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Schweinfurt
Klimapartnerschaft mit Bolivien: Warum Schweinfurt und Tarija voneinander lernen können
Die Partnerschaft mit Bolivien ist nicht unumstritten. Bürgermeisterin Sorya Lippert sieht Vorteile für beide Städte. Warum auch die Pflege von diesem Projekt profitieren kann.
Seit 2022 möchten die Städte Tarija und Schweinfurt in einer kommunalen Klimapartnerschaft gemeinsam etwas für das Klima tun. Schweinfurts zweite Bürgermeisterin Sorya Lippert begleitet das Projekt hautnah.
Foto: Steffen Krapf | Seit 2022 möchten die Städte Tarija und Schweinfurt in einer kommunalen Klimapartnerschaft gemeinsam etwas für das Klima tun. Schweinfurts zweite Bürgermeisterin Sorya Lippert begleitet das Projekt hautnah.
Natalia Mleczko       -  Natalia Mleczko ist in Polen aufgewachsen und lebte dann in Rostock. Nach einer Ausbildung und diversen Jobs studiere sie auf dem Zweiten Bildungsweg Politikwissenschaften mit dem Schwerpunkt Internationale Beziehungen im Master an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Seit 2022 arbeitete sie als freie Journalistin. Natalia Mleczko ist seit April 2024 Volontärin bei der Main-Post.
Natalia Mleczko
 |  aktualisiert: 05.12.2023 02:37 Uhr

Die Kommunale Klimapartnerschaft zwischen der Stadt Schweinfurt und Tarija in Bolivien setzt sich das ehrgeizige Ziel, einen aktiven Beitrag im globalen Klimaschutz und der Klimafolgeanpassung zu leisten. Seit knapp zwei Jahren arbeiten die zwei Kommunen gemeinsam an Projektideen – mal hier in Schweinfurt und mal in der 200.000-Einwohner-Stadt in den südlichen Anden. Im Interview spricht Schweinfurts zweite Bürgermeisterin Sorya Lippert, die zu den Initiatorinnen der Partnerschaft gehört, über den aktuellen Stand der Partnerschaft, was weiter geplant ist und wie die Partnerschaft gegen Pflegekräftemangel helfen kann. 

Frage: Wer profitiert mehr von der Klimapartnerschaft –  Schweinfurt oder Tarija?

Sorya Lippert: Wenn es gut läuft, profitieren beide Städte gleichermaßen. Es ist sicherlich so, dass die Partnerschaft vom Bund als Entwicklungsprogramm angedacht wurde und von den Kommunen abgewickelt wird. Das heißt: finanziell wird Tarija bestimmt mehr davon profitieren als Schweinfurt. Wenn wir es aber gut machen, profitieren wir dafür von der Kreativität, wie man mit dem Thema Klima umgehen muss – von Teilen der Welt, die nicht so viel Geld haben.

Wie können so unterschiedliche Städte überhaupt miteinander zusammenarbeiten, wenn es um Klima- und Umweltherausforderungen geht?

Lippert: Wir haben uns bemüht, eine möglichst wenig unterschiedliche Partnerstadt finden. Tarija ist wie Schweinfurt eine Mittelstadt, sie ist ebenso strukturiert in einer ländlichen Umgebung. Auch dort gibt es ein universitäres Leben in der Stadt. Das wollen wir auch verstärken. Es gibt also durchaus Dinge, die uns verbinden können. Natürlich gibt es auch Unterschiede. Das Wichtigste ist aber vielleicht, dass hier wie dort Menschen leben. Das Klima und die Klimakrise sind ein globales Thema. Wir stehen alle vor ganz ähnlichen Herausforderungen, auf die wir etwas unterschiedliche Antworten finden müssen. Wir können von unseren Erfahrungen gegenseitig profitieren.

Denken Sie, dass eine Klimapartnerschaft wirklich etwas an der Klimakrise verändern kann?

Lippert: Natürlich denke ich das. Wenn ich nicht wirklich daran glauben würde, würde ich es auch nicht tun. Ich bin immer eine Freundin davon, in allem im Kleinen anzufangen: Anstöße geben, zum Nachdenken anregen, vom Kleinen ins Große zu kommen. Wir haben in Tarija gesehen, wie sie anders mit dem Themen Müll und der Umweltbildung umgehen. Wir haben zwei Sachen gefunden, wo wir verstanden haben, wo es viel Sinn macht, wenn wir mit gutem Vorbild vorangehen.

Der Bürgermeister von Tarija, Paul Castellanos, ist jeden Freitag in den schwierigen Stadtteilen unterwegs und sammelt dort Müll. Dadurch schafft er bei den Bürgern ein Bewusstsein: Wenn unser Bürgermeister schon Müll einsammeln geht, wollen wir nicht schuld sein, dass dort unser Müll rumliegt. Das ist das Kleine. Die Idee, die Bürgermeister Paul Castellanos begeistert, ist, wenn er nicht nur den Müll sammelt, sondern auch diesen verbrennt, dann hat er was davon. Diese Idee: Müll ist auch eine Ressource, aus Müll lässt sich Energie gewinnen– ist dann groß. Und das sind schon große Sachen.

Wie sind die Reaktionen aus der Bürgerschaft in beiden Klimapartnerstädten? Es wurde ja auch durchaus Kritik geäußert, beispielsweise aufgrund der emissionsintensiven Flugreisen.

Lippert: Es gibt neun deutsche Partnerstädte in diesem Durchgang. Als wir uns das erste Mal getroffen haben, haben wir alle eins gesagt: wir sind etwas beschämt. Unsere Klimapartnerstädte haben uns so ehrenvoll empfangen, dass uns klar wurde, dass wir für unsere Südkommunen die Vertreter der Bundesrepublik Deutschland sind, mit all ihrer Wirtschaftsmacht, mit ihrem Finanzvolumen, mit all ihrer Bedeutung. So einen Empfang hat keine deutsche Kommune gemacht.

Wir als Kommunen verstehen uns nicht primär als Vertreter Deutschlands, wir sind Vertreter unserer Schweinfurter Bürger. Die ersten Reaktionen hier waren allerdings: Was soll der Schmarrn? Zeitungsartikel, die den CO2-Austoß kritisierten. Wir arbeiten im hohen Maße daran, das Bewusstsein dafür zu verändern. Wir müssen verstehen, dass wir ein Teil vom großen Ganzen sind. Der Rechtsruck hat damit was zu tun, dass wir uns selbst genug sind, wenn wir uns nur um uns kümmern, dann ist alles super. Das ist halt nicht wahr, gerade, wenn es das Klima anbelangt. Ich bilde mir ein, dass ich in meinem Umfeld auch durch die Müllsammelei schon ein Bewusstsein dafür wecke. Eine Welt, ein Planet, ein Klima.

Eine weitere Zusammenarbeit wird beim Krankenhauspersonal angedacht. Wie ist der Stand der Dinge aktuell?

Lippert: Als die Tarijenos, so heißen die Einwohner von Tarija,  im Sommer hier waren, haben wir eine gemeinsame Willenserklärung unterschrieben. Wir haben gesagt, die Stadt Schweinfurt und das Leopoldina Krankenhaus gehen das jetzt an. Tatsächlich lernen gerade drei Tarijenos sehr fleißig Deutsch. Dr. Jörg Roche, der eine Professur für Deutsch als Fremdsprache an der Ludwig-Maximilians-Universität München innehat, ist aktuell dort vor Ort, um zu gucken, wie es vorrangeht und wie er unterstützen kann. Der erste Schritt ist gegangen.

Wir müssen uns jetzt um die Anerkennung ihrer Zeugnisse bemühen. Dann müssen wir mit dem Leopoldina aushandeln, auf welche Weise wir es machen wollen. Mein Vorschlag ist: wir lassen sie hier in die Ausbildung gehen. Die haben zwar dort die fertige Ausbildung, wir gehen aber davon aus, dass das Deutsch noch nicht so super sein wird. Es geht auch um Standards. Diese muss man erst übereinanderlegen. Das wäre für mich sinnvoll, auch aus finanziellen Gründen. Im Moment liegt der Ball tatsächlich beim Leopoldina.

Das Krankenhaus hat deren Papiere und wir warten auf das Einladungsschreiben, in dem steht, ob und wie viel Geld sie bekommen, wie es mit der Krankenversicherung aussieht und all diese Dinge. Falls wir es mit dem Ausbildungsvisum machen, dann muss man 12.000 Euro im Jahr hinterlegen, dass diejenigen nie im Leben haben. Wer könnte dies dann zahlen? Das sind so Fragen, die jetzt zu klären sind. Wir hatten das große Glück, dass wir den damaligen Gesundheitsminister Klaus Holetschek für das ganze Thema sensibilisieren konnten.

Seit dem Jahr 2022 besteht die kommunale Klimapartnerschaft zwischen Schweinfurt und Tarija in Bolivien. Im Bild links Bürgermeisterin Sorya Lippert mit Paul Castellanos, dem Bürgermeister von Tarija beim ersten Besuch in Bolivien. 
Foto: Christian Michel Avila | Seit dem Jahr 2022 besteht die kommunale Klimapartnerschaft zwischen Schweinfurt und Tarija in Bolivien. Im Bild links Bürgermeisterin Sorya Lippert mit Paul Castellanos, dem Bürgermeister von Tarija beim ersten ...
Welche sind die nächsten Schritte in der Klimapartnerschaft?

Lippert: Oberbürgermeister Sebastian Remelé reist im März nach Tarija. Die offizielle Delegation wird unter anderem aus dem OB und dem Leiter unseres Müllheizkraftwerks, Ragnar Warnecke, bestehen. Die Tarijenos sind sehr konkret dabei, dort etwas ähnliches aufzubauen. Und das Zweite, was wir gemacht haben, ist auf ihre Trinkwasserversorgung zu gucken. Sie haben dort ein Problem, das sie nicht lösen konnten. Nadine Scheyer, unsere Leiterin der Stadtentwässerung, hat das Wasser untersucht. Sie wird hinfahren und konkret vor Ort gucken, wo das Problem liegt und was zu machen ist, um dies in Ordnung zu bringen.

Die Drei würden kurz vor Ostern fahren und ich würde Ende Februar fahren, um den Besuch vorzubereiten. Es gibt noch einen dritten Aspekt:  den der schulischen Zusammenarbeit. Es gibt die Kooperation zwischen dem Olympia-Morata Gymnasium und einer deutschen Schule in Tarija, wo verstärkt Deutsch gelernt wird. Eine Lehrerin dort unterrichtet auch die Krankenpflegeschüler. Da sind wir wieder, um den Bogen zu schaffen: das Thema Umweltbildung muss an Schulen und Kindergärten stattfinden. Die Kinder müssen ihre Eltern drängeln: Müll spielt eine Rolle, Plastik ist böse.

 Wie sieht die Zukunft der Zusammenarbeit aus?

Lippert: Die zwei Jahre sind nur die Vorbereitungsphase. Die wirkliche Arbeit kommt dann. Angedacht ist, dass wir Mitte nächsten Jahres ein gut ausgearbeitetes Handlungsprogramm haben. Das heißt, wenn der OB, Ragnar Warnecke und Nadine Scheyer nach Ostern zurückkommen, werden wir exakt Wissen, was in Tarija investiert wird. Als städtische Gegeninvestition wollen wir für die Kindergärten und die Schulen so eine Art Umweltbildungsmobil entwickeln.

Wir müssen überlegen, wo wir genau unser grünes Band anlegen, weil zwanzig Prozent der Fördergelder bleiben hier. Wir würden gern in eine Mischung in Umweltbildung und grünes Band investieren. Und dann gibt es eine Art Businessplan. Es wird geklärt, wie viel Geld gebraucht wird. Dann wird uns das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit helfen die Förderanträge für die Bundesgelder zu stellen. Dann erst geht es mit der richtigen Arbeit los.

 
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