Im Streit über die Frage, ob am Gottesberg auf dem früheren Sportplatz des SC 1900 Wohnungen gebaut werden sollen oder nicht, hat der Bund Naturschutz kürzlich deutliche Kritik an der Klimaschutzpolitik der Stadt geübt: "Was in den letzten zwei Jahren seit der Kommunalwahl in Schweinfurt passiert ist, hat mit Klimaschutz nichts zu tun", so BN-Kreisvorsitzender Edo Günther. Besonders im Fokus: die Schweinfurter Grünen-Fraktion.
Explizit in die Pflicht nimmt der BN die Stadtrats-Grünen, die im Mai 2020 eine Koalition mit der CSU eingingen. Die handelnden Fraktionen sind mit ihren Projekten bisher zufrieden, der BN zumindest mit den Grünen ausdrücklich nicht: "Wir sehen vor allem die Grünen in der Pflicht. Zu ihrer DNA gehört doch der Fokus auf den Klimaschutz." Bleibt die Frage an die Grünen-Fraktionssprecher Barbara Mantel und Holger Laschka: Wie grün sind Schweinfurts Grüne wirklich?
Bund Naturschutz als wichtige Stimme für den Umwelt- und Klimaschutz
Im Gespräch mit dieser Redaktion sind Mantel und Laschka gut gelaunt und selbstbewusst. Dass der Bund Naturschutz deutliche Worte fand und sich für sein Herzensthema Umwelt- und Klimaschutz mit Verve einsetzt, "damit haben wir kein Problem", betont Holger Laschka. Der BN "gibt der bedrohten Tier- und Pflanzenwelt eine Stimme und das ist gut so".
Als laute Stimme für den Klimaschutz verstehen sich die Grünen natürlich auch. Doch nicht nur, wie Mantel und Laschka betonen. "Wir sind Friedenspartei, Sozialpartei, Umwelt- und Klimapartei. Wir machen Identitätspolitik, haben eine klare Haltung zur Zuwanderung und sind in vielen Dingen auch eine liberale Partei", betont Holger Laschka, der viele Jahre in München als Pressesprecher der Grünen-Landtagsfraktion gearbeitet hat.
Sprich: Die Grünen nur auf das Thema Umwelt- und Klimaschutz zu verkürzen, werde der Vielfalt der Partei nicht gerecht, die sich auch in der Stadtratsfraktion deutlich widerspiegele. Dort gebe es Umwelt- genauso wie Sozialpolitiker. Andere setzen sich besonders für kulturelle Vielfalt ein oder Themen wie Integration und Asyl. Gerade das Thema sozialer Wohnungsbau ist Barbara Mantel wichtig, die sich 2019 beim Bürgerbegehren "Bezahlbarer Wohnraum" mit engagierte.
Aus Sicht der Grünen ist gerade die Nachverdichtung in der Stadt und der Bau neuer Wohnungen wichtiger als neue Baugebiete auszuweisen und Flächen zu versiegeln. Dass man im Koalitionsvertrag mit der CSU den Verzicht auf neue Baugebiete ausgehandelt habe, "war ein Thema, bei dem die CSU über ihren Schatten springen musste", weiß Mantel.
Vor einigen Wochen gab es in einer Stadtratssitzung zum Thema Neubau eines Parkhauses in der Gartenstraße ein Wortgefecht zwischen Reginhard von Hirschhausen und Ulrike Schneider (Zukunft./ödp). Von Hirschhausen erklärte damals, er sei aus Überzeugung bei den Grünen, mache aber pragmatische Stadtratspolitik. Schneider befand, das könne er gerne so handhaben, sie mache "echte grüne Politik". Es ging darum, dass die Grünen als Kompromiss zustimmten, dass der Bauherr eine Photovoltaik-Anlage auf das Parkhaus-Dach baut, dafür aber keine Dachbegrünung zusätzlich machen muss.
Holger Laschka und Barbara Mantel können über das Wortgefecht schmunzeln. Laschka stellt aber auch klar: "Wir lassen uns sicher von Außenstehenden keine grünen Haltungsnoten geben." Zumal es aus Sicht der Fraktion seit Mai 2020 keine Entscheidung gegeben habe, bei der man den Grünen vorwerfen könne, sie hätten offensichtlich ihre Ideale verraten.
Außerdem: "Wir sind jetzt durch die Koalition auch in einer anderen Rolle", betont Barbara Mantel. Da man gemeinsam mit der CSU die Mehrheit im Stadtrat habe, falle den Grünen nicht die Oppositions-, sondern die Gestaltungsrolle zu. Mit der Zusammenarbeit mit der CSU ist man auch deswegen zufrieden, "weil wir Veränderung bei der CSU bemerken".
Grüne konstatieren Umdenken beim Koalitionspartner CSU in Sachen Klimaschutz
Ist Klimaschutz auf einmal ein schwarzes Herzensthema? Nein, das sicher nicht, das ist auch Barbara Mantel und Holger Laschka bewusst. Die Diskussionen und gemeinsamen Sitzungen zu verschiedenen Sachthemen hätten aber gezeigt, dass nach Jahrzehnten sehr konservativer Stadtpolitik ein neues Denken Einzug gehalten habe. Ob das grüne Band im Zuge der Landesgartenschau, die Förderung von Photovoltaik-Anlagen, Tempo 30 in der Innenstadt oder das explizite Ziel, bis 2035 eine klimaneutrale Stadt zu haben: "Es passiert etwas und das muss man sehen", findet Holger Laschka.
Ausdrückliches Lob gibt es von der Fraktionsführung auch für dritte Bürgermeisterin Ayfer Rethschulte. Diese sei "ein Glücksfall", so Mantel und Laschka. Sie wirke innerhalb der Verwaltung ebenso vermittelnd bei den Mitarbeitenden wie nach außen für Bürgeranliegen, "bei denen sie zuhört und sich kümmert", so Laschka.
Beim Thema Gottesberg ist aus Sicht der Schweinfurter Grünen das letzte Wort im übrigen noch lange nicht gesprochen. Auch ihnen missfiel der Weg, den die Verwaltung mit der Vorlage der Verkaufspläne für das Grundstück zuerst im Liegenschaftsausschuss einschlug. "Wir wollen das Thema im Bauausschuss noch einmal diskutieren und wissen, was überhaupt geht und was nicht", betont Barbara Mantel.