Es war das größte und aufregendste Projekt in der Region: Am 29. September wurde am Ellertshäuser See der "Stöpsel gezogen", um den größten Stausee in Unterfranken trocken zu legen. Das Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen, das für den Freistaat Bayern den Stausee unterhält, will 2022 die technischen Betriebseinrichtungen im See sanieren. Und das geht nur, wenn das 33 Hektar große Becken leer ist.
50 Tage dauert es, bis die 1,7 Millionen Kubikmeter Wasser abgeflossen waren. Die letzten 48 Stunden wurden dabei zu einer Herkulesaufgabe. Zum einen, weil der Ablaufschacht aufgebohrt werden musste, um den See komplett entleeren zu können. Zum anderen, weil sich das Abfischen zum Ende hin zu einer wahren Schlammschlacht entwickelte.
Es war das zweite Mal, dass der in den 1950er-Jahren angelegte Stausee trockengelegt wurde. Das erste Mal geschah das 1983. Damals hatte man keine Erfahrung, nicht alles lief gut. Diesmal war das mit drei bis fünf Millionen Euro veranschlagte Projekt von langer Hand vorbereitet. Größte Herausforderung war das Herausholen der Fische. Das Wasserwirtschaftsamt hatte sich für das Abfischen mit Schleppnetzen entschieden und dafür Profis aus dem hohen Norden engagiert, weil man auf diese Weise schonend sehr große Mengen fangen kann.
Die Aktion startete Anfang November, als der See schon auf die Hälfte seiner Fläche geschrumpft war. Viele Schaulustige standen auf dem Hauptdamm, so etwas hatte man hierzulande noch nicht gesehen. Doch gleich zu Beginn drohte die Aktion zu scheitern. Auf dem Seegrund befanden sich alte Baumstümpfe. Überbleibsel des ehemaligen Wald- und Wiesengrunds des Sauerquellenbachs, der beim Bau des Sees aufgestaut wurde. Das Netz verhakte sich, musste mit Gewalt hochgezogen werden. Mindestens 30 Meter Netz waren dabei von der Kette abgerissen.
Notdürftig wurde das Netz geflickt und ein neuer Versuch gewagt. Diesmal ging alles gut. Drei Tage waren die Profis zugange, um das Gros der Fische zu fangen. Den Rest übernahm eine heimische Firma. Zwei Wochen dauerte die gesamte Abfischaktion. Am Ende waren es insgesamt acht Tonnen Fische, die aus dem Ellertshäuser See geholt worden waren, darunter auch riesige Raubfische. An die 70 Waller gingen ins Netz. Die beiden Größten über zwei Meter lang und 80 Kilogramm schwer. Das Gros wurde an Angelsportvereine für Besatzmaßnahmen weiterverkauft. Etwa eine Tonne Fisch kam in den Vorsee, um sie später wieder im Hauptsee anzusiedeln.
Doch nicht nur Fische galt es in Sicherheit zu bringen: Mitarbeiter des Wasserwirtschaftsamtes sammelten täglich die Muscheln ein, die das zurückweichende Wasser am Ufer freigab. Über 60 000 Teichmuscheln wurden aufgeklaubt, jede einzelne gereinigt, vermessen, kartiert und dann in den Vorsee gebracht. 2023 sollen sie wieder in den Hauptsee umziehen. Mit dieser Menge an Muscheln hatten selbst Naturschützer nicht gerechnet. Über 10 000 Muscheln konnten deshalb an Angelvereine oder Gemeinden verschenkt werden, um sie zur Verbesserung der Gewässerqualität in andere Seen einzusetzen.
Der leere See hat aber nicht nur Schätze der Natur zum Vorschein gebracht, sondern auch mehr oder weniger wertvolle Schätze, die Badegäste achtlos hinterlassen oder verloren haben. Gleich nach Öffnung des Ablassschiebers tauchen deshalb die ersten Schatzsucher auf. Mit Metalldetektoren suchen sie das Ufer nach Geld- oder Schmuckstücken ab.
Das Betreten des Uferbereichs barg aber auch Gefahren, denn rund um den Stausee kamen Schlammbuchten zum Vorschein. Das Wasserwirtschaftsamt hat deshalb ein Betretungsverbot für den abgelassen Stausee erlassen.
Zwischen Februar und August 2022 sollen die Sanierungsmaßnahmen durchgeführt werden. Danach wird aufgestaut. Ab 2023 soll der See wieder mit Wasser gefüllt sein.