Es war gegen 21.30 Uhr am Freitagabend, als Sprengmeisterin Ulrike Matthes ins frühere Informationszentrum am Kernkraftwerk kam. Sie war sichtlich erschöpft von einem langen Tag, aber sehr zufrieden. Kollegen umarmten sie, gratulierten zur gelungenen Sprengung. Um 19.56 Uhr, nach rund eineinhalb Stunden Verzögerung, hatte sie die Anweisung zur Niederführung der Türme, wie es korrekt heißt, gegeben. Keine 30 Sekunden später war alles vorbei.
Auf den sprichwörtlichen roten Knopf drückte Matthes dabei nicht, sie gab die Anweisung, ein Kollege übernahm das Auslösen der Sprengung. "Jede Sprengung, egal ob ein 40-Meter-Mauerwerk, oder ein Kühlturm wie hier, ist etwas Besonderes", betonte Matthes. "Es ist aus unserer Sicht super gelaufen und genau so, wie wir es geplant haben. Eine Sprengung macht niemand alleine, da steht immer ein großes Team dahinter", erklärte Matthes, die für die Thüringer Sprenggesellschaft arbeitet, die auch an der Sprengung der Kühltürme am Kernkraftwerk Philippsburg im Jahr 2020 beteiligt war.
Kühltürme wurden mit lediglich 260 Kilogramm Sprengstoff eingelegt
Seit Juni waren die Mitarbeitenden der Firma vor Ort und bereiteten die letztlich mustergültige Sprengung vor. Laut Preussen Elektra wurden für die im Fachjargon Kipp-Kollaps-Sprengung genannte Technik in beide Türme 16 Meter lange Fall- und 40 Meter hohe Vertikalschlitze in die Kühlturmschalen gefräst. Außerdem wurden in jeweils die Hälfte der 72 Kühlturmstützen sowie in den Schlitzen zahlreiche Löcher für Sprengladungen gebohrt.
"In Summe kamen 1340 elektronische Zünder und 260 Kilogramm Sprengstoff zum Einsatz", schreibt Preussen Elektra in einer Pressemitteilung. Die Kosten für die Sprengung, die mehr als zwei Jahre geplant wurde, belaufen sich laut Betreiber auf rund drei Millionen Euro – ein Bruchteil dessen, was der auf etwas mehr als eine Milliarde Euro geschätzte Rückbau des Kraftwerks kostet.
Dass ein Aktivist aus der Pro-Atomkraft-Bewegung die Sprengung um rund eineinhalb Stunden verzögert hatte, nahm Ulrike Matthes letztlich gelassen. Das Zeitfenster am Freitagabend ging nur bis zum Einbruch der Dunkelheit, ansonsten hätte die Sprengung auf einen anderen Tag verschoben werden müssen. Doch als das Signal der Polizei kam, dass der 36 Jahre alte Mann vom Strommast, an dem er sich festgekettet hatte, heruntergeholt und aus dem Sicherheitsbereich gebracht worden war, leitete Matthes die Sprengung auch schnell ein.
Staubwolke nach der Sprengung war keine Gefahr für die Bürger
Bei der Sprengung waren auch meterhohe Wasserfontänen zu sehen. Im Vorfeld hatten viele Menschen auch mit Verwunderung die rund um die Kühltürme platzierten Planschbecken fotografiert. Die waren natürlich nicht zur Abkühlung bei mehr als 30 Grad im Schatten, sondern wie bei solchen Sprengungen üblich, um den Staub einzudämmen.
Die Staubwolke auch in dieser Größe, die sich erst nach gut einer Stunde setzte, war laut Matthes "völlig normal". Im Vorfeld der Sprengung hatte es von Seiten einzelner Bürgerinnen und Bürger die besorgte Frage gegeben, ob der Staub radioaktiv sein könnte? Almut Zyweck, Sprecherin von Preussen Elektra, erklärte: "Nein, natürlich ist der Staub nicht gefährlich, denn die Kühltürme waren nie an den Primärkreislauf im Kraftwerk angebunden." Schon ab 2021 sei begonnen worden, im Inneren der Kühltürme Teile abzubauen. "Es gab nie Radioaktivität dort und wir haben im Vorfeld der Sprengung für die Genehmigungen auch noch mal nachweisen müssen, dass dort nichts ist", so Zyweck.
Was passiert nun mit dem Bauschutt der früheren Kühltürme?
Anlagenleiter Bernd Kaiser war am Abend der Sprengung ebenfalls erleichtert, dass alles letztlich reibungslos und wie geplant ablief. Seit Montag geht der reguläre Rückbau des 2015 stillgelegten Reaktors planmäßig weiter. In den vergangenen Wochen ist laut Preussen Elektra unter anderem bereits der Reaktordruckbehälter zersägt worden.
Bei der Sprengung entstanden rund 55.000 Tonnen Bauschutt. Erstaunlicherweise gibt es keine hohen Trümmer-Berge auf dem Gelände, was auch daran liegt, dass die Kühlturm-Wände relativ dünn waren, an der Spitze lediglich 16 Zentimeter. Der Betonbruch wird laut Betreiber nun aufbereitet, rund zwei Drittel des Materials wird zum Verfüllen der beiden Kühlturmtassen verwendet, der Rest aufbereitet und nach Wertstoffen getrennt.
Die Fläche, auf der die Kühltürme standen, wird zukünftig als Lager genutzt für diverse Materialien. Bernd Kaiser hatte auch leider schlechte Nachrichten für all diejenigen, die einen Brocken Beton als Souvenir haben wollen: "Das ist derzeit nicht geplant."