Plötzlich wird es ernst für die rund 550 Patienten im Leopoldina, die sich dort im Schnitt täglich befinden. Der Strom im Krankenhaus fällt aus. Es ist Mittwoch, 6 Uhr. Für wenige Sekunden ist fast alles tot. Aber es gibt keinen Grund zur Sorge, denn der Stromausfall ist nur simuliert. Hierfür hat sich das Krankenhaus aber tatsächlich vom Stromnetz abgekoppelt. Ziel war es, die beiden Notstromaggregate zu testen.
Sie haben den Test bestanden und sorgten dafür, dass sich das Krankenhaus autark mit Strom versorgen konnte. Das ist für den Ernstfall lebenswichtig. Innerhalb von 15 Sekunden, so ist die Vorschrift, müssen die Aggregate die Stromlast des Hauses übernommen haben. Kurz gehen die Lichter im Keller aus. Nicht einmal zehn Sekunden später springen die Aggregate an. Es wird laut, der Boden vibriert.
Kein Notfall in der Notaufnahme
Äußerlich wirkt er entspannt, aber innerlich ist Daniel Eußner leicht aufgeregt. "Das ist schon eine Ausnahmesituation", sagt er. "Auch ein Auto kann nigelnagelneu sein und trotzdem nicht anspringen", vergleicht er die Situation. Kurz vor dem Test prüft Eußner nochmal den Ölstand der Aggregate. Er ist der Fachbereichsleiter Elektrotechnik im Leopoldina. Die Vorbereitungsarbeit von ihm und seinem Team hat gefruchtet. Was mit am wichtigsten ist: Kurz bevor der Strom abgeschaltet wird, wird ein Rundruf an alle wichtigen Stellen wie den OP-Bereich und die Notaufnahme abgesetzt. Damit sichert das Team ab, dass gerade kein Notfall vorliegt. Sonst hätte der Strom in diesem Moment nicht abgeschaltet werden können und der Test hätte verschoben oder abgesagt werden müssen. Aber es kann losgehen.
Dafür sorgt auch der Elektrotechnikmeister Rainer Völkel. Auch er wirkt entspannt. "Das ist ja nicht das erste Mal, von daher bin ich relativ ruhig." In den letzten Jahren habe das Krankenhaus viel Zeit und Geld investiert, um für eine möglichst große Sicherheit zu sorgen. Völkel telefoniert über ein internes Telefon mit dem Leitwart der Stadtwerke Schweinfurt. Der Leitwart sorgt dafür, dass das Krankenhaus vom Netz getrennt wird. "Und dann schauen wir, ob die Aggregate anspringen", hatte Eußner zuvor gesagt. Es springt an. Aber was wäre passiert, wenn es nicht funktioniert hätte? Dann hätte Völkel jederzeit dem Leitwart über das Telefon Bescheid geben können. "Das ist der Vorteil von einem Test", meint Eußner.
Warum heißen die Notstromaggregate Tom und Jerry?
Doch Tom und Jerry, die im Keller des Leopoldina stehen, funktionieren. So heißen die beiden Dieselaggregate, benannt nach dem Kater und der frechen Maus aus der Zeichentrickserie. Warum sie so heißen? Zunächst springe das eine Aggregat an, dann synchronisiert sich das andere mit diesem. "Das ist wie bei Tom und Jerry, die Maus rennt los, der Kater hinterher", verrät Eußner das Geheimnis um die Namen. Immer wieder drückt Eußner Knöpfe, telefoniert mit einem der rund 25 Personen, die im Einsatz sind, und kontrolliert mit prüfenden Blicken die beiden Aggregate. "Läuft alles", sagt er. Kritisch hätte dann noch einmal der Moment werden können, in dem die Aggregate nach einer Stunde Laufzeit – so lange dauert grundsätzlich der Notstromtest – wieder abgeschaltet wurden. Aber auch das verläuft reibungsfrei.
Ein Video vom Test im Februar 2017 zeigt eindrucksvoll, wie das Leopoldina von einem auf den nächsten Augenblick dunkel und dann nach und nach wieder heller wird. Inzwischen wird der Test jährlich am ersten Mittwoch im Juli gemacht, da es im Sommer draußen bereits hell ist. Und er findet so früh am Morgen statt, weil zu dieser Zeit normalerweise keine Operationen stattfinden. Warum der Test nicht an einem Sonntag gemacht werde, obwohl da weniger los ist? Sollte etwas nicht passen, könne man an einem Wochentag externe Firmen hinzuholen und die Probleme schnell lösen.
Aber: Nicht überall war der Strom für wenige Sekunden weg. Denn einige Bereiche sind mit einer Batterie ausgestattet. So steht etwa der Strom auf der Intensivstation unterbrechungsfrei zur Verfügung. Auch die Notbeleuchtung funktioniert dauerhaft. Anders in den Räumen der Kinder- und Jugendpsychiatrie und im Verwaltungsgebäude "La Casa". Sie werden nicht mit Notstrom versorgt. "Das sind Gebäude, die keinen Notstrom brauchen", so Eußner. Aber selbstverständlich wird auch dort die Notbeleuchtung mittels Batterien dauerhaft aufrechterhalten.
Echter Stromausfall so genau wie möglich simuliert
Ein bisschen getrickst wurde bei den Vorbereitungen im Labor. Dieses hat zuvor ein eigenes Notstromaggregat erhalten, damit es auch hier nicht zu Unterbrechungen kommt. Denn sonst wären die laufenden Untersuchungen der Proben nutzlos gewesen, was unnötige Kosten verursacht hätte. Diesem nutzlosen Ausfall wollte man entgehen, im Ernstfall sähe es natürlich anders aus. "Der Test soll zwar möglichst reell sein, aber Kleinigkeiten können wir berücksichtigen, um keine großen Schäden zu verursachen", erklärt Eußner. Beim Test im nächsten Jahr soll das aber nicht mehr nötig sein. Bis dahin soll es auch für das Labor eine sogenannte unterbrechungsfreie Stromversorgung geben, die sicherstellt, dass es zu keinen Ausfällen kommt.
Was während des simulierten Notbetriebs passierte? Zwei Mitarbeiter überwachten die Batterieanlagen. Der Schlosser Steffen Bauer war dagegen im Gebäude unterwegs und "resettete die automatischen Türen". Die werden beim Stromausfall, wie auch im Falle eines Brandes, geschlossen. Weit über 50 Türen setzte er zurück. Andere Mitarbeiter kontrollierten die Aufzüge, die vorher teilweise abgeschaltet wurden, weil das abrupte Abbremsen nicht ideal sei.
Fazit: Ein Stromaggregat reicht theoretisch aus
Eine Stunde ist das Krankenhaus "auf Notstrombetrieb gefahren". Um 7 Uhr gehen dann auch dort wieder die Lichter an, wo sie eine Stunde zuvor abgestellt wurden und wo keine Notstrombeleuchtung benötigt wird. Wenn eine Kaffeemaschine mal nicht laufe, sei das nicht so schlimm. Die Notstromaggregate laufen übrigens nicht nur beim jährlichen Test. Einmal im Monat werden sie für eine Stunde gestartet, laufen dabei im sogenannten Netzparallelbetrieb. Aber der Ablauf bei einem richtigen Stromausfall sei ein anderer, deshalb findet einmal jährlich der große, echte Test statt.
Das Fazit: "Einwandfrei, alles hat perfekt funktioniert", sagt Völkel. "Es ist genauso gelaufen wie gedacht", ergänzt Eußner. Feierabend haben sie und das Team danach aber trotzdem noch nicht. Denn ein gewisser Teil, meist irgendwelche Kleinigkeiten, beispielsweise Sicherungen, gehen bei solchen Tests immer kaputt. Aber: Das Leopoldina-Krankenhaus ist für einen Blackout gut gerüstet. Bis zu zehn Tage würde der Dieselvorrat Völkel zufolge reichen, und die Stromversorgung würde auch dann aufrechterhalten werden können, wenn nur eines der beiden Aggregate funktioniert. Dass es zum Ernstfall kommt, hofft aber niemand.
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