Mittwochnachmittag, 16 Uhr am Ortsrand der Gemeinde Schonungen: Vom Wohngebiet "Am Forster Weg" sind es nur ein paar wenige hundert Meter den Hang hinab zum Main. Eine Strecke, die Anwohnerinnen wie Vera Endres täglich zurücklegen, wenn sie die Wohnsiedlung am östlichen Ortsrand verlassen, um zu den Sportplätzen samt Nahversorgern im Gewerbegebiet "Tiefer Graben" gegenüber zu gelangen.
Doch zwischen dem Wohngebiet auf der einen und dem Naherholungsgebiet auf der anderen Seite, liegt eines der derzeit wohl größten Nadelöhre im nördlichen Landkreis Schweinfurt. Die Kreuzung an der ehemaligen Bundesstraße 26 am südlichen Ortseingang.
Um von der Siedlung aus zu den Sportanlagen in der "Jahnstraße" zu gelangen, können Verkehrsteilnehmer die stark befahrene Hauptstraße nur an dieser Stelle queren. Eine andere Zufahrtsstraße zum Main gibt es von dieser Seite nicht. Ein Problem findet Vera Endres, die regelmäßig Unfälle an der Kreuzung beobachtet.
Verkehr an der Kreuzung wächst seit Jahren
Die 51-Jährige hat im Jahr 2005 mit ihrer Familie hier am Ortsrand Richtung Haßfurt/Forst ein Haus gebaut. Neben der Wohnsiedlung ist seitdem auch das Gewerbegebiet gegenüber am Main peu à peu gewachsen, erzählt Endres. Und mit ihm auch der Verkehr, der die Kreuzung über die Hauptstraße quert. Vor allem zu den Stoßzeiten früh am Morgen und am späten Nachmittag berichtet die Anwohnerin von teils chaotischen Zuständen.
"Gerade bei den Linksabbiegern oder denen, die geradeaus wollen, kracht es immer wieder", erklärt die 51-Jährige. Ihren Beobachtungen zufolge stünden die Fahrzeuge aus den untergeordneten Straßen "Jahnstraße" und "Buchental" meist sehr lange, um eine Lücke im fließenden Verkehr auf der B26 zu finden und auf die Hauptstraße abzubiegen. Wenn dann zusätzlich noch auf der nahen Autobahn A70 oder der Bundesstraße B303 ein Unfall passiert und der Verkehr von dort über Schonungen umgeleitet wird, gestalte sich das Überqueren der Kreuzung als nahezu unmöglich, so Endres.
Noch gefährlicher sei es in dem Bereich für Radfahrer und Fußgänger. Der einzige Fußgängerüberweg in der Nähe der Kreuzung liegt einige Meter davon entfernt. "Wir haben auch viele ältere Menschen in der Siedlung, die zu Fuß hier herunterlaufen zum Einkaufen. Die laufen natürlich nicht die 200 Meter weiter vorne über den Fußgängerüberweg, sondern direkt über die Kreuzung", sagt Endres.
Unfälle an der Kreuzung seien unter diesen Umständen vorprogrammiert, meint die Anwohnerin. "Beinahe täglich sind Harakiri-Aktionen zu beobachten, wenn der Geduldsfaden reißt." Was die Bürgerin aber besonders ärgert: "Die Behörden schieben sich seit Jahrzehnten gegenseitig den schwarzen Peter in die Schuhe", sagt Endres.
Die Debatte über die Kreuzung in Schonungen ist nicht neu. Seit Jahren fordern Bürgerinnen und Bürger einen Kreisverkehr, um die Situation dort zu entschärfen. Auch im Gemeinderat war der Verkehrsknotenpunkt regelmäßig Thema.
Zuständigkeit liegt beim Staatlichen Bauamt
Allerdings waren der Gemeinde in dieser Sache lange die Hände gebunden. Bei der Hauptstraße handelt es sich um eine Staatsstraße (St 2447). Während die Polizei den Verkehr überwacht und Unfälle aufnimmt, ist die untere Straßenverkehrsbehörde am Landratsamt Schweinfurt dafür zuständig, auf Basis der Daten verkehrsrechtliche Anordnungen zu erlassen, wie zum Beispiel Tempolimits.
"Für bauliche Maßnahmen – also auch für die Errichtung eines Kreisverkehrs – an Staatsstraßen im Landkreis ist das Staatliche Bauamt zuständig", erklärt Andreas Lösch, Pressesprecher am Landratsamt Schweinfurt. Letzteres jedoch erkennt die Kreuzung nicht als Unfallschwerpunkt im Landkreis an.
Klare Maßstäbe bei der Feststellung von Unfallschwerpunkten
Die Feststellung eines Unfallschwerpunkts ist an klare Maßstäbe geknüpft, erklärt Andreas Hecke, Leiter des Staatlichen Bauamts Schweinfurt. Damit eine innerörtliche Unfallhäufungsstelle existiere, müssen an einem Knotenpunkt entweder fünf Unfälle gleichartigen Typs in einem Zeitraum von zwölf Monaten oder fünf Unfälle mit Personenschaden innerhalb von 36 Monaten vorliegen. "Im zurückliegenden Betrachtungszeitraum 2018-2020 sind diese Kriterien nicht erfüllt", so Hecke.
Da dem Bauamt allerdings bekannt sei, dass die Gemeinde die Kreuzung umbauen wolle, sei ihr bereits 2021 die Möglichkeit aufgezeigt worden, diesen in Form einer Sonderbaulast selbst zu planen und umzusetzen. Auch Zuschüsse des Freistaats seien dabei möglich. Den dafür nötigen Entwurf der Vereinbarung habe das Bauamt der Gemeinde damals zugesandt. Zu einem Abschluss kam es jedoch nie.
Gemeinde fehlt Personal und Geld
Die bestätigt auf Anfrage, die Möglichkeit offeriert bekommen zu haben, den Kreisverkehr eigenständige zu bauen. "Das Problem ist allerdings, dass das Personal gerade in der Bauverwaltung der Gemeinde ebenfalls knapp bemessen ist", so Bürgermeister Rottmann. Außerdem sei der Bau eines solchen Kreisverkehrs, während der Verkehr und die Anbindung aller Straßen weiterhin läuft, enorm komplex. Der Gemeinde fehle es schlicht an der nötigen Erfahrung und Geld, um so ein Projekt selbst durchzuführen, so Rottmann.
"Es gibt nur die Option, eigene gemeindliche Pflichtaufgaben zu verschieben, um damit den Umbau der Staatsstraße zu beschleunigen", sprich den Kreisverkehr zu priorisieren. Allerdings finde sich dafür im Gemeinderat keine Fürsprecher, bekräftigt Rottmann: "Weil eben Kindergarten, Schule, Turnhallensanierung, Schwimmbadsanierung und Bauhofneubau auch unaufschiebbare Projekte sind." Die Gemeinderäte würden sich nicht in der Verantwortung sehen, die Aufgaben des Freistaats zu übernehmen, da dieser immer mehr an die Gemeinden delegiere und abwälze.
Kosten zwischen einer und zwei Millionen Euro
Die Gemeinde hofft deshalb darauf, dass das Projekt aufgrund der steigenden Unfallgefahr auf der Prioritätenliste des Bauamts nach oben steige, um Gemeinde und Bürgern eine Perspektive aufzuzeigen. Eine aktuelle Auswertung über den Zeitraum der vergangenen drei Jahre liege dort aber nicht vor, sagt Bauamtsleiter Andreas Hecke. Klar wäre aber, dass eine subjektive Einschätzung einer Gefahrenstelle kein Maßstab sei.
Aber auch wenn der Bereich künftig als Unfallschwerpunkt anerkannt werden würde, hieße das nicht, dass die Gemeinde dort automatisch einen Kreisverkehr bekomme. "Sollte das Staatliche Bauamt an dieser Stelle tätig werden, wären wir verpflichtet, die wirtschaftlichste Lösung umzusetzen. Dies ist nicht notwendigerweise ein Kreisverkehrsplatz, sondern dürfte viel eher die Ausstattung des Knotens mit einer Lichtsignalanlage sein", so Hecke.
Zudem müsste sich die Gemeinde beim Bau eines Kreisels fianziell beteiligen. Die Kosten für den Umbau zu einem Kreisverkehr liegen ersten Schätzungen des Bauamtes nach zwischen einer und zwei Millionen Euro.
Landratsamt ordnet Geschwindigkeitsbegrenzung an
Immerhin einen Trost gibt es derzeit: Weil derzeit nicht klar ist, ob und wenn ja, wann mit dem Bau eines Kreisverkehrs zu rechnen ist, hat das Landratsamt "nach Feststellung des Bestehens einer Gefahrenlage aufgrund besonderer örtlicher Verhältnisse" mittlerweile eine Geschwindigkeitsbeschränkung an der Kreuzung auf 30 km/h innerorts sowie 70 km/h außerorts vor dem Ortsschild angeordnet. Laut Gemeinde wurden die Schilder vergangene Woche an entsprechender Stelle vom Staatlichen Bauamt aufgestellt.
Ein Schritt, den Anwohnerin Vera Endres als Erfolg wertet – wenn auch nur zum Teil. Zwar könne es durchaus sein, dass die Verkehrsschilder dabei helfen, Autofahrer, die aus Haßfurt kommend nach Schonungen hereinrasen, dazu zu bewegen abzubremsen. Ob diese allerdings dabei helfen werden, das Verkehrsaufkommen an der Kreuzung insgesamt besser zu strukturieren, scheint eher unwahrscheinlich.
Kreisverkehr nach wie vor beste Lösung
Zu dem Schluss, dass ein Kreisverkehr nach wie vor die sinnvollste Lösung sie, kommt auch die Gemeinde Schonungen, die ihre Argumente bereits 2019 in einem mehrseitigen Anschreiben formulierte. Inzwischen sei das Gewerbegebiet sogar weiter gewachsen. Noch in diesem Monat eröffnet dort ein neuer Drogeriemarkt. Allerdings soll – auch unter Mitwirken der Landtagsabgeordneten Martina Gießübel (CSU) – zeitnah ein Treffen zwischen der Gemeinde und dem Staatlichen Bauamt stattfinden.
Solange sich die Behörden auf keine gemeinsame Lösung verständigen, bleibt Anwohnerinnen wie Vera Endres vorerst wohl nichts übrig, als weiter abzuwarten. "Leider gibt es anscheinend nur zwei Möglichkeiten, damit hier endlich etwas vorwärtsgeht: Eskalation auf höherer Ebene mit möglichst vielen Beteiligten oder ein Todesfall", so die 51-Jährige. Allein aus ihrem persönlichen Bekanntenkreis seien in den vergangenen Jahren schon vier Personen in einen Unfall an der Kreuzung verwickelt gewesen. Darunter eine 16-Jährige und ein 17-jähriger Fahranfänger.
Abgesehen davon haben die meisten derzeit genug von "Ampel", insbesondere vom roten Teil. :)
- Bei Umleitungsverkehr der A70 kann man problemlos via Forst nach dem Thema aus dem Weg gehen.
Eine Ordenliche Ampel mit Induktionsschleifen würde bestimmt auch einen guten Job machen.