Margit Rosentritt, Kreishandwerksmeisterin in Schweinfurt und seit 38 Jahren als Friseurmeisterin mit eigenem Salon in der Stadt, ist bekannt für ihre offenen Worte. Beim Neujahrsempfang der Handwerksinnung, dem ersten seit der Corona-Pandemie, hatte sie zahlreiche Themen, bei denen vor allem dem anwesenden Bundestagsabgeordneten Markus Hümpfer (SPD) und dem bayerischen Innen-Staatssekretär Sandro Kirchner (CSU) die Ohren geklingelt haben dürften. Die Kritik war deutlich und wurde von den Gästen – jedenfalls denen aus dem Handwerk – mit teils langem Applaus beschieden.
Rosentritt hatte drei wesentliche Themen, die dem Handwerk das Leben schwer machen und bei denen sie Entscheidungen der Politik in München und Berlin als Ursache sieht. Ein großes Thema, das tausende Betriebe in ganz Bayern betrifft, ist ein vor Weihnachten versandtes Schreiben der Bezirks-Regierungen. Jeder Betrieb, der direkt zu Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 von den damals vom Bund ausgegebenen Hilfen profitierte, ist aufgefordert zu prüfen, ob es tatsächlich einen Liquiditätsengpass gab oder nicht. Im Zweifel müssen die damals gewährten Hilfen bis Ende Juni 2023 zurückgezahlt werden.
Der Punkt für Rosentritt und viele Kolleginnen und Kollegen ist die Änderung der Regeln zweieinhalb Jahre später: Denn zum Zeitpunkt der Beantragung der Hilfen 2020 durften Personalkosten mit einberechnet werden. Jetzt nicht mehr. Dazu kam das Berufsverbot während der Lockdown-Phasen für Firmen, die Dienstleistungen am Kunden ausführten.
"Was sagt das über die Glaubwürdigkeit der Politik und die Wertschätzung gegenüber dem Handwerk aus?", fragte Rosentritt und zitierte den früheren bayerischen CSU-Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß: "Wenn der Kopf im Herd und die Füße im Gefrierfach sind, hat der Bauch die richtige Temperatur, der Mensch ist aber tot."
Bürokratie und Gesetze lassen Handwerker teilweise verzweifeln
Zwei weitere Themen, die nicht nur dem Handwerk, sondern auch Handel, Gastronomie und Industrie umtreiben: Fachkräftemangel und Bürokratie. Rosentritt betonte, gerade das Handwerk sei der entscheidende Faktor zum Gelingen der dringend nötigen Energiewende. Deswegen sei es wichtig, für Fachkräfte und Ausbildung zu werben, aber auch von Seiten der Politik faire Rahmenbedingungen zu schaffen.
Kritik an überbordender Bürokratie, Gesetzen und Verordnungen übt Rosentritt schon lange. "Trotz langem Nachdenken ist mir nichts eingefallen, was sich für uns verbessert hat", bemerkte sie bissig und fügte unter dem Beifall der Gäste an: "Wenn ein Handwerksmeister in einem Jahr so viele Fehler machen würde wie ein Politiker, wären wir längst pleite."
Versöhnliche Worte gab es aber auch: "Wir alle wollen junge Menschen für das Handwerk begeistern", so Rosentritt, was in der Region vor allem gelinge, wenn Stadt, Landkreis, Handwerksbetriebe und Innung gemeinsam handelten, wie das in den vergangenen Jahren auch immer war.
Oberbürgermeister mahnt zu Gelassenheit und Mut für die Zukunft
Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) ging in seiner Rede auf Rosentritts Kritik ein, die er in ihrer Deutlichkeit nicht teilte. Den Schriftsteller Botho Strauß zitierend ("Bessere Zeiten kommen nicht; Sie sind schon da, wir können sie nur versäumen") mahnte er zu Gelassenheit und dem Blick auf das große Ganze.
Natürlich habe die Corona-Pandemie jedem Einzelnen viel abverlangt, Opfer gefordert. Aber, darauf legte Remelé Wert: "Es gab kein großes Staatsversagen. Wir haben es geschafft, die Gesellschaft am Leben zu halten." Man dürfe bei allen Schwierigkeiten und Sorgen, die nun auch der russische Angriffskrieg in der Ukraine und die Energiekrise bringe, "nicht den Kopf in den Sand stecken, sich nicht aufs Nörgeln und Miesmachen konzentrieren."
Auch Remelé sieht den Fachkräftemangel als größtes Problem für die Zukunft, der auch die Stadtverwaltung betreffe: "Wir brauchen wieder ein positives Verhältnis zur Arbeit, weniger Work-Life-Balance und mehr protestantisches Arbeitsethos."
Für den neuen Handwerkskammer-Präsidenten Unterfrankens, Michael Bissert, war das Handwerk gerade während der Corona-Pandemie "ein stabilisierender Faktor." Man sei für die Zukunft in der Region gut aufgestellt, auch wenn die Herausforderungen nicht kleiner würden.