Das Stadtwerk Haßfurt gilt als Vorreiter in Sachen erneuerbare Energien, seine Erfahrungen in den Bereichen Windkraft, Fotovoltaik- und Biogasanlagen sowie Wasserstofferzeugung durch "Power to Gas" interessiert viele Gäste aus nah und fern. Auf Einladung der Ortsgruppe Bad Königshofen von Bündnis90/Die Grünen hielt Geschäftsführer Norbert Zösch einen gut besuchten Vortrag im kleinen Kursaal der FrankenTherme.
Vorsitzende Sabine Rhein wies auf die Bildung von fossilen Energieträgern in Millionen von Jahren hin, die von der heutigen Gesellschaft in kurzer Zeit verschwendet würden. Wer klug ist, stelle heute die Weichen für die Nutzung von 100 Prozent erneuerbaren Energien. Der Landkreis Haßberge und das Stadtwerk Haßfurt seien für viele ein Vorbild.
Die Erderwärmung liegt jetzt schon bei ungefähr 1,2 Grad, ist das Ziel von 1,5 Grad noch einzuhalten?
"Wir könnten die Erderwärmung ungefähr auf 1,7 Grad bis 2035 beschränken, wenn wir bis 2025 keine neuen Verbrenner-Autos und fossilen Heizungen mehr zubauen, bis dahin 31 Millionen Elektroautos (bisher sind es weniger als eine Million) und 12 Millionen Wärmepumpen nutzen. Die Energie müsste hauptsächlich aus Sonne, Wind und Wasserstoff stammen, sagt eine Studie der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin", so Zösch, der für die Grünen im Kreistag des Landkreises Haßberge sitzt.
Für das Speichern von überschüssiger Energie nutzt das Stadtwerk die Wasserstoff-Erzeugung. Wie sind die Erfahrungen?
"Bevor wir Strom aus Wind oder/und Sonne an sehr ertragreichen Tagen abschalten oder zu negativen Preisen handeln müssen, nutzen wir das Verfahren 'Power to Gas', so wird durch ein Elektrolyse-Verfahren grüner Wasserstoff erzeugt, der gespeichert werden kann", sagt der Fachmann. Mit dem Wasserstoff könne man durch ein Blockheizkraftwerk (BHKW) genauso wieder Strom und Wärme erzeugen wie mit Erdgas. Das Erdgasnetz werde momentan mit fünf Prozent Wasserstoff versetzt, Ziel sind zehn Prozent, möglichst bald dann auch 30 Prozent.
Auch 100 Prozent seien nach Meinung des DVGW (Deutscher Verband für Gas und Wasser) in der bestehenden Erdgasinfrastruktur kein Problem. "Wasserstoff ist genauso gefährlich - oder ungefährlich - wie Erdgas", so Zösch weiter. Es wäre schade, die vorhandenen Erdgasleitungen, wie in Bad Königshofen, nicht zu nutzen.
Um russisches Erdgas von Sibirien nach Europa zu bringen, hat man in das Fernleitungsnetz rund eine Billion Euro gesteckt. Den bei der Elektrolyse erzeugten Sauerstoff, der bei der Zerlegung von Wasser auch nutzbar wird, kann man in den Kläranlagen zur besseren Reinigungsleistung des Abwassers einsetzen.
Wie sieht Norbert Zösch die zukünftige Entwicklung der Wasserstoffnutzung?
Es müssten flächendeckend Wasserstoff-Tankstellen für den Schwerlastverkehr (H2-Mobility) in Deutschland aufgebaut werden (400 Tankstellen bis 2023), so Zösch. "In Haßfurt wird der Stadtrat demnächst über den Neubau einer Wasserstoff-Tankstelle entscheiden, ein Zuwendungsbescheid für eine Förderung durch das bayerische Wirtschaftsministerium liegt bereits vor", sagte der Referent. Mit einem Kilo Wasserstoff fahre ein Pkw ungefähr 100 Kilometer weit. Natürlich sei für Pkw ein E-Fahrzeug unschlagbar in der Effizienz, denn bei der Wasserstoff-Umwandlung gehe Energie verloren.
"In der Zukunft wollen wir nachhaltigen Regionalstrom anbieten, der kann, wenn die Wind- und PV-Anlagen abgeschrieben sind, richtig preiswert für die Verbraucher werden, bekanntlich schicken Wind und Sonne keine Rechnung."
In Unterfranken herrscht Wasserknappheit. Wie viel Wasser braucht man für die Wasserstoffherstellung?
"Aus 1,4 Liter Wasser kann man 1 kWh Wasserstoff erzeugen. Das Wasser wird aber nur gebraucht und nicht verbraucht, es verändert den Aggregatzustand. Der Wasserstoff verbindet sich wieder mit Sauerstoff zu Wasser, sobald eine entsprechende Reaktion stattfindet", informierte der Geschäftsführer in Bad Königshofen.
Zösch beantwortete die Fragen aus dem Publikum, zum Beispiel zum System Agri-PV, die Zweifach-Nutzung einer Ackerfläche zur gleichzeitigen Erzeugung von Energie mit lichtdurchlässigen PV-Modulen, die den Bewuchs darunter beschatten. Wie schafft es eine Stadt, zum Vorreiter in Sachen erneuerbare Energien zu werden? Wichtig seien die richtigen Leute an den richtigen Stellen, meinte Zösch. Die Technik stehe bereit und warte auf ihren Einsatz.