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Schweinfurt
Mehr Erneuerbare, klimaneutral bis 2035: Warum es ohne die Bürgerinnen und Bürger von Schweinfurt nicht geht
Die Ziele sind hoch gesetzt, die Meinungen, wo die Stadt steht, kontrovers. Wurde zu lange zu wenig gemacht oder passt die Richtung, beginnt die Aufholjagd?
Bis 2035 will die Industriestadt am Main klimaneutral sein. Doch wie steht es um den Ausbau der Erneuerbaren?
Foto: Anand Anders | Bis 2035 will die Industriestadt am Main klimaneutral sein. Doch wie steht es um den Ausbau der Erneuerbaren?
Katja Beringer
 |  aktualisiert: 26.05.2023 02:31 Uhr

Die Debatte, die sich im Bau- und Umweltausschuss des Schweinfurter Stadtrats an der Frage entspinnt, wann die Stadt klimaneutral werden kann und was passieren muss, könnte so ähnlich auch im deutschen Bundestag abgelaufen sein. Auf der einen Seite diejenigen, die aufzählen, was getan wird oder getan werden soll, auf der anderen diejenigen, die meinen, das alles sei zu wenig, komme zu spät und sei ohnehin nur Greenwashing, Schönfärberei; dazwischen ist die Rede von der richtigen Richtung und der Appell, noch mehr zu tun.

Was Schweinfurt, das bis 2035 klimaneutral sein will, bisher tatsächlich getan hat, liest sich übersichtlich. Es gibt ein Klimaschutzmanagement in der Stadt, das ein halbes Jahr unbesetzt war und seit Februar mit Markus Henninger einen neuen Manager hat. Die Stadt ist Mitglied im Klimanetzwerk Main-Rhön, profitiert dabei durch Erfahrungsaustausch und kann sich beraten lassen.

Und es gibt Förderprogramme der Stadt Schweinfurt – wie das für Photovoltaik und Batteriespeicher. Angesichts der hohen Nachfrage wird der Stadtrat dem Fördertopf sehr wahrscheinlich auf 400.000 Euro verdoppeln. Schon jetzt sei der für 2023 angesetzte Etat ausgeschöpft, wobei oft die Maximal-Fördersumme von 2000 Euro (für Photovoltaikanlagen inklusive Batteriespeicher) in Anspruch genommen werde, sagt Henninger.

Photovoltaik auf städtischen Dächern: Wo der Ausbau heute steht

Und sonst? Da bleibt beim "Zwischenbericht zum Ausbau der erneuerbaren Energien" in Schweinfurt der Verweis auf Öffentlichkeitsarbeit, Veranstaltungen und weitere Förderprogramme wie für die Heizungssanierung. In dem Bereich erwartet der Klimamanager eine steigende Zahl von Anträgen, nicht nur wegen der neuen Vorgaben vom Bund, sondern auch wegen des geplanten Ausbaus der Fernwärme im Stadtgebiet – zum Beispiel im Bereich Bauerngasse und Alte Bahnhofstraße.

Was Photovoltaik auf städtischen Gebäuden betrifft, hat sich nicht so viel getan. Es wurde und wird geprüft, wo was möglich ist. Im April beschloss der Bau- und Umweltausschuss, dass geeignete Dächer städtischer Gebäude flächendeckend mit Photovoltaik zu versehen sind.

Beim deutschlandweiten Wattbewerb, bei dem Städte um eine Verdoppelung der installierten PV-Leistung pro Einwohner wetteifern, liegt Schweinfurt laut Henninger aktuell auf Platz 96 von 199 Plätzen in der Kategorie bis 100.000 Einwohner. 

Ulrike Schneider kritisiert Versäumnisse und fehlende Pläne

Was nicht so sehr an der Stadt liegt, sondern eher an den Bürgerinnen und Bürgern sowie dem Engagement der Agenda 2030 Arbeitsgruppe um Manfred Röder, betonte Ulrike Schneider (zukunft./ödp). Sich auf dem Ausbau der PV-Leistung auszuruhen und sich dafür zu loben, der Agenda 2030 aber nicht zu danken, "das ist ein Armutzeugnis".

Schneider geht es viel zu langsam. In vier Jahren habe man gerade einmal sieben für Photovoltaik geeignete Dächer auf städtischen Liegenschaften identifiziert, mehr nicht. Es gebe keine Pläne, keine Zeitschiene. Und: Über Jahrzehnte seien Anträge hin zu mehr Umwelt- und Klimaschutz gegen die Wand gelaufen.

Johannes Petersen: Den Schwung der Bevölkerung mitnehmen und unterstützen

Sicher, man könne heute schon viel weiter sein, räumte Johannes Petersen (SPD) ein. Doch müsse man nach vorne blicken, den Schwung, der auch bei der Bevölkerung angekommen sei, mitnehmen und unterstützen. Man sei auf dem richtigen Weg, "auch wenn vieles schneller laufen könnte".

Als wichtigen Baustein sieht er den Verkehrssektor. Es sei nicht damit getan, alle Verbrenner auf Elektro umzustellen, man müsse den Verkehr anders aufstellen. Ein Punkt, dem auch Umweltreferent Jan von Lackum zustimmt. Klimaschutz sei nicht nur die Reduktion von CO2-Ausstoß, sondern auch des Energieverbrauchs. Wobei die Stadt sich nicht auf dem ausruhe, was bisher erreicht worden sei. "Wir haben Vorbildfunktion", so der Umweltreferent.

Holger Laschka: "Die Aufholjagd nimmt langsam Fahrt auf"

Holger Laschka (Bündnis 90/Die Grünen) sieht die Stadt auf dem richtigen Weg, "die Aufholjagd nimmt langsam Fahrt auf". Dass die Stadt den Ausbau auf städtischen Dächern vorantreiben muss, sei ebenso wichtig wie das Förderprogramm Photovoltaik und Batteriespeicher und das Engagement der Stadtwerke beim Ausbau der Erneuerbaren.

Wie gut ist Schweinfurt für den Ausbau von Erneuerbaren aufgestellt?

Das Stromnetz ist am Industriestandort Schweinfurt gut ausgebaut, erklärte Stadtwerke-Chef Thomas Kästner. Auch Oberbürgermeister Sebastian Remelé betonte, dass man für den  Ausbau von Photovoltaik in Schweinfurt angesichts der hohen Netzkapazitäten "hervorragend aufgestellt'" sei. Auch die Stadtwerke haben sich das Ziel gesetzt: klimaneutral bis 2035. Einen guten Schritt hat man laut Kästner gemacht, indem die Stadtwerke seit 2023 Privatkunden nur noch Ökostrom anbieten. Ein weiterer wichtiger Baustein werde die Umstellung auf Stadtbusse mit Elektroantrieb sein.

Übrigens: Wenn die Rede davon ist, dass Schweinfurt bis 2035 klimaneutral sein will, sind nach dem Beschluss des Stadtrates von 2017 alle inbegriffen – die Stadt, ihre Liegenschaften, Bürgerinnen und Bürger, Töchterunternehmen wie die Stadtwerke und auch die Industrie, die ihre Ziele sogar noch höher gesetzt hat. Allein das macht klar, was in der Debatte auch betont wurde: Ohne dass alle mitziehen, wird es nicht gehen.

 
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Kommentare
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  • H. V.
    Was genau soll das weit verbreitete Gerede von Klimaneutralität bedeuten? Was genau ist damit gemeint? Ist Photovoltaik wirklich die Lösung für alles? Wieso ist Fernwärme klimaneutral? Kommt die nicht aus der Müllverbrennung? Wie wird ein Krankenhaus klimaneutral? Oder ein Bagger? Oder die Stadtreinigung? Oder oder.... Machen wir uns doch nichts vor. 2035 ist in 12 Jahren. Beim deutschen Schneckentempo und den sonstigen globalen Herausforderungen sind das wichtige Vorhaben, aber "komplett klimaneutral" ist unerreichbar.
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