Es war Anfang Juli, als Gottfried Bindrim seinem Ärger Luft machen wollte. Gefrustet sei er gewesen, sagte er später gegenüber dieser Redaktion, über die Situation in der Pflege, die im Raum Schweinfurt nicht erst seit der Kündigung von zahlreichen Pflegeverträgen durch die Diakonie zu einer regelrechten "Triage" ausgeartet sei. Bindrim, der seit 34 Jahren die Caritas-Sozialstation St. Josef in Schweinfurt leitet, schrieb einen umfangreichen Brandbrief an alle unterfränkischen Bundestags- und Landtagsabgeordneten, in dem er seine Anliegen und die Probleme in der Pflege ausdrücklich schilderte. Das Ergebnis war ernüchternd.
Nun, zwei Monate später, fand überraschend ein Treffen zwischen Gottfried Bindrim, dem CSU-Landtagsabgeordneten Steffen Vogel und dem bayerischen Gesundheitsminister Klaus Holetschek in Haßfurt statt. Vogel, der Bindrims Brandbrief ebenfalls erhalten hatte, initiierte den Termin. Bindrim erzählt gegenüber dieser Redaktion, dass es schon im Vorfeld des Gesprächs geheißen habe, der Minister hätte nicht viel Zeit, und dass er daraufhin geantwortet habe: "Ich bin mit jedem Ding zufrieden, das ich kriege."
Bindrim war "sehr angetan"
Also trafen sie sich für etwa 30 Minuten. Und Bindrim konnte "frei von der Leber reden, was mir nicht passt". Es ging um Themen, die auch in seinem Schreiben zentral waren: der Fachkräftemangel, die Pflege-Ausbildung, die überbordende Bürokratie sowie die Bezahlung in dem Beruf. Und Corona. "Die beiden haben kräftig notiert", erzählt Bindrim im Anschluss. Der 60-Jährige resümiert: "Ich war von ihm (Anm. d. Red.: dem Staatsminister) sehr angetan, er hat das authentisch und realistisch rübergebracht und auch keine Versprechungen gemacht. Er hat zugehört und gesagt, sie nehmen die Punkte mit."
Auf Anfrage dieser Redaktion gibt auch das bayerische Gesundheitsministerium ein Statement zu dem Gespräch ab: "Mir ist der regelmäßige Austausch mit Menschen, die im Pflegebereich tätig sind, sehr wichtig. Deshalb bin ich dem Landtagsabgeordneten Steffen Vogel sehr dankbar, dass er ein Gespräch mit dem Caritas-Stationsleiter Gottfried Bindrim organisiert hat", wird Holetschek darin zitiert.
Holetschek: Mitarbeitende in der Pflege halten
"Ich stehe ganz klar an der Seite der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Pflegebereich", schreibt Bayerns Gesundheitsminister weiter. Die Pflege für die Zukunft aufzustellen, sei eine Mammutaufgabe, "die wir jetzt gemeinsam angehen müssen". Und weiter: "Wir müssen unsere Anstrengungen darauf richten, die derzeitigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege zu halten und gleichzeitig mehr Beschäftigte für den Pflegeberuf zu gewinnen."
Holetschek habe bereits vor mehr als einem Jahr Eckpunkte für eine zukunftsfeste Pflegereform vorgelegt, heißt es weiter. "So fordere ich zum Beispiel schon lange, dass die Kosten der Ausbildung nicht auf die Pflegebedürftigen umgelegt werden dürfen. Eine Umsetzung meiner Reformvorschläge würde die Belastung der Pflegebedürftigen mit den Kosten der Ausbildung beenden."
Bindrim: Es geht nicht nur um die Bezahlung, sondern vor allem um die Arbeitsbedingungen
In dem Gespräch sei es auch um die Bezahlung der Fachkräfte gegangen. Gesundheitsminister Holetschek weist in seiner Antwort auf die Einführung der Verpflichtung zur Zahlung der Tariflöhne in Pflegeeinrichtungen hin, die seit September 2022 gilt. Damit sei ein wichtiger Meilenstein erreicht worden. Steffen Vogel, der ebenfalls von einem "klasse Austausch" spricht, erzählt, dass es Bindrim gar nicht nur um die Bezahlung gehe, sondern um die Arbeitsbedingungen.
Und vor allem: um die einrichtungsbezogene Impfpflicht und die weiterhin geltenden strengen Hygienemaßnahmen im Pflegeberuf. "Ich habe gesagt, es ist ein Unding, dass man da weiterhin dran festhält", erzählt der 60-Jährige auf Anfrage. "Wir müssen lernen, mit Corona zu leben. Ich glaube, dass da noch viele das Handtuch schmeißen, wenn das so bestehen bleibt."
Holetschek spricht von einer "realitätsfremden Linie" der Bundesregierung
Auch im Gesundheitsministerium sieht man das Thema kritisch. Dazu heißt es von Holetschek: Bei dem Thema gehe man in Bayern einen "eigenen Weg, der von der realitätsfremden Linie der Bundesregierung abweicht, um die Betroffenen, Einrichtungen, Unternehmen und Gesundheitsämter zu entlasten". Zwar könne man die verschärften Anforderungen oder die Nachweispflichten für die betroffenen Beschäftigten nicht generell aussetzen. "Die verschärften Anforderungen zur Vorlage eines dritten Nachweises über eine Impfung oder Genesung sollen aber nur für Personen gelten, die ab dem 1. Oktober eine neue Tätigkeit in einem Bereich aufnehmen, der der einrichtungsbezogenen Impfpflicht unterliegt." Wer seine Tätigkeit vor dem 1. Oktober aufnehme, für den bleibe alles beim Alten.
Holetschek kritisiert den Umgang der Berliner Ampelkoalition mit dem Pflegebereich. Diesen vernachlässige sie "leider komplett". Von einer umfassenden Reform der Pflegeversicherung gebe es keine Spur. Klar sei zudem: "Es muss die gesamtgesellschaftliche Bereitschaft bestehen, mehr Geld in die pflegerische Versorgung zu investieren!"
Bindrim sprach auch mit Staatssekretärin Sabine Dittmar
Mitte August stand auch ein Termin mit Sabine Dittmar, Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, an. Über die konkreten Inhalte gaben weder Bindrim noch Dittmar Auskunft. Aus dem Büro der Maßbacherin heißt es auf Anfrage lediglich: "Das Gespräch mit Herrn Bindrim war informativ und fand in einer angenehmen Atmosphäre statt."
Gottfried Bindrim wird weiterhin mit den Mandatsträgern im Kontakt bleiben. Besonders gewundert habe ihn, dass ihm der bayerische Gesundheitsminister seine Handynummer gegeben habe, an die er sich bei Problemen wenden kann. Bindrim zeigt sich zufrieden: "Ich habe was angestoßen und ich hoffe, dass wir den Prozess weiterschieben können. Ich bin guter Dinge, dass sich da schon ein bisschen etwas bewegen wird."