainfranken bestätigt gleichzeitig auch die Informationen von Stadträtin Schwab, wonach es bei den Bohrungen zu erheblichen Kostensteigerungen kommen wird. Gründe für die höheren Preise seien zuerst die Corona-Pandemie gewesen und seit Anfang des Jahres nun auch noch der Krieg in der Ukraine, der beispielsweise zu einem Anstieg der Dieselkosten geführt habe, erläutert Pressesprecherin Gerhart. Im Januar 2021, als man die notariellen Verträge mit den Bauherren schloss, sei man noch von Kosten in Höhe von 12.000 Euro für die zwei 85-Meter-Erdsonden pro Grundstück ausgegangen. "Aktuell liegt der Preis bei rund 16.000 Euro und damit circa 30 Prozent über den Schätzkosten."

ÜZ zeigt sich kulant

Was den Bauherren dabei auch noch schmerzt: "Zum aktuellen Zeitpunkt gibt es leider keine Förderung der Geothermie für Neubauten", sagt Eva Gerhart. Die ÜZ Mainfranken will deshalb den Häuslebauern jetzt entgegenkommen. "Da wir Verständnis haben, dass eine derartige Preissteigerung zu Engpässen in der Finanzierung führen kann, haben wir angeboten, die verpflichtende Nutzung der Kaltwärme-Versorgung aufzukündigen."

Allerdings weist die ÜZ darauf hin, dass die Kaltwärme-Versorgung nach wie vor das effizienteste Heizsystem im Vergleich zu vielen Alternativsystemen wie eine Luft-Wasser-Wärmepumpe oder eine Holzpellets-Heizung sei. Bei seiner Entscheidung, ob er den Vertrag kündigen will, sollte der Bauherr auch berücksichtigen, dass die Erdsonden rund 20 Prozent energieeffizienter seien als zum Beispiel die Alternative über die Außenluft. "Im Hinblick auf steigende Stromkosten, wird die Effizienz gerade bei strombetriebenen Heizsystemen noch wichtiger", betont Eva Gerhart.

 
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  • M. F.
    Wie darf man sich die Befreiung von der Anschlusspflicht vorstellen?
    Gem. Planung war es doch vorgesehen, das gesamte Baugebiet über eine Ringleitung anzuschließen, die ihrerseits mit einer bzw zwei Bohrlöchern verbunden ist.
    Das bedeutet, die Gesamtkosten sind nahezu identisch - unabhängig davon wieviele Häuser angeschlossen werden.
    Heißt aber dann, je weniger Nutzer, desto höhere Kosten für den einzelnen Nutzer.
    Leider ist der Artikel diesbezüglich wenig erhellend…
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  • L. F.
    Es gibt da keinen Ring.
    Sondern jedes Grundstück hat eigene Bohrungen.
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  • K. K.
    Das Gebäudeenergiegesetz enthält schon reichlich Auflagen für Neubauten, lässt den Bauwilligen aber immerhin noch die Wahl zwischen mehreren Alternativen. Aber die Stadträte wissen scheinbar am besten, was gut ist: Weiter schön Strom verbrauchen, der wird ja auch gerne vom ÜZ verkauft.

    Was bei dem aktuellen Wärmepumpen-Hype meist übersehen wird: Die Dinger brauchen alle Strom und die angeblich hohe Effizienz existiert oft nur auf dem Papier. Wenn die Solarthermie nur auch so eine tüchtige Lobby hätte. Aber wer mit Sonnenwärme heizt, der braucht halt nur wenig Strom.
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    Für mich ist der zwang für eine Sole-Wasser-Wärmepumpe überhaupt nicht nachvollziehbar, es gibt so viele andere Möglichkeiten. Natürlich hat die Technik auch viele Vorteile, aber ist auch gleichzeitig richtig teuer.
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