
Es ist der dritte Anlauf für die Aussage von Felix Krolle. Beim ersten Mal hatte die Nummer zwei der Gemeinschaft "Go&Change" nach einem Rechtsbeistand verlangt. Beim zweiten Mal in diesem Prozess vor dem Landgericht Schweinfurt klagte der Kopf der Gemeinschaft, Kai K, über Zahnschmerzen. Die Verhandlung musste unterbrochen werden. Krolle wurde wieder heimgeschickt.
An diesem Montag nun soll der Mitgründer der in Lülsfeld (Lkr. Schweinfurt) ansässigen Gemeinschaft endlich seine Aussage in dem Prozess gegen Kai K. machen. Dieser soll eine Frau mehrmals vergewaltigt, geschlagen und bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt haben.
Doch Krolles Aussage platzt erneut. Dieses Mal ist es seine Anwältin, die fehlt. Und ohne sie will der 37-Jährige nichts sagen. In einer Nachricht an das Gericht bedauert die Anwältin, nicht zum Verhandlungstermin geladen worden zu sein und so kurzfristig nun keine Zeit zu haben. Die Vorsitzende Richterin Claudia Guba weist – spürbar unerfreut – Krolle darauf hin, dass eine Ladung der Anwältin nicht erfolge. Sie werde nicht vom Gericht bestellt. Der Mandant müsse sie selbst über den Termin informieren.
Standpauke für einen Zeugen im Prozess am Landgericht Schweinfurt
Kurz wird es hitzig – wie so oft in diesem Verfahren. Es steht im Raum, Krolle ein Ordnungsgeld zu verhängen, Guba spricht sogar von möglicher Beugehaft. Schließlich entscheidet sich die Kammer dagegen – um nicht weiter Öl ins Feuer zu gießen, so die Erklärung. Stattdessen gibt es eine letzte Chance und eine Standpauke für Felix Krolle: "In dem Verfahren geht es nicht um Sie", sagt die Richterin. "Es ist nicht so, dass wir auf den Tag warten, an dem Ihre Anwältin Lust hat."
Der Mitbegründer von "Go&Change" ist als Zeuge jetzt für den 17. Mai geladen.
Aussagen von zwei Zeuginnen über Nebenklägerin und Leben in der Gemeinschaft
Zustande kommen am zwölften Verhandlungstag vor dem Landgericht Schweinfurt die Aussagen von zwei Frauen. Immer wieder weist die Vorsitzende im Laufe des Verfahrens darauf hin, worauf es in Zeugenaussagen ankommt: auf den mutmaßlichen Tatablauf im Mai 2023. Ebenfalls wichtig sei klarzumachen, was die Zeuginnen und Zeugen selbst erlebt und erfahren haben - und nicht durch Hörensagen.
Eine Zeugin, die sich der Gemeinschaft zugehörig fühlt, sagt, sie könne sich kein Szenario vorstellen, in dem Kai K. die Frau vergewaltigt haben könnte. "Sie wollte so viel erleben wie es geht", sagt die Zeugin über die Geschädigte – eine Familie gründen, eine Beziehung mit Kai K., Sex mit möglichst vielen Männern.
Die 30-jährige Nebenklägerin habe offen über "Vergewaltigungsfantasien" gesprochen, schildert die Zeugin vor Gericht: "Sie wollte, dass man ihr mit Gewalt begegnet." Richterin Guba stellt darauf hin klar: "Selbst wenn jemand 100 Mal hemmungslosen Sex hat, kann man sich beim 101. Mal dagegen verwehren."
Die Aussage der Zeugin reiht sich ein in die bisherigen Schilderungen anderer, der Gemeinschaft nahe stehender Zeuginnen und Zeugen. Die Rede ist von Stimmungsschwankungen und Provokationen des mutmaßlichen Opfers. Unter anderem deshalb sei die Frau etwa 15 Mal aus dem ehemaligen Kloster in Lülsfeld hinausgeworfen worden.
Angeklagter arbeitete Zeugin zufolge mit "Druck und Manipulation"
Eine weitere Zeugin zeichnet ein anderes Bild - und schildert den "Druck und die Manipulation", mit der Kai K. gearbeitet haben soll. Sie habe "zum engsten Kreis" um den 42-Jährigen gehört, der in der Gemeinschaft die Stellung eines Gurus innehat. Später sei sie bei ihm in Ungnade gefallen. Um "Heilung" zu erlangen, sollte sie mit mehreren fremden Männern ungeschützten Geschlechtsverkehr haben. "So hart wie möglich", habe die Anweisung des Angeklagten gelautet. Davon sollte sie Videos an Kai K. schicken.
Kai K. habe ihr angedroht, die Gemeinschaft verlassen zu müssen, wenn sie sich den Anweisungen widersetze, sagt die Zeugin. Sie sei den Anweisungen im März 2022 gefolgt, um Teil von "Go&Change" bleiben zu dürfen, weil sie viele der Menschen dort "liebgewonnen" habe. Inzwischen hat sie die Gemeinschaft verlassen. Kai K. runzelt während ihrer Aussage die Stirn.
Auch die Geschädigte soll bei dieser Episode dabeigewesen sein und ähnliches durchlebt haben. "Es war einfach nur würdelos", sagt die Zeugin rückblickend. "Ich möchte nicht, dass ich oder irgendeine andere Frau so behandelt werden." Sie hat sich nach der Anklageerhebung an die Ermittlungsbehörden gewandt, um gegen den 42-Jährigen auszusagen.
Mögliche Verlegung von Kai K. ist erneut Thema im Gerichtssaal
Schließlich geht es in der Verhandlung an diesem Vormittag erneut auch um eine mögliche Verlegung von Kai K. in ein anderes psychiatrisches Krankenhaus. Wieder seien ihm wichtige Arzttermine nicht ermöglicht worden, bringt der 42-Jährige vor. Schon vor Wochen monierten seine Anwälte, K. werde in seiner derzeitigen Unterbringung "demütigend, herabwürdigend und vollkommen unsachlich" behandelt. Sie beantragten erneut eine Verlegung. Der Vorsitzenden Richterin zufolge wird diese Frage außerhalb der Hauptverhandlung besprochen.
Der Prozess wird am 10. Mai um 9 Uhr fortgesetzt.