24 Uhr: Die Nachtschicht auf der operativen Intensivstation im Leopoldina-Krankenhaus in Schweinfurt läuft. Es wirkt alles erstaunlich ruhig. Von wegen ständiges Gepiepe von Geräten, Hektik, herumwuselnde Menschen, gleißendes Licht, wie man das aus TV-Serien kennt. Das ist Show, die Wirklichkeit ist anders. Hier sollen die Patienten in der Nacht Ruhe finden. Deswegen ist das Licht gedimmt. Die Geräte sind auf Nachtmodus, die Bildschirme abgeschirmt.
Das Team kann über Monitore vor den Zimmern die Daten der Patienten überwachen, bekommt Infos in Echtzeit. Reizabschirmung ist wichtig für die Patienten, betont Prof. Dr. Hauke Rensing, der mit Stationsleiter und Pfleger Andreas Schenker die Arbeit der Station zeigt. Niemand muss mehr ständig ins Zimmer. Es sei denn, ein Alarm geht los. "Man kann schnell reagieren, bei einem Krisenalarm", so Rensing.
Eine von drei Intensivstationen
An die 1100 Patienten werden hier pro Jahr versorgt. 16 Betten hat die Station, zehn in Einzelboxen. Das hat sich bewährt, als hier die Covid-Intensivstation eingerichtet war. Wenn Patienten alleine in einem Zimmer sind, verläuft der Klinikalltag wesentlich ruhiger für sie. Und das erleichtert auch die Arbeit unter Hygiene-Gesichtspunkten.
"Die 16 Betten sind selten leer", sagt der Chefarzt. Die Station ist eine von drei Intensivstationen im Krankenhaus. 48 Pflegekräfte, sechs Ärzte bilden das Team. Hier werden Unfallopfer versorgt, Trauma-Patienten. Orthopädie, Unfallchirurgie, Wirbelsäulen-Chirurgie, Urologie, Gynäkologie: Aus diesen Bereichen kommen die Patienten. Außerdem gibt es im Haus noch die internistische Intensivstation und die Intensivstation für Neugeborene und Kinder.
Station stellt das Reanimationsteam
Fachweiterbildung zum Intensivpfleger: Das lässt sich mit einem Meister in der Industrie vergleichen, sagt Andreas Schenker. Was die Bedeutung angeht, nicht die Bezahlung allerdings. Was fasziniert ihn an seinem Job? "Das ist ein ganz weit gefasstes Feld. Wir sind die Feuerwehr des Hauses." Der Ausdruck Feuerwehr bringt das Aufgabenspektrum auf einer Intensivstation generell gut auf den Punkt. Die Station stellt zudem noch das Reanimationsteam. Bei akuten Problemen, die das Personal auf Normalstation nicht bewältigen kann, ziehen sofort ein Arzt und zwei Pflegekräfte los.
Wie kann so ein Notfall aussehen? Ein Schlaganfall, der Kollaps eines Patienten vor der Tür beim Rauchen, ein Besucher, der zusammenklappt, ein Kollege, der stürzt, ein externer Handwerker, der sich verletzt: Überall da ist der Einsatz der "Feuerwehr" gefragt.
Herausforderung Drei-Schicht-Dienst
Das Team arbeitet in drei Schichten. Vor jedem Wechsel gibt es eine Übergabe. Gab es Veränderungen? Neue Patienten? Neue Medikation? Die nächste Übergabe nach der Nachtschicht ist dann um 7 Uhr früh. Drei-Schicht-Dienst ist eine Herausforderung, sagen Schenker und Rensing. "Man muss 24 Stunden am Tag die gleiche Leistung bringen. Es werden die gleichen Ansprüche an einen gestellt."
Schenker ist es gewohnt, dass ihn Leute fragen, warum er so müde wirkt. Er habe doch schließlich nur drei Nächte gearbeitet. Er sagt den schönen Satz: "Zuhause schlafen ist ein Privileg." Den Geist eine ganze Nacht fit zu halten, ist ganz schön schwer. Vor allem zwischen drei und fünf Uhr, dem extremen Tiefpunkt, den jeder hier kennt. Tipps von den beiden: Viel Wasser trinken, ab und an mal frische Luft schnappen auf dem Stationsbalkon. "Hinsetzen ist ganz schlecht. Und Kaffee hilft nicht immer."
Hellwach sein, egal, wie früh oder spät es ist: Das ist der Anspruch. Schichtarbeit ist eine extreme Belastung für Körper und Geist, sagt Chefarzt Rensing. Nur Nachtschicht arbeiten, wie es früher oft der Fall war, sei auf Dauer nicht gut. Für Rensing ist es auch wichtig, dass jeder in jeder Schicht Routine hat, damit er auf jede Situation reagieren kann. "Jeder Handgriff muss sitzen, wir sind hier in einem extremen Grenzbereich."
Routine. Das Wort fällt öfter beim Rundgang. Rensing hat Wert darauf gelegt, dass alle Beatmungsgeräte die gleiche Bedienoberfläche haben. "Risikominderung", sagt er. Früher gab es vier verschiedene Geräte-Typen, die unterschiedlich zu bedienen waren. "Wir haben genug Geräte", sagt Rensing. Auch während der Covid-Hochphase gab es keine Engpässe.
Was dem Besucher auffällt: Die Einheit ist sehr autark. Mobile Röntgengeräte, mobile Ultraschallgeräte, ein Labor, mit dem ruck-zuck Blutwerte ermittelt werden können. Ohne, dass jemand die Station verlassen muss. Zur Not wird auch am Bett operiert, wenn die Situation so kritisch ist, dass ein Transport in den OP nicht in Frage kommt.
Patienten frühzeitig mobilisieren – das ist extrem wichtig
Extrem wichtig ist es auch, die Patienten frühzeitig zu mobilisieren, sagt Rensing. Wer länger liegt, büßt schnell Muskelmasse ein. "Wenn Sie drei Wochen liegen, können Sie bis zu acht Kilo Muskeln verlieren." Mobilisieren geht zum Beispiel mit einem Bettfahrrad. Damit werden Patienten passiv bewegt. Das geht sogar, wenn sie sediert sind oder beatmet werden.
Im Geräteraum stehen große Würfel, die sich zu einem Sofa im Bett schichten lassen. So kann der Patient sich auf die Seite lehnen. Und es gibt mehrere Mobiletten, das ist eine Art Roll-/Klappstuhl, mit dem sich jemand aufrichten kann. Das ist alles arbeitsaufwendig und zeitintensiv und kommt zur eigentlichen Pflege dazu.
Normalität ist wichtig für die Patienten, sagt Schenker. Dazu gehört, sie auch mal an die frische Luft zu bringen, auf den Balkon, sie wieder die Sonne sehen zu lassen. Mal das Radio anmachen, die Brille aufsetzen, Zeitung lesen lassen. All das helfe, damit die Leute wieder in die Spur finden. "Wir wollen die Patienten ins Leben zurückbringen." Der Grundsatz: So viel wie nötig. So wenig wie möglich. Und das 24 Stunden am Tag.
24 Stunden im Leopoldina-Krankenhaus: Im Rahmen einer Serie stellen wir das Krankenhaus vor, in dem 24 Stunden an den unterschiedlichsten Orten und Bereichen Betrieb ist. Von A wie Apotheke bis Z wie Zentrale Notaufnahme. Dabei geht es auch an Orte, die Patienten und Besucher nicht sehen.