
Beim zweiten "Spaziergang" durch die Schweinfurter Innenstadt am vergangenen Sonntagabend kamen nach Schätzung der Polizei erneut bis zu 2000 Menschen auf dem Marktplatz zusammen. Zunächst protestierten mehrere hundert Demonstranten bei einem Umzug durch die Innenstadt lautstark, aber friedlich gegen eine Impfpflicht und geltende Maßnahmen im Kampf gegen die vierte Welle der Corona-Pandemie. Am späteren Abend eskalierte dann aber die Situation am Marktplatz, Polizeibeamte wurden von Demonstranten angegriffen. Ein Polizeifahrzeug wurde versucht in Brand zu stecken. Nun bereiten der Stadtrat und Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) eine Resolution vor.
Geplant ist, in der Stadtratssitzung am 21. Dezember ein klares Signal zu senden und die Bürger aufzufordern, sich nicht an den so genannten Spaziergängen zu beteiligen. "Es soll ein klares Bekenntnis zum Versammlungsrecht gerade in Krisenzeiten geben, aber in gleicher Weise müssen wir klarmachen, dass wir jede Form der Gewalt, insbesondere gegen unsere Ordnungskräfte, ablehnen", betonte Sebastian Remelé. Die Verwaltung werde, kündigte er in der Hauptausschusssitzung am Dienstagmorgen an, den Fraktionen einen Entwurf der Resolution zukommen lassen, "den wir im Idealfall einstimmig verabschieden."
Der OB fordert die Bevölkerung explizit auf, sich von den als "Spaziergang verharmlosten" Versammlungen fern zu halten, "da mit Gewalt gerechnet werden muss". Aus Sicht der Stadt sind die Veranstaltungen rechtswidrig und müssen zwingend als Versammlung angemeldet werden. "Das Versammlungsrecht greift immer dann, wenn es eine gewollte Zusammenkunft und eine gemeinschaftliche Meinungsbildung gibt", betonte Ordnungsreferent Jan von Lackum, der am Sonntag auch mehrere Stunden vor Ort war. Dies sei bei den beiden größeren Veranstaltungen am 5. und 12. Dezember in jedem Fall gegeben gewesen.
Von Lackum schilderte dem Ausschuss die Abläufe, wie sie sich bereits in der Berichterstattung dieser Redaktion am Montag widergespiegelt hatten. Die Ermittlungen, wer hinter den "Spaziergängen" steckt, laufen. Stadt und Polizei werden sich auch am Mittwoch besprechen, inwiefern man Auflagen für die Innenstadt für das kommende Wochenende erlassen kann, an dem wieder ein "Spaziergang" angekündigt ist.

Dass am Montag zwei wegen Körperverletzung Angeklagte bereits zu Bewährungsstrafen von sechs und acht Monaten und eine Person, die versucht haben soll, ein Polizeiauto anzuzünden, sowie deren Komplize in Untersuchungshaft genommen wurden, begrüßt der Ordnungsreferent: "Ich bin dankbar, dass ein Exempel statuiert wurde und von der Polizei gezeigt wurde, dass Gewalt keinen Platz hat." Es mache ihn betroffen, dass "es sogar in Schweinfurt so ein Gewaltpotenzial gibt."
SPD-Fraktionsvorsitzender Ralf Hofmann war am Montag auf den Oberbürgermeister zugegangen bezüglich einer gemeinsamen Resolution, die auch zeigen soll, dass die große Mehrheit der Schweinfurter nicht hinter den Protesten steht und vor allem deswegen nicht auf die Straßen geht, "weil das Gebot der Stunde Kontaktvermeidung ist."
"Wer etwas tun will für Freiheit und Demokratie darf sich nicht mit Rechtsextremen gemein machen", betonte Hofmann. Seine Fraktionskollegin Marietta Eder erklärte, "wenn laut pfeifend und protestierend am Josefskrankenhaus vorbeigezogen wird, ist das ein Schlag ins Gesicht für die Ärzte und das Pflegepersonal und alle, die dort wegen Corona um ihr Leben ringen." Sie forderte wie viele andere Stadträte auch Aufklärung darüber, wer hinter den "Spaziergängen" steckt.
Sinan Öztürk (Linke) betonte: "Wir stehen gegen die Demokratiefeinde, die Menschen aufwiegeln". Er verwies darauf, dass trotz der Corona-Pandemie unter anderem die bayerische Kommunalwahl und die Bundestagswahl reibungslos stattfanden sowie verschiedene Demonstrationen in Schweinfurt zugelassen wurden. Von einer Einschränkung der Freiheit könne keine Rede sein.

AfD-Stadträtin Daniela Mahler betonte, die Gewalt nach dem Umzug habe sie "erschüttert". Sie sei vor Ort gewesen und habe eine friedliche Veranstaltung erlebt. Man müsse den Menschen "zuhören und ihre Sorgen ernst nehmen, nicht Druck auf sie ausüben." Oberbürgermeister Sebastian Remelé und CSU-Stadträtin Stefanie Stockinger-von Lackum kritisierten Mahler für ihre Äußerung. Der OB betonte, an diesen "Spaziergängen" teilzunehmen, ohne dass sie als Versammlung angemeldet sind sei "schlicht rechtswidrig, egal ob als Kleinkind oder mit einer Kerze in der Hand."
Niemand wende sich gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung. Wenn man aber zum Beispiel die ehemalige DDR in ihrem Inneren als offensichtlicher Unrechtsstaat kannte, "verbietet es sich 'Wir sind das Volk' in Schweinfurt zu skandieren."