
Am 23. Juli gab die Kongregation der Schwestern des Erlösers aus Würzburg bekannt, dass sie das Krankenhaus St. Josef in der Schweinfurter Innenstadt nach 93 Jahren zum Jahresende schließen muss. Der Grund: Der Orden kann sich aufgrund der Unwägbarkeiten bei der Finanzierung der deutschen Krankenhäuser den Betrieb nicht mehr leisten. 800 Mitarbeitende müssen sich eine neue Betätigung suchen.
Doch warum sind die Erlöserschwestern rund ein Jahr vorher aus der Kooperation mit dem Leopoldina-Krankenhaus ausgestiegen, dem sogenannten "Schweinfurter Modell"? Damals hatte der Orden "weltanschauliche Gründe" angegeben, warum ihm eine Zusammenarbeit mit dem Leopoldina-Krankenhaus unter einer Trägerschaft mit zwei Gesellschaftern nicht möglich sei.
Angegeben als Beispiel für unterschiedliches Werteverständnis wurde damals das Thema Abtreibungen. Im Zuge der jetzigen Entscheidung, das Krankenhaus zu schließen, nachdem ein Verkauf an einen anderen Träger gescheitert ist, gab es unter anderem im Schweinfurter Ferienausschuss starke Kritik an den Erlöserschwestern.
Die frühere Landtagsabgeordnete und SPD-Stadträtin Kathi Petersen brachte die Kritik so auf den Punkt: "Natürlich muss man als Kongregation die christlichen Werte hochhalten, aber man kann nicht die Binnenmoral gesellschaftlich verpflichtend machen." Gegen diesen Vorwurf wehrte sich der Geschäftsführer der Kongregation, Martin Stapper, vehement. Und der Orden veröffentlichte kürzlich diesbezüglich eine eigene Stellungnahme auf seiner Homepage, in der man sich explizit gegen die Kritik wehrt.
Als katholisches Krankenhaus christlichen Werten verpflichtet
Es sei bereits zu Beginn der Gespräche zum "Schweinfurter Modell" mit dem Leopoldina-Krankenhaus klar gewesen, "dass die Kongregation ein Ein-Träger-Modell nicht mitgehen kann", heißt es. Als katholisches Krankenhaus sei man christlichen Werten und dem Kirchenrecht verpflichtet.
Auch der assistierte Suizid wäre, "sofern er gesetzlich verankert werden sollte, ein weiteres Ausschlusskriterium für uns als christliche Ordensgemeinschaft". Die Kongregation schreibt, die Stadt habe bestätigt, dass ein kommunaler Träger beispielsweise Schwangerschaftsabbrüche nicht ausschließen dürfe und auch deshalb sei das Zwei-Träger-Modell entwickelt worden, heißt es von Seiten des Ordens.

Als der von beiden Seiten beauftragte Professor Norbert Roeder in seinem medizinischen Gutachten erklärte, dass die Krankenhausversorgung in Schweinfurt langfristig nur mit dem Ein-Träger-Modell funktionieren kann, "haben wir uns im Oktober 2023 schweren Herzens entschieden, die Trägerschaft unseres Krankenhauses St. Josef an die Stadt Schweinfurt abzugeben, damit das 'Schweinfurter Modell' umgesetzt und damit die Gesundheitsversorgung langfristig gesichert werden kann", schreiben die Erlöserschwestern.
Die Stadt sah sich allerdings aus finanziellen Gründen nicht imstande, das Krankenhaus St. Josef alleine zu übernehmen. Eine Risikoabwägung, die auch beim Bezirk Unterfranken eine Rolle spielte, der im Juli entschied, St. Josef nicht zu übernehmen.
Finanzielle Rahmenbedingungen von Bund und Ländern zu unsicher
Die Kongregation betont als Fazit: "'Das Schweinfurter Modell' ist nicht an der Frage der Schwangerschaftsabbrüche gescheitert oder an dem fehlenden Gesellschafteranteil der Kongregation, sondern daran, dass die derzeitigen und künftigen finanziellen Rahmenbedingungen von Land und Bund die sinnvolle Veränderung der Krankenhausstrukturen in und um Schweinfurt verhindern."
Das Krankenhaus, in dem derzeit gut 150 von 272 Betten belegt sind, soll nach Aussage des Ordens bis Ende Dezember betrieben werden: "Nach wie vor sind wir gewillt, die uns anvertrauten Menschen bis zum Jahresende medizinisch optimal zu versorgen." Der Geschäftsführer des Leopoldina-Krankenhauses, Jürgen Winter, hat angekündigt, man werde alles tun, "um keine spürbare Versorgungslücke entstehen zu lassen".
Im Leopoldina werden kurzfristig 80 Betten aufgebaut, in der Geomed-Klinik 20. Die Palliativstation am Josefs-Krankenhaus wird in den bestehenden Räumen vom Leopoldina übernommen, die Akut-Geriatrie zunächst in Gerolzhofen angesiedelt. Auch die Schülerinnen und Schüler der Krankenpflegeschule haben eine Perspektive.
Schuldzuweisungen, Verdächtigungen, Anklagen - nur zu menschlich sind die Reaktionen in den Kommentaren.
Doch wo bleibt das Interesse am Patienten, an den Angehörigen, am Menschen?
Keine Parkplätze, kein sinnvoller ÖPNV und ewige Wartezeiten in der Notaufnahme am Leopoldina - ist das die Vorstellung von menschenwürdiger Versorgung?
Verlegung von Patienten nach GEO? Mehr Parkplätze - ja, aber dafür noch viel viel weniger ÖPNV.
Wird dann vielleicht sogar am LEO oder in GEO in ein zwei Jahren ein Erweiterungsbau fällig?
Ein Millionengrab, weil man jetzt zu kurzsichtig denkt und sich auf das Gutachten eines Einzelnen verläßt?
Auch Gutachter denken nur in Zahlen und sind am Menschen nicht interessiert.
Gleiches jetzt auf die Schwestern herunterzubrechen, verbietet sich von selbst. Gewinnstreben, wie beim LEO, steht hier sicherlich nicht im Vordergrund.
Und da hat Menschlichkeit eben doch seine Grenzen.
Gerhard Fleischmann
Ich finde, dass Bürgermeister und Stadtrat richtig entschieden haben.
Die weltanschaulichen Differenzen so lange vorzuschieben, lässt einen ganz faden Beigeschmack der Scheinheiligkeit zurück.
Das Hinhalten der Beteiligten (vorallem der Mitarbeiter) ist aber die größte Schande.
Unter diesen schlechten Rahmenbedingungen hätte das Schweinfurter Modell nie so lange diskutiert werden dürfen. Sowohl die Kongregation als auch die Stadt wussten doch nicht erst seit Januar diesen Jahres, dass keiner Kohle ohne Ende hat.
Aber auch das war wohl Kalkül...
M. Lerm
Man sollte endlich eine Regierung wegjagen, die das gesamte Gesundheitssystem nur noch dem „Profit“ vergibt, keine Spur mehr sozialen Elementen. Und so bleibt weiter die bis dato nicht gestellte Frage. Welcher Investor steigt am 1.1.2025 ein und was hat er vor? Schweinfurt wird auf jeden Fall ein neues Gesicht erhalten.
Als Die Linke 2021 einen Systemwechsel in der Krankenhausfinanzierung forderte fand sie im Bundestag keinerlei Unterstützung.
https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2021/kw25-de-krankenhauser-846972
Die derzeitigen gesetzlichen Rahmenbedingungen für das Gesundheitswesen schafft die Politik durch Gesetze und Verordnungen.
Den Erlöser-Schwestern jetzt den schwarzen Peter allein zuzuschieben, ist nicht ganz fair! Die Schließung von Krankenhäusern scheint politisch gewollt zu sein und wird auch hingenommen. Es wird sich zeigen, mit wieviel Engagement und finanziellem Kraftaufwand die örtliche Politik zur Rettung des Sankt Josefs-Krankenhauses beitragen wird. Vermutlich wird es finanziell und wirtschaftlich nicht möglich (stemmbar) sein, vor dem Hintergrund der Zuständigkeit. Den Erlöser Schwestern will man aber gleichzeitig zumuten, ein Defizit auf Jahre hin auszugleichen.
Die Ungerechtigkeit liegt ganz woanders, aber sicher nicht bei den Schwestern! Die Politik muss im Gesundheitswesen ganz viele Hausaufgaben erledigen für eine angemessene Gesundheitsversorgung vor Ort!
Macht die Sache letztendlich natürlich nicht besser und ja - der Orden hat sich einen Teil der Kritik definitiv verdient, schon allein durch die sehr schwammige Kommunikation während des Verbundvorhabens bzw schon durch das anfänglich aufgezeigte und völlig grenzdebile Ur-Modell des Verbunds.
Schon da wurde viel Kredit & Vertrauen der eigenen Belegschaft verspielt.
M. Lerm
In den letzten eineinhalb Jahren haben in Deutschland wegen unzureichender Finanzierung durch die Krankenkassen aufgrund vollkommen an den Realitäten vorbeigehender gesetzlicher Rahmenbedingungen viele, gerade kleinere Kliniken geschlossen! (Siehe früherer Kommentar von mir in einem anderen Artikel zu dem Thema)
Auch die Erlöserschwestern haben keinen Goldesel zum abzapfen!
Das Josef ist beileibe nicht das erste - und wird leider mit Sicherheit auch nicht das letzte Krankenhaus sein, das schließt - schließen muss, weil vom permanenten darauflegen keiner leben kann, ob christlich oder nicht!
Statt den „schwarzen Peter“ zwischen den „Erlöserschwestern“, der Stadt und den Land hin und her zuschieben, sollte sich gegen die Privatisierungen ausgesprochen werden und die Gesundheitsversorgung wieder zur grundlegenden Daseinsvorsorge zugeordnet werden wofür Staat und Kommunen verantwortlich sind. Damit sind zwar nicht alle Probleme im Gesundheitswesen gelöst, aber es ist ein Signal, dass wir nicht länger hinnehmen unsere Gesundheit zum Spielball von Investoren und Spekulanten zumachen.
Stadt und Orden haben das jeweilige finanzielle Risiko (Stadt Scheinfurt: Nichtübernahme von St. Josef; Orden: Fortführung von St. Josef unter der bisherigen Trägerschaft) abgewogen.
Wer aber wie der Orden erst „weltanschauliche Gründen“ für das Scheitern der Trägerschaft mit 2 Gesellschaftern vorgibt, jetzt argumentiert, dass diese Entscheidung nicht an der Frage der Schwangerschaftsabbrüche gescheitert sei, verliert nicht nur an Glaubwürdigkeit. Das Josefs Krankenhaus hat einen Versorgungsauftrag und hat den auch in der Frauenheilkunde zu erfüllen. Das musste in NRW auch der mächtige Kardinal Meißner per Brief aus dem Ministerium einsehen, der die Pille danach auch bei Vergewaltigung in den kath. Krankenhäuser verbieten wollte. Der Versorgungsauftrag ist vollumfänglich zu leisten.