Wasserstoff gilt als ein zentraler Baustein im geplanten Umbau des Energiesystems hin zur klimafreundlichen Versorgung. Doch bis es so weit ist und Wasserstoff in Unterfranken großflächig zum Einsatz kommen kann, müssen noch einige Hürden genommen werden, sagt Energie-Experte Rainer Kleedörfer aus Röthlein (Lkr. Schweinfurt).
Der gelernte Elektrotechniker und studierte Kaufmann arbeitet seit über 20 Jahren für die Nürnberger N-Ergie, einem der größten kommunalen Energieversorger Deutschlands. Kleedörfer ist fachlicher Sprecher für Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung in der Metropolregion Nürnberg sowie stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Energiekompetenzclusters ENERGIEregion.
Wo er die Hürden sieht und welche Chancen er für Wasserstoff in der Region sieht, erklärt er im Interview.
Rainer Kleedörfer: Nachdem vor zwei Jahren meine alte Gas-Heizung kaputtgegangen ist, habe ich bei mir zu Hause zwei Photovoltaikanlagen samt modernster Gas-Brennwertheizung eingebaut. Das entsprach für mein Haus dem damaligen Stand der Technik.
Kleedörfer: Den Einsatz von Wasserstoff im Bereich der Raumwärme und des Heizens in einzelnen Immobilien betrachte ich eher als schwierig. Es ist aber richtig, dass in Deutschland jedes zweite Gebäude am Erdgasnetz angeschlossen ist. Das heißt, dass die grundsätzliche Infrastruktur vorhanden wäre, um Wasserstoff dafür zu nutzen.
Kleedörfer: Wasserstoff polarisiert. In der Debatte gibt es derzeit zwei Fraktionen. Die einen sehen in ihm den Heilsbringer der Energiewende. Und die anderen bezeichnen ihn etwas despektierlich als Champagner der Energiewende.
Kleedörfer: Die Wahrheit liegt wie immer irgendwo in der Mitte. Wasserstoff ist zu einem Hype-Wort geworden. Viele Menschen reden darüber, ohne die komplette Kette zu durchdenken. Man darf Wasserstoff in der Debatte um die Energie- und Wärmeversorgung aber nicht isoliert betrachten, sondern muss ihn in einem systematischen Ansatz sehen. Zweifelsohne hat Wasserstoff großes Potenzial bei der Energiewende und der Erreichung der Klimaschutzziele.
Kleedörfer: Die drei "Aber" ergeben sich aus der Frage der Machbarkeit, der Gesetzgebung und der Wirtschaftlichkeit. Wenn man diese Prüfkaskade abarbeitet, sieht man, dass man am Rechts- und Regulierungsrahmen deutlich nacharbeiten muss. Nur dann wird die Technologie eine Chance haben. Die technische Umsetzung halte ich für die geringste Hürde. Hier lohnt sich der Blick zu den Kollegen nach Haßfurt und Wunsiedel, die bei Wasserstoff Pionierarbeit geleistet haben.
Kleedörfer: Ja, das kommt infrage. Aber niemand wird einfach so eine Wasserstoffleitung nach Schweinfurt oder Würzburg bauen. Der Ausbau der Infrastruktur wird sich an den großen Verbrauchern orientieren. In Bayern liegen die Schwerpunkte hier an den großen Chemiestandorten Burghausen und Ingolstadt. Dazu kommen alle Orte, wo heute Gaskraftwerke stehen oder künftig neue gebaut werden, da diese perspektivisch einmal mit Wasserstoff betrieben werden müssen.
Kleedörfer: Man muss die großen Verbraucher wie eine Perlenkette auffädeln, um dann in einem nächsten Schritt die mittelgroßen Verbraucher – also Städte wie Würzburg, Bamberg, Schweinfurt –ausfindig zu machen. Erst im dritten Schritt werden wir die Frage beantworten können, ob wir einzelne Gebäude mit auffädeln. Wann und ob überhaupt Wasserstoff in die ländliche Peripherie kommt, kann derzeit niemand beantworten.
Kleedörfer: Heute haben wir die Situation, dass viel Unverbindlichkeit auf dem Markt besteht. Wir stehen vor dem Henne-Ei-Problem. Niemand weiß derzeit, wie viel Wasserstoff die Unternehmen später verbindlich abnehmen wollen oder ob sie nicht vorher auf einen anderen Energieträger umstellen. Dadurch besteht ein hohes Investitionsrisiko für Infrastruktur-Ausbauer. Aber je länger man wartet, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Industrie andere Wege geht.
Kleedörfer: In Deutschland haben wir in jedem Gebäude einen Stromanschluss. Deswegen ist die These durchaus richtig, dass große Teile der künftigen Energiebereitstellung in der Direktstromanwendung geschehen. Wasserstoff benötige ich überwiegend da, wo ich hohe Temperaturniveaus habe. Also Glas-, Stahl- oder Baustoffindustrie. In den anderen Industriebranchen kann man durchaus auf Strom umstellen.
Kleedörfer: Wir müssen ins Handeln kommen und eine Kooperation der Willigen organisieren. Dazu gehören die Industrie, Kraftwerkstandorte, Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik. Erst wenn sich genügend Abnehmer dazu verpflichten würden, eine gewisse Menge Wasserstoff abzunehmen, wird derjenige, der die Infrastruktur bereitstellt, investieren. Die Industrie und Stadtwerke müssten also verbindliche Zusagen treffen, ob und wie viel Wasserstoff sie ab einem bestimmten Zeitpunkt abnehmen wollen.
Kleedörfer: Diese kleinteiligen Lösungen sind zwar technisch möglich, werden aber vermutlich eine Insel bleiben. Natürlich kann man Windräder oder Photovoltaikanlagen bauen und den Strom dazu verwenden, um Wasserstoff zu erzeugen. Der Großteil der Erzeugung wird jedoch dort stattfinden, wo die Standortbedingungen am besten sind. Und das ist nicht Deutschland.
Kleedörfer: Bei einem mittelgroßen Elektrolyseur plus Wasserstoffnetz, drei Windräder und Speicherung sprechen wir schnell von einer Investitionssumme von 50 Millionen Euro. Der Preis, der hier am Ende für die Kilowattstunde Wärme herauskäme, wäre deutlich höher, als der heutige Erdgas- und Heizölpreis. Ohne massivste Förderungen, kann das nicht wirtschaftlich sein.
https://www.mainpost.de/regional/rhoengrabfeld/gruener-wasserstoff-fuer-rhoen-grabfeld-und-bad-kissingen-neue-studie-belegt-potenzial-fuer-produktion-vor-ort-art-11405067
Das war die naive Parole aus grüner Vergangenheit. Wie im Artikel richtig begründet, werden die Investitionen aber richtig teuer.
Im Steigerwald ist ein 7,2 MW Windkraftwerk (WKW), mit prognostizierten 12,5 Mio kWh pro Jahr geplant. 199 m hoher Turm, 172 m Rotordurchm. Wollte man diese Anlage zum Heizen einsetzen, muss für den Winterbetrieb ca. 75 % der Kapazität vorgespeichert werden. Notwendig wäre eine Elektrolyseur zur Energiewandlung in Wasserstoff (H2), ein H2- Speicher mit ca. 350 t Wasserstoff, eine Rückverstromung z.B. mit Brennstoffzelle, Eine Verstärkung des Stromnetzes und schließlich die Wärmepumpe in jedem Haushalt.
Diese Infrastruktur ist bei Solarenergie genauso notwendig, allerdings mit größerem H2- Speicher.
Die Energiespeicherung kostet viel Geld!
Vielleicht hat auch aus diesem Grund die Bundesregierung einen Aufbau von 10 GWh Kraftwerkskapazität auf Erdgasbasis geplant.
Wie kommen Sie auf diese Zahlen?
Wenn man sich die Daten für den Landkreis Bamberg ansieht, hat dieser im letzten Jahr eine Eigenversorgung von über 81% durch Erneuerbaren Energien
https://energiemonitor.bayernwerk.de/bamberg-landkreis
Bei den Erneuerbaren gibt es nicht nur Windkraft, sondern auch PV und Biomasse und Geothermie und Wasserkraft und das (europäische) Verbundnetz/Verteilnetz. Vorteil der Erneuerbaren: Millionen von Anlagen und keine Abhängigkeit von einem einzelnen WKA.
"10 GWh Kraftwerkskapazität"
Demnach will die Ampel-Koalition zunächst den Bau neuer Gaskraftwerke mit einer Gesamtleistung von 10 GW ausschreiben. Bis 2040 sollen diese vollständig auf den Betrieb mit Wasserstoff umgestellt werden.
https://h2-news.eu/energieversorgung/kraftwerksstrategie-bundesregierung-will-10-gw-wasserstoffkraftwerke/
Nicht ungeduldig werden
Deshalb karren wir einen riesen Anteil der Vorschubfinanzierungen auch in ausländische Wasserstoffprojekte. Klar ist z. B. in Afrika auf Grund der klimatischen Vorteile der Wirkungsgrat solcher Anlagen höher. Aber wir begeben uns doch damit in die nächste Abhängigkeit!
Erfahrungen, für einer späteren Optimierung, sollte man doch bei uns sammeln, zudem wir auf Grund der fatalen Handelspolitik am deutschen Strommarkt, wir seit Jahren im Sommer, wenn die PV-Anlagen genügend Energie produzieren, ganze Windparks abschalten müssen oder überschüssige PV-Energie in Ausland quasi verschenken müssen. All diese Energie müsste doch bei UNS im Form von Wasserstoff oder gigantischen Druckluftspeichern gespeichert werden.
Nein bei uns wird dann lieber bei Überkapazität die Windenergie verschenkt und bei ungeplanten Energiespitzen teuer zugekauft!
Es wird nicht nur einige wenige Länder - wie beim Erdgas oder Erdöl - geben von denen wir Wasserstoff importieren können, sondern eher Dutzende, da Wasserstoff im Gegensatz zu Erdgas oder Erdöl keine fossile Ressource von wenigen Ländern ist. Experten sprechen von Diversifikation.
"Erfahrungen, für einer späteren Optimierung, sollte man doch bei uns sammeln,"
Denke Erfahrungen mit (grauen) Wasserstoff gibt es schon sehr reichlich. Deutsche Industrie verbraucht derzeit schon etwa 60 TWh Wasserstoff (vgl. durch PV werden etwa 65 TWh Strom erzeugt). Was benötigt wird ist mehr Zubau bei den Erneuerbaren Energien damit das grüner Wasserstoff wird.
Die überschüssige Energie durch Erneuerbare Energien machen in Deutschland nur wenige Prozent aus (etwa 10 TWh im Jahr 2022). Damit lässt sich keine Anlage wirtschaftlich betreiben
Und die Anfangsinvestitionen karren wir ins Ausland.
https://energiemonitor.bayernwerk.de/wuerzburg-landkreis
anschaut, gibt es halt nur gelegentlich Überschußstrom. Und eine Anlage nur ein paar Stunden pro Woche zu betreiben, na ja.
Wer an Sonnentagen mit offenen Augen sich die Windparks ansieht dem kann das nicht entgehen.
Für 2023 liegen noch keine Zahlen vor aber 2022 war schon dramatisch und tendenziell wir 2023 wegen den neuen PV,s noch höher ausfallen.
Ich nenne das verschenkte Energie.
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/665177/umfrage/menge-des-abgeregelten-windstroms-in-deutschland/
Und ob es höher ausfällt nach Abschaltung der 3 AKW?
Und von den neuen Druckluftspeichern redet auch keiner. Und warum? Es geht immer nur um die Wirtschaftlichtkeit in der Industrie. Für mich ist dies eh ein Thema der Verteilnetzbetreiber und die müssen zurück in Öffentliche Hand!