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Schweinfurt
Brückeneinsturz: Angeklagte weisen jede Schuld zurück
Unter großem Medieninteresse begann der Prozess gegen drei Ingenieure, die schuld am Einsturz der Schraudenbachbrücke sein sollen. Sie deuten in eine andere Richtung.
Auftakt im Prozess um den Einsturz der Schraudenbachbrücke: Zwei der Angeklagten sitzen zusammen mit ihren Anwälten Burkhard Wilk (Zweiter von rechts) und Wolf Schiller (links) im Sitzungssaal.
Foto: Nicolas Armer, dpa | Auftakt im Prozess um den Einsturz der Schraudenbachbrücke: Zwei der Angeklagten sitzen zusammen mit ihren Anwälten Burkhard Wilk (Zweiter von rechts) und Wolf Schiller (links) im Sitzungssaal.
Stefan Sauer
Stefan Sauer
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:32 Uhr

Vier Rundfunkteams drängeln sich im Flur des Gerichtsprovioriums in der Theresienstraße, brauchen schon vor Prozessbeginn O-Töne von Gerichtssprecherin Kerstin Leitsch, die schreibende Zunft ist zahlreich vor Ort. Im Gerichtssaal herrscht drangvolle Enge: drei Angeklagte, sechs Verteidiger, die Gutachterin, ein Nebenklagevertreter, ungewöhnlich großes Besucherinteresse. Vor großer Kulisse eröffnete die Große Strafkammer des Landgerichts Schweinfurt den Prozess gegen drei Ingenieure, die der fahrlässigen Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung in 14 Fällen angeklagt sind.

13 Arbeiter stürzten in die Tiefe

Die drei Statiker sollen dafür verantwortlich sein, dass am 15. Juni 2016 bei der Betonierung eines Abschnittes der A7-Autobahnbrücke bei Schraudenbach nahe Werneck das Traggerüst zusammenbrach und 13 Bauarbeiter 22 Meter in die Tiefe riss. Ein Mann starb dabei, drei Beschäftigte wurden lebensgefährlich, sechs schwer und zwei Personen leicht verletzt. Die  Staatsanwaltschaft stützt ihre Anklage auf ein Gutachten, wonach das Stabilitätsversagen einer Gerüststütze, eines sogenannten Joches Ursache für den Einsturz und dessen Folgen war. Verbindungselemente seien unterdimensioniert gewesen. Die Planer hätten den Fehler gemacht.

Als mögliche alternative Ursache käme nur oder auch ergänzend in Frage, dass die bauausführende Firma bei der Traggerüsterstellung und Betonierung den Vorgaben der Statiker nicht gefolgt sei. Und in diese Richtung deuten in großer Einmütigkeit die Verteidiger der drei Angeklagten, wobei sich nur der 47-jährige Ingenieur, der Statik und Ausführungszeichnungen für das Traggerüst erstellt hatte, selbst zu dem Vorwurf äußerte. Die Baufirma habe sehr wohl Fehler gemacht. So seien etwa Doppeljochschienen, die im Plan stehen, nicht ausgeführt worden. Weiter monierte er unter anderem beschädigte und gestoßene Rohre, die nicht hätten eingebaut werden dürfen, ferner eine fehlende Schalung zwischen Jochträger und Überbau. Und: Vor allem sei auch von der falschen Seite her betoniert worden.

Prüfauftrag ausgelagert?

Kurzum: Statik und Ausführungsunterlagen stimmten überein, sagt der Diplom-Ingenieur. Für die Ausführung sei aber die Baufirma und die Bauüberwachung zuständig. "Mein persönliches Mitgefühl gilt allen Betroffenen und ihren Angehörigen", so der 47-jährige. Für das Unglück verantwortlich zu sein, weist er aber entschieden zurück.        

Aufräumarbeiten unter der Schraudenbachbrücke an der Autobahn A7 bei Werneck (Bayern), nachdem Mitte Juni 2016 ein Teilstück bei Betonierungsarbeiten 22 Meter in die Tiefe gekracht war. Ein Arbeiter starb, 13 wurden teils schwer verletzt. Am Mittwoch begann der Strafprozess gegen drei Ingenieure.
Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa | Aufräumarbeiten unter der Schraudenbachbrücke an der Autobahn A7 bei Werneck (Bayern), nachdem Mitte Juni 2016 ein Teilstück bei Betonierungsarbeiten 22 Meter in die Tiefe gekracht war.

Mit der Bauüberwachung und somit auch der Prüfung von Standsicherheitsnachweisen beauftragt war ein 56-jähriger Prüfingenieur für Standsicherheit, Fachrichtung Massivbau. Der Professor und Dr.-Ing. will sich laut seiner beiden Anwälte zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht äußern. Er hätte die Prüfung laut Anklage persönlich vornehmen und sich dabei nur der Mitwirkung befähigter und zuverlässiger Angestellter an seinem Geschäftssitz bedienen dürfen, deren Tätigkeit er jederzeit überwachen konnte. Entgegen dieser Verpflichtung habe er dafür aber einen Ingenieur einer externen Firma eingeschaltet, was er nicht gedurft hätte.

"Ich konnte es nicht glauben" 

Das bestätigt der dritte Angeklagte, ein 46-jähriger Ingenieur, über seinen Anwalt, der dessen Einlassung vorliest. Die tragischen Folgen des Unglücks für die Betroffenen bewegten ihn sehr. Die Aufklärung der Ursachen sei von großer Bedeutung. "Ich war entsetzt, als ich von dem Einsturz hörte und konnte es erst gar nicht glauben", so der Angeklagte. Die Ursache seien seiner Meinung nach "zahlreiche Abweichungen der Bauausführung von den Planungsunterlagen" gewesen.

Der 46-Jährige lässt vortragen, er sei von dem 56-jährigen Prüfingenieur mit der Prüfung des Traggerüsts beauftragt worden, konnte dies selbst aber nicht vornehmen, weil er "vereinbarungsgemäß nach außen nicht in Erscheinung treten sollte". Der 46-Jährige sieht die Einsturzursache grundsätzlich im Stabilitätsversagen zweier Joche, in denen offenbar Halterungen nicht eingebaut oder fehlerhaft befestigt worden seien. 

Wird auch gegen andere ermittelt?

Der 56-jährige Professor, promovierter und vom Freistaat beauftragter Prüfingenieur, äußert sich derzeit gar nicht zum Anklagevorwurf. Einer seiner Anwälte sagt offen, sie hätten beim Gericht beantragt, die Anklageschrift gar nicht zuzulassen. Unverblümt fragt er den Oberstaatsanwalt, ob er in Sachen Brückeneinsturz schon Ermittlungsverfahren gegen andere eingeleitet hätte. Wen er dabei im Visier hat, ist offenkundig: die bauausführende Firma.

Da geht die Kammervorsitzende ruhig, aber bestimmt dazwischen: "In diesem Verfahren geht es darum, ob sich die Angeklagten schuldig gemacht haben." Ob gegebenenfalls als Zeugen geladene Vertreter der Baufirma ein Zeugnisverweigerungsrecht hätten, wenn sie sich durch wahrheitsgemäße Fragebeantwortung selbst möglicher Strafverfolgung aussetzen würden, werde sich zeigen. 

Die vom Gericht beauftragte Technische Sachverständige soll ihr Gutachten am 28. November vortragen, das ein weiterer Gutachter mitverfolgen wird. Der soll, so hieß es bereits seitens der Verteidigung, zu einem abweichenden Ergebnis gekommen sein.

 
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  • R. B.
    Recht zu verstehen ist schon echt schwierig. Hier kommt ein Mensch zu Tode und viele Andere sind verletzt und jetzt sucht man nach einem Schuldigen. Ich denke soweit für Jedermann nachvollziehbar, denn wir müssen für unser Tun und Handeln Verantwortung tragen. Ein Prüfingenieur oder ein Arzt hat sicherlich ein deutlich höheres Risiko im Falle eines Fehlers als ein Buchhalter. Aber letztlich stellt unser Rechtssystem darauf ab, dass man für sein Verhalten zur Rechenschaft gezogen wird. Darum verstehe ich nicht, warum in anderen Fällen, wie z. B. im Eisenheimer Tötungsprozess, nach Gründen gesucht wird, welche den Beschuldigten unschuldig machen. Oder müssen Ärzte und Ingenieure sich künftig betrinken oder Drogen nehmen, damit sie für ihr Tun und Handeln nicht verantwortlich gemacht werden können? Muss ich wirklich Jura studieren um unser Rechtssystem in seinen Grundwerten nachvollziehen zu können?
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