Der Scherz, den Bundeskanzlerin Angela Merkel mit einem Blick in die Runde kürzlich bei einer Pressekonferenz zur Corona-Lage machte, als erstes müsse man wohl im Februar die Friseure öffnen, dürfte bei den Betroffenen eher nicht so gut angekommen sein. Denn manchen von ihnen, auch in der Region, ist angesichts der prekären finanziellen Situation bedingt durch den seit Mitte Dezember geltenden harten Lockdown alles andere als zum Scherzen zumute.
Innungs-Obermeisterin Margit Rosentritt schrieb kürzlich einen vierseitigen Brief an die Schwebheimer Bundestagsabgeordnete Anja Weisgerber (CSU), in dem sie die Sorgen und Nöte ihrer Kollegen sehr eindringlich beschreibt: "Es ist nicht Fünf vor Zwölf, es ist Zehn nach Zwölf", so Rosentritt, die auch Kreishandwerksmeisterin ist.
Das Problem ist vielfältig und hängt vor allem mit den von Bundes- und Landespolitikern vollmundig verkündeten Hilfsprogrammen für geschlossene Firmen zusammen, die sich in der Praxis aber entweder als Bürokratiemonster erweisen, oder aus vielerlei Gründen nicht anwendbar sind. Auch der Kreisvorsitzende des Handelsverbandes in Schweinfurt, Axel Schöll, hat das bereits deutlich beklagt und die Politik dazu aufgefordert, schnell nachzubessern.
Rosentritt weist darauf hin, dass Friseure weder online verkaufen können, noch Click & Collect in Anspruch nehmen können. Die Hygienekonzepte in den Betrieben seien nicht nur sehr gut, sondern auch sehr penibel umgesetzt worden, umso bitterer sei die Schließung. Laut Rosentritt seien bei 80 000 Friseuren in Deutschland und 700 000 Friseur-Besuchen pro Tag seit der Wiedereröffnung am 4. Mai 2020 "der Berufsgenossenschaft ganze fünf Verdachtsfälle von Covid-19 gemeldet worden."
Ein Großteil der Unternehmen falle durch das Raster der Überbrückungshilfe II des Bundes, die Dezemberhilfe komme ebenfalls nicht in Frage, weil man erst ab dem 16. Dezember schließen musste, so Rosentritt. Das Gefühl, gute Arbeit geleistet zu haben in schwierigen Bedingungen, "wich dem blanken Entsetzen, als man feststellen musste, dass keinerlei staatliche Hilfe oder Unterstützung zu erwarten sei", so Rosentritt.
"Dürftig" sei es auch, die Unternehmer auf die Möglichkeit, Hartz-IV-Leistungen zu beantragen, hinzuweisen im Vergleich zu anderen Branchen, denen geholfen werde. Rosentritt kritisiert, dass die Überbrückungshilfen so gestaltet seien, dass diejenigen, die fleißig waren, arbeiteten und für ihre Kunden während der Pandemie da waren, nun bestraft werden.
Die Friseure in der Region hielten sich an die geltenden Regeln und stellen die Notwendigkeit des Lockdowns auch nicht in Frage, betont Rosentritt. Man distanziere sich deutlich von Corona-Leugnern, Maskenverweigerern und Gruppierungen aus dem rechten Spektrum. Doch "der Unmut wächst über die derzeit politisch verantwortlichen Parteien", die Stimmung im Wahljahr sei "explosiv". Wenn es keine baldige Öffnungsperspektive für die Salons gebe, so Rosentritt, "werden es viele Mittelständler bei Beibehaltung des augenblicklichen Standards nicht überstehen." Es gehe sicher nicht um Wohlstandserhalt oder Gewinnsucht, "sondern blanke Existenzangst", findet die Obermeisterin eindringliche Worte.
Anja Weisgerber erklärte gegenüber dieser Redaktion, sie nehme den Brief sehr ernst. Sie habe mit Margit Rosentritt bereits Kontakt aufgenommen und ein Gesprächsangebot gemacht. Sie habe gemeinsam mit Kollegen im Bundestag "immer wieder Druck gemacht", schreibt Weisgerber in einem Brief an die Mitglieder der Friseurinnung. Der Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier habe nun im Kabinett durchgesetzt, dass vor allem die Voraussetzungen für die Überbrückungshilfe III vereinfacht und die Abschlagszahlungen angehoben werden.
In ihrem Schreiben verweist Weisgerber auf drei Hilfssäulen für Unternehmen durch den Staat: die Überbrückungshilfe III, das Kurzarbeitergeld und die Unterstützung für den Unternehmer selbst durch die Arbeitsagentur. Die Programme und die Kriterien werden in ihrem Brief auch ausführlich beschrieben.