Krankenhäuser sind komplexe Systeme. Nicht nur, dass darin verschiedene Stationen untergebracht sind – oft kooperieren diese auch mit umliegenden Praxen. Als Grund- und Regelversorger stemmt das St. Josef einen großen Teil der Basisversorgung, auch über die Stadt und den Landkreis Schweinfurt hinaus. Die Struktur des Hauses bringt viele Vorteile mit sich, meinen Dr. Markus Ewald, Chefarzt der Inneren Medizin, und Erwin Göbel, Leiter der Verwaltung und Organisationsentwicklung am St. Josef.
Welche Rolle spielt ein Grund- und Regelversorger für die Region?
Als Grundversorger ist das St. Josef die erste Anlaufstelle für Patientinnen und Patienten im stationären Bereich, sagt Göbel. Damit könne eine Masse an täglichen Krankheitsfällen in der Region abgedeckt werden. Gestaltet sich ein Krankheitsfall komplizierter, wird die Person an die entsprechende Fachklinik weiterverwiesen.
In welche Bereiche lässt sich das St.-Josef-Krankenhaus gliedern?
Die Klinik lässt sich in vier Bereiche einteilen. Die Hauptabteilung, bestehend aus der Inneren Medizin, der Chirurgie, Anästhesie, Notaufnahme und Intensivmedizin sowie Akutgeriatrie und Palliativstation, bilden das Herz der Klinik. Dazu kommen die sogenannten Belegärzte. Diese betreiben eigenständige Praxen und operieren ihre Patienten auch. Hierfür greifen die Ärzte auf stationäre Betten im Krankenhaus zurück. Im St. Josef zählen hierzu unter anderem die Hals-Nasen-Ohren-Ärzte sowie Frauenarztpraxen.
Den dritten Bereich stellen Praxen mit Kooperationseinrichtungen dar. "Das heißt, es gibt feste Vereinbarungen für bestimmte Leistungen bei Krankenhauspatienten, einschließlich einer 24-stündigen Verfügbarkeit", sagt Ewald. Dazu gehören unter anderem die Radiologie, die Neurochirurgen, das Dialysezentrum und das Herz- und Gefäßzentrum. Einen letzten Bereich bilden Praxen, die ohne gesonderte Verträge mit der Klinik in das Gebäude eingemietet sind. "Die Praxen sind für sich selbstständig, schreiben ihre eigenen Rechnungen, bedienen aber häufig einen Austausch zwischen stationärer und ambulanter Versorgung", so Göbel.
Warum sind die Praxen auf das Klinikum angewiesen?
Die Belegärzte sind auf das Haus angewiesen, weil viele Eingriffe stationär behandelt werden müssen, verdeutlicht Göbel. Mit der Schließung des Krankenhauses falle dieser Anteil weg und damit auch der Rückgriff der Praxen auf vorhandene Betten und ein Teil des Umsatzes der Ärzte.
Im St. Josef betrifft das künftig vor allem Einrichtungen wie die HNO-Praxis, die Dialyse oder das Herzzentrum. Damit diese weiterhin operative Eingriffe vornehmen können, müssen sie auf Betten in anderen Kliniken zurückgreifen – sofern dort Platz ist. Aber auch die ambulante Versorgung insgesamt könnte Probleme bekommen, sagt Göbel. Sollte es zu Komplikationen bei einer Behandlung kommen, müssten Patienten in weiter entfernte Kliniken verlegt werden. Die Folge: längere Anfahrtswege und Wartezeiten bei der Überweisung zu Fachärzten.
Warum können die Praxen aus dem St. Josef nicht einfach ins Leopoldina oder andere Kliniken integriert werden?
Grundsätzlich wäre das möglich, sagt Dr. Ewald. Allerdings nicht zeitnah. Neben der
Anpassung von Abläufen müssten dafür auch die nötigen Räume geschaffen werden. Im St. Josef geht man davon aus, dass die Neuverzahnung der Praxen mit dem stationären Betrieb fünf bis zehn Jahre in Anspruch nehmen würde – vor allem, wenn die Praxen nah beieinander liegen sollen. Diesen Plan verfolgten die Stadt Schweinfurt und die Erlöserschwestern, indem sie die beiden Krankenhäuser zu einem verschmelzen wollten. Das Modell scheiterte aufgrund einer Absage der Erlöserschwestern.
Warum ist das St. Josef in seiner Struktur einmalig?
"Die Struktur am St. Josef ist einmalig in Unterfranken", sagt Ewald. Das St. Josef habe über Jahre ein Netzwerk mit Praxen und Ärzten Tür an Tür aufgebaut. Durch die enge Verzahnung von ambulantem und stationären Betrieb habe man so Kosten gespart und Synergieeffekte geschaffen. Im Grunde genau das, was die Bundespolitik mit der geplanten Krankenhausreform letztlich eigentlich erreichen wolle, bekräftigt Ewald.
Ein Beispiel dafür bildet das Ambulanzzentrum. Findet der Arzt bei einer Darmspiegelung einen Polypen, der zu groß für eine Abtragung in der Praxis ist, kann der Patient direkt ins Krankenhaus geschoben und die Behandlung fortgesetzt werden. "Das heißt, dass nach der Diagnosestellung eine reibungslose Überleitung in die ambulante Weiterversorgung erfolgen kann." Das Resultat seien geringere Wartezeiten, eine bessere Betreuung der Patienten durch die Ärzte und damit letztlich eine bessere Versorgung. Auch die zentrale Lage in Schweinfurt und der vielen Praxen innerhalb eines Gebäude ist von Vorteil.
Was bedeutet die Schließung für die KVB-Praxis?
Die Praxis der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) ist eine Bereitschaftspraxis. Sie nimmt in den dienstfreien Zeiten der niedergelassenen Ärzte den Hausarztjob für Notfälle wahr, veranschaulicht Göbel. Um Notfälle weiterzuleiten, sollte die KVB dort angesiedelt sein, wo auch eine funktionierende Notaufnahme angesiedelt ist. "Wir haben hier ein reibungsloses-System etabliert, von dem die Region profitiert. Das muss natürlich irgendwo fortgesetzt werden, in nächster Nähe eine funktionierende Notaufnahme", so Göbel.
Auch diese Menschen (in sehr vielen Fällen Dauerpatienten) müssen sich nun ab Herbst nach einem neuen ambulanten Dienstleister umsehen - bei Wartezeiten von 4-6 Wochen Minimum in beinahe jeder Praxis inkl. des bestehenden Fachkräftemangels auch überhaupt kein Problem.
M. Lerm