Die Meldung über die Schließung des Schweinfurter St. Josef Krankenhauses schlägt in der Region nach wie vor Wellen. Nicht nur im Stadtgebiet blicken viele mit Sorge auf die möglichen Auswirkungen auf die medizinische Versorgung – auch im Umland stellt man sich die Frage: Wer soll die drohende Versorgungslücke schließen? Immerhin stellen steigende Kosten und der Fachkräftemangel auch umliegende Kliniken zunehmend vor Herausforderungen.
Auch im Krankenhaus Markt Werneck blickt man offenbar mit Sorge auf die Zeit nach dem 31. Dezember, wenn das St. Josef als Versorger wegfällt. "Wir haben jetzt den Gau, den größten anzunehmenden Unfall, der mit Ansage zum 31.12. eintreten wird, dass ein mittelgroßes Haus ausscheidet", sagt Wolfhard Walde, Vorstand des Kommunalunternehmens Krankenhaus Markt Werneck.
Wie viele habe auch ihn vor allem die Kurzfristigkeit der Schließung überrascht. Denn gerade die sei es, die das Marktkrankenhaus und andere Kliniken in der Region, die die Versorgungsleistung des St. Josef künftig ausgleichen müssten, jetzt vor Probleme stellen dürfte, befürchtet Walde. "Wir werden hier am lebenden Beispiel erleben, was es bedeutet, wenn man mal eben – in Betten gerechnet – 25 bis 30 Prozent der Kapazität von heute auf morgen ungesteuert vom Markt nimmt", sagt er.
Geplante Kooperation mit St. Josef geplatzt
Seiner Ansicht nach fehle es an klaren Absprachen und einem gemeinsamen Fahrplan. "Es bräuchte mehr Vorlauf und vor allen Dingen Planungssicherheit. Aber die sehe ich im Moment für keinen von uns. Die Bremsspur ist viel zu kurz", kritisiert Walde. Besonders bitter: Eigentlich sei eine Kooperation zwischen dem Marktkrankenhaus und dem St. Josef in Planung gewesen. Gemeinsame Versorgungssysteme und eine engere Zusammenarbeit in den Bereichen Logistik und Einkauf hätten beiden Häusern einiges an Kosten sparen sollen, sagt Walde. Das sei nun hinfällig.
Nach Einschätzung des Ärztlichen Kreisverband Schweinfurt bricht mit der Schließung des St. Josef das drittwichtigste Krankenhaus in der Region Main-Rhön, nach dem Leopoldina in Schweinfurt und dem Rhön-Klinikum in Bad Neustadt, weg. Diese Lücke zu schließen, dürfte für umliegende Häuser "temporär sehr schwierig" werden, befürchtet Wolfhard Walde.
So müssten sich gerade Patientinnen und Patienten in der Notaufnahme in Schweinfurt künftig wohl auf längere Wartezeiten einstellen, sagt er. Aber auch in einigen Fachbereichen könnte es eng werden. "Der reale Ausfall wird wohl in der Inneren Medizin zu verorten sein. Internistisch, neurologisch – da werden sich die Lücken auftun", sagt Walde.
St. Josef versorgt rund 40 Prozent der Herzinfarkte in der Region Schweinfurt
Immerhin würden derzeit nach Angaben des Ärztlichen Kreisverband Schweinfurt im St. Josef rund 30 bis 40 Prozent aller Herzinfarkte in Stadt und Landkreis versorgt. Eine Aufgabe, die sich künftig an das Leopoldina und die Geomed-Kreisklinik in Gerolzhofen verlagern müsse.
Im belegärztlich geführten Marktkrankenhaus könne man dazu keinen Beitrag leisten, sagt Walde. Denn für die Versorgung von Herzinfarkt-Patientinnen und Patienten bräuchte es eine Intensivstation – die gebe es im Marktkrankenhaus jedoch nicht. Auch eine akute Versorgung von Schlaganfällen könne im Marktkrankenhaus nicht erfolgen. "Dafür braucht es eine 'Stroke Unit' und die haben wir nicht", sagt Walde.
Auf 40 Planbetten versorge man im Marktkrankenhaus jährlich knapp 1700 Patientinnen und Patienten stationär, sagt Walde. Hinzu kämen gut 5000 ambulant belegärztlich versorgte Patientinnen und Patienten. Vor dem Hintergrund der Schließung des St. Josefs halte er aber eine Aufstockung um bis zu 15 zusätzliche Betten grundsätzlich für machbar, sagt Walde.
Auch im Bereich der Chirurgie habe man noch Kapazitäten. Zudem könne er sich gut vorstellen, die HNO-Versorgung durch Belegärzte künftig am Marktkrankenhaus anzusiedeln. Dafür bräuchte es allerdings zusätzliche Eingriffsräume, die sich mittels Containern aber recht unproblematisch bereitstellen lassen dürften, so Walde. Personaltechnisch hoffe man längerfristig auch Mitarbeitende des St. Josef übernehmen zu können.
Akute Unterversorgung nicht in Aussicht
Kurzfristig dürfte die Umverteilung der Patientinnen und Patienten die Region durchaus vor Herausforderungen stellen, meint Walde. "Das Problem ist die Reaktionszeit und dass die Zielpunkte nicht definiert sind", sagt er. Die Kliniken bräuchten Zeit, um die benötigten Aufnahmekapazitäten zu schaffen.
Dass die Region mit der Schließung des St. Josef akut in eine Unterversorgung rutschen könnte, befürchte er dennoch nicht. Grundsätzlich seien im Landkreis durchaus noch Kapazitäten vorhanden. Doch es bräuchte Investitionen, meint Walde.
"Eines ist ganz klar: Wir können nicht zum Nulltarif Patienten übernehmen", sagt er. Um die medizinische Versorgung in der Region weiterhin hochzuhalten, müssten Budgets aufgebohrt und bauliche Maßnahmen an den übrigen Häusern finanziert werden, so Walde. Andernfalls sehe es düster aus, befürchtet er: "Wenn die Region weiter ausblutet, wird es ganz schwierig. Ein System, das auf null Reserven ausgelegt ist, ist im Krisenfall nicht mehr handlungsfähig."
Weitere Häuser zu verlieren, könne man sich nicht leisten. Dabei stehe es um viele finanziell schlecht. So reichen die Einnahmen, die die Kliniken für die Behandlungen von den Krankenkassen bekommen, nach wie vor nicht, um die Kosten zu decken, sagt Walde. Auch das Marktkrankenhaus habe mit dem strukturellen Defizit zu kämpfen. "Ich rechne mit 300 Euro, die uns pro Fall fehlen", sagt Walde.
Dabei verkörpere sein Haus als "Integrativversorger" genau das, was von der Krankenhausreform gewünscht sei: eine sektorenübergreifende Versorgung, die stationäre und ambulante Leistungen verbindet. Sollte sich an der Kostenstruktur nichts ändern, sei allerdings auch die Zukunft des Krankenhauses Markt Werneck ungewiss, meint Walde: "Noch haben wir Eigenkapital, aber wenn das aufgebraucht ist, wird es auch für uns ganz schwierig."
Anmerkung der Redaktion: In einer vorherigen Version dieses Artikels war zu lesen, dass das Krankenhaus Markt Werneck unter anderem wegen einer fehlenden 'Stroke Unit' keinen Beitrag zur akuten Versorgung von Herzinfarkten leisten kann. Eine Stroke Unit kümmert sich allerdings nicht um Herzinfarkte, sondern um die Versorgung von Schlaganfällen. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.
vielen Dank für den Hinweis. Das Zitat war im Gespräch zwar wie oben zitiert gefallen, allerdings wurde auf Nachfrage bei Herrn Walde nun klar, dass er an dieser Stelle in der Tat die Versorgung von Schlaganfällen meinte. Die Versorgung von Herzinfarkten bezog sich auf die fehlende Intensivstation.
Ich habe die betreffende Stelle nun korrigiert und bitte den Fehler zu entschuldigen.
Mit freundlichen Grüßen
Désirée Schneider (Autorin)
HNO-Operationen werden mittlerweile zum größten ambulant durchgeführt und ist für Krankenhäuser und deren Struktur ein "Drauflegegeschäft" somit wird das Eigenkapital bald aufgebraucht sein.
vielen Dank für den Hinweis bezüglich der Stroke Unit. Auf Nachfrage hat sich herausgestellt, dass hier im Gespräch etwas durcheinandergekommen war. In der Tat meinte Herr Walde an dieser Stelle eigentlich die Versorgung von Schlaganfällen. Die Versorgung von Herzinfarkten bezog sich auf die fehlende Intensivstation.
Ich habe die betreffende Stelle korrigiert und bitte den Fehler zu entschuldigen.
Mit freundlichen Grüßen
Désirée Schneider