Vor etwa einem Monat hat diese Redaktion erstmals über die Vorwürfe gegen die Gemeinschaft "Go&Change" berichtet, die in Lülsfeld (Lkr. Schweinfurt) ein ehemaliges Kloster bewohnt. Einstige Mitglieder hatten über psychischen Druck, sexualisierte Gewalt und Drogenmissbrauch berichtet. "Go&Change" stritt die Anschuldigungen ab und sprach von einer Diffamierungskampagne. Was ist in der Zwischenzeit passiert?
Kurz nach Erscheinen des ersten Artikels über "Go&Change" hat die Staatsanwaltschaft Schweinfurt "Vorermittlungen von Amts wegen" aufgenommen. Dabei geht es um die Frage, "ob es im Umfeld der Gruppierung zu Straftaten gekommen ist". Inzwischen führt die Kriminalpolizei Schweinfurt die Untersuchung. Diese dauere weiter an, hieß es in dieser Woche auf Nachfrage. Auch im Jugendamt Schweinfurt ist "Go&Change" Thema. Nach Informationen der Redaktion haben Aussteiger der Behörde vom Umgang der Gemeinschaft mit Kindern berichtet, die in dem ehemaligen Kloster leben. Details dazu wurden nicht bekannt.
Die Gemeinde
Am Dienstag fand in Lülsfeld die erste Gemeinderatssitzung nach Bekanntwerden der Vorwürfe statt. Das Gremium tagte in öffentlicher und nicht öffentlicher Sitzung. Da kein entsprechender Antrag eingebracht worden sei, sei "Go&Change" "kein Thema in der jüngsten Gemeinderatsitzung" gewesen, so Bürgermeister Thomas Heinrichs auf Nachfrage.
Anders tags zuvor in Gerolzhofen – zumindest indirekt: In der nur wenige Kilometer von Lülsfeld entfernten Stadt betreibt "Go&Change" bereits seit Februar 2020 einen kleinen Bio-Laden. Nun steht ein Umzug in größere Räumlichkeiten an: Wo zuletzt das Kleine Stadttheater Gerolzhofen residierte, will die Gemeinschaft einen Naturwarenladen mit integriertem Café eröffnen. Einer entsprechenden Nutzungsänderung hat der Bauausschuss am Montagabend einstimmig zugestimmt. Dass hinter dem Projekt "Go&Change" steht, wurde im öffentlichen Teil der Sitzung nicht thematisiert. Derzeit laufen bereits Umbauarbeiten in dem Gebäude in der Stadtmitte.
Die Kongregation der Schwestern des Erlösers hat das Kloster "Maria Schnee" in Lülsfeld vor rund drei Jahren an "Go&Change" verkauft. Im Raum stand damals ein Kaufpreis von rund 400 000 Euro. Inzwischen haben die Erlöserschwestern auf eine Anfrage der Redaktion vom Mai reagiert. In ihrer Antwort erklären sie, sie hätten bis heute keinen Grund, den Verkauf ihres Klostergebäudes an "Go&Change" zu bereuen. Der Erstkontakt zu der Gemeinschaft sei über einen Immobilienmakler zustande gekommen. Die Ansprechpartner von "Go&Change" hätten ihr damaliges Konzept erläutert und "in großer Offenheit unsere Fragen" beantwortet.
Die Erlöserschwestern betonen weiter, dass sie mit "Go&Change" in den vergangenen drei Jahren gute Erfahrungen gemacht hätten. Sie würden "die bestehenden Verbindungen und Erfahrungen nicht verleugnen". Zudem würden noch vereinzelte Kontakte zu ehemaligen Mitgliedern der Gemeinschaft bestehen, die auch nach deren Ausscheiden nicht abgebrochen seien.
Nach wie vor erreichen die Redaktion viele Zuschriften zu "Go&Change". Sie stammen meist von ehemaligen Bewohnern und Gästen der Gemeinschaft. Aussteigerinnen und Aussteiger, die der Gemeinschaft kritisch gegenüberstehen, lieferten weitere Informationen. Ebenso meldeten sich andere Personen, die unterschiedliche Berührungspunkte zu "Go&Change" haben, und äußerten aufgrund ihrer Beobachtungen und Erfahrungen weitere Kritikpunkte.
Demnach waren sie zum Teil verwundert über die positiven Berichte einstiger Bewohner, die die Redaktion ebenfalls erreichten und von "Go&Change" gestreut und auf einer eigens eingerichteten Internetseite veröffentlicht wurden.
Bei den Unterstützern der Gemeinschaft löste die Berichterstattung teils heftige Reaktionen und Emotionen aus. In E-Mails an die Redaktion wurden Forderungen nach einer "Richtigstellung" laut, häufig wurden "Verleumdung", "Diffamierung" oder "Rufschädigung" unterstellt. Es gibt aber auch teils sehr ausführliche Schreiben, die durch ergänzende "Fakten" überzeugen möchten.
Die Gemeinschaft selbst hält sich in Lülsfeld derzeit im Hintergrund, heißt es. Auf der genannten Internetseite veröffentlichte "Go&Change" allerdings ein Schreiben an die beiden kirchlichen Weltanschauungsbeauftragten Jürgen Lohmayer aus Würzburg und Matthias Pöhlmann aus München, die "Go&Change" besucht hatten und vor der Gemeinschaft öffentlich warnen. Nach dem jüngsten Interview, das Lohmayer und Pöhlmann der Redaktion gegeben haben, habe man "den letzten Glauben darin verloren, dass Sie an dieser Stelle christliche Werte vertreten", schreibt "Go&Change"-Geschäftsführer Felix Krolle. Er unterstellt ihnen "öffentliche Diffamierungen" und gibt "ein weiteres Mal Gelegenheit zu einem konstruktiven Dialog".
Auch an die Redaktion hat sich Krolle gewandt. In einer E-Mail beschwert er sich, dass "Go&Change" "nicht gehört" und "nur bruchstückhaft wiedergegeben" werde. Fragen, die die Redaktion wiederholt an "Go&Change" stellte, bleiben darin weiter unbeantwortet. Krolle schlägt stattdessen "mit anderen ein gemeinsames Gespräch" vor – etwa mit YouTuber Rezo. Die Redaktion hat nun ein weiteres Mal ein Interview mit K.K., dem Kopf der Gemeinschaft, angefragt.
Mitarbeit: Klaus Vogt