1 Uhr: Viel los, sagt Dr. Andreas Fischbach, Chefarzt der Zentralen Notaufnahme (ZNA) im Schweinfurter Leopoldina-Krankenhaus. Der Besucher merkt davon nichts. Keine Hektik zu spüren, nicht mal in der Kommandozentrale (Fischbach spricht von "Mission Control"). In der ZNA geht es gelassen und ruhig zu. Und effizient. In kürzester Zeit muss das Team klären, ob es bei einem Patienten im wahrsten Sinn des Wortes um Leben und Tod geht. Oder ob der Patient noch etwas warten kann und erst jemand anderes dran kommt, bei dem Sekunden entscheiden.
Herzbeschwerden, Krampfanfälle, ein Sturz: Das hat Menschen in dieser Nacht unter anderem in die Notaufnahme gebracht. 30 000 Notfallpatienten im Jahr weist die Statistik aus, sie lassen sich in Gruppen einteilen: Unfälle, neurologische oder internistische Probleme. Seit November 2019 ist die Zentrale Notaufnahme umgestaltet. Das eigenständige und interdisziplinäre Team arbeitet in neuen Räumen, unterhalb der Klinik. Wer nachts am Krankenhaus vorbeifährt, sieht das rote Schild "Notaufnahme" leuchten.
Eine große Eröffnung hat's nicht gegeben. Coronabedingt. Das Team umfasst 50 Personen – Pflegekräfte und Ärzte. Was auffällt, ist die schiere Größe der Abteilung. Wartebereich, sechs Kabinen, Untersuchungszimmer, zwei Infektionskabinen, zwei Schockräume. Gleich nebendran ist die Radiologie. "Ein großer Vorteil ", sagt Andreas Fischbach. Der Weg vom Schockraum zum CT (Computertomographen) ist kurz. In den Schock- oder Reanimationsräumen werden schwerverletzte Patienten erstbehandelt.
Direkte Verbindung zu Radiologie und Hubschrauberlandeplatz
Ein direkter Weg führt vom Hubschrauberlandeplatz in die ZNA. Für Patienten, die sich oben im Leopoldina an der Rezeption melden, gibt es einen eigenen Eingang, sie müssen nicht nochmal nach draußen. Sie können durch die Klinik direkt in die Notaufnahme laufen. Der Haupteingang ist von der Hennebergstraße zu erreichen. "Ein kluges Konzept", sagt Fischbach. Weiterer Pluspunkt: Patienten können von außen direkt in die Isolationskabinen gebracht werden, sie betreten nicht die Räume der Notaufnahme. Das vermindert schon mal die Übertragungsgefahr bei ansteckenden Krankheiten. Für weitere Effizienz sorgt eine Rohrpost-Leitung ins Labor: Niemand muss mit Proben durchs Haus rennen.
Die wichtigste Aufgabe in der Notaufnahme: Zeitkritische Patienten erkennen. Dafür gibt es einen Farbcode, mit dem die Patienten in Kategorien eingeteilt werden. Der Code:
- Rot = lebensgefährlicher Zustand
- Orange = sehr dringend, Patienten sollten in spätestens zehn Minuten von einem Arzt untersucht werden
- Gelb = dringend, innerhalb von 30 Minuten soll der Patient einen Arzt sehen
- Grün = normale Dringlichkeit, Ziel: innerhalb von 90 Minuten Untersuchung durch einen Arzt
- Blau = kein Notfall
Wie teilt man die Leute in welche Kategorie ein? Atemfrequenz, Blutdruck, Herzfrequenz sind wichtige Kriterien, sagt Andreas Fischbach. Abtasten, abhören, Ultraschall: Damit kann man schon mal einiges ausschließen. Brustschmerz muss nicht unbedingt ein Herzinfarkt sein. Dann kommt das ABCDE der Notfallmedizin in Spiel. Es hängt unübersehbar im Schockraum an der Wand.
A steht für Atemwege sichern/freimachen, Sauerstoffsättigung gewährleisten. "Damit müssen Sie anfangen", sagt Fischbach.
B steht für Breathing (Atmen). Die Atmung wird geprüft, entschieden ob weitere Eingriffe nötig sind, eine Drainage im Brustkorb zum Beispiel.
C bedeutet Circulation (Kreislauf). Der Kreislauf wird überprüft, nach Blutungen gesucht.
Bei D geht es um Disability, den neurologischen Zustand.
E seht für Environment, Umgebung. Wärmeerhalt ist hier ein wichtiger Punkt erklärt Fischbach.
Schritt für Schritt vorgehen
"Erst wenn ein Problem auf einer Stufe beseitigt ist, geht es weiter", sagt Fischbach. Danach fällt die Entscheidung, ob jemand stationär aufgenommen oder ambulant behandelt wird. Die Buchstaben ABCDE stehen auch an den Schränken und Schubladen im Schockraum. Dahinter liegt alles bereit, was für die jeweilige Aufgabe gebraucht wird. Die zentrale Notaufnahme ist ein komplexes System, das sieht man auf den ersten Blick.
Die Kunst ist aber nicht nur, eine Diagnose zu treffen. Die Kunst ist auch, wenig Zeit auf dem Weg dorthin zu verlieren. "Wenn Sie sich zuviel Zeit lassen, kriegen Sie ein Problem", sagt Fischbach. Und auch die Leute, die kein Notfall sind, sollen nicht ewig warten. Trotzdem kommt es zu Wartezeiten. Und auch zu aggressiven Reaktionen von Leuten, die nicht einsehen, warum andere früher dran kommen.
Gerade am Wochenende kommen gerne Menschen, die eigentlich kein akutes Problem haben. Nicht wenige wären beim Hausarzt besser aufgehoben, meint Fischbach. Er stellt aber fest, dass sich viele in den Versorgungsstrukturen nicht auskennen, ihnen nur die Notaufnahme einfällt. Außerdem ist der Einzugsbereich der ZNA groß. Nicht überall gibt es vielleicht überhaupt einen Arzt in der Nähe. Fischbach setzt da für die Zukunft auch auf Aufklärungsarbeit.
24 Stunden im Leopoldina-Krankenhaus: Im Rahmen einer Serie stellen wir das Krankenhaus vor, in dem 24 Stunden an den unterschiedlichsten Orten und Bereichen Betrieb ist. Von A wie Apotheke bis Z wie Zentrale Notaufnahme. Dabei geht es auch an Orte, die Patienten und Besucher nicht sehen.