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Grafenrheinfeld
Das Atomkraftwerk ist Geschichte: Was passiert in Grafenrheinfeld mit den Umspannwerken und der Stromversorgung?
Anders als viele Schaulustige glaubten, hat nicht erst die Sprengung der Kühltürme das Ende der Stromproduktion in Grafenrheinfeld besiegelt. Was jetzt am Standort passiert.
Das Atomkraftwerk Grafenrheinfeld wurde bereits 2015 abgeschaltet, vor wenigen Tagen fielen die Kühltürme. Die Freileitungen sind weiterhin in Betrieb.
Foto: René Ruprecht | Das Atomkraftwerk Grafenrheinfeld wurde bereits 2015 abgeschaltet, vor wenigen Tagen fielen die Kühltürme. Die Freileitungen sind weiterhin in Betrieb.
Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 26.08.2024 02:37 Uhr

Die Sprengung der Kühltürme des Kernkraftwerks Grafenrheinfeld (KKG) hat gezeigt: Viele Schaulustige und Kommentatoren im Netz haben Fragen zur aktuellen Situation dort.

So hat nicht erst der Fall der Kühltürme das Ende der Stromproduktion vor Ort besiegelt. Das Atomkraftwerk Grafenrheinfeld ist bereits seit 2015 nicht mehr am Netz. Seit 2018 läuft der Rückbau der Anlage, der inzwischen so weit fortgeschritten ist, dass eine Wiederinbetriebnahme, anders als von Atomstrombefürwortern gefordert, längst unmöglich wäre.

Zurück bleiben bis auf Weiteres und mangels Endlager 54 Castorbehälter mit radioaktivem Müll. Dennoch ist Grafenrheinfeld auch weiterhin ein wichtiger Standort für die Energieversorgung in der Region. Wir erklären, warum.

Was passiert seit der Abschaltung des Kernkraftwerks Grafenrheinfeld noch am Standort?

Der Netzbetreiber Tennet betreibt hier zwei Umspannwerke. Einmal das ehemals zum Kernkraftwerk Grafenrheinfeld gehörende Umspannwerk, das in den kommenden Jahren komplett erneuert werden soll. Und dann das zwischen 2015 und 2018 neu gebaute Werk Bergrheinfeld/West auf der anderen Mainseite. Deshalb sind die Freileitungen rund um das KKG weiterhin in Betrieb.

Welche Funktion haben die Umspannwerke in Grafenrheinfeld und Bergrheinfeld?

Umspannwerke sind vergleichbar mit Zu- und Abfahrten an Autobahnen, so die Erläuterung von Netzbetreiber Tennet. Sie verbinden die Stromautobahnen von Tennet mit den Bundesstraßen der regionalen Netzbetreiber. In Grafenrheinfeld kommt der Strom aus dem Übertragungsnetz mit 380 Kilovolt (kV) Höchstspannung an, wird auf 110 kV Hochspannung heruntertransformiert und dann in die Fläche verteilt.

Gleichzeitig transformieren die Werke den dezentral in der Region erzeugten Strom aus erneuerbaren Energien in die Spannungsebene des Übertragungsnetzes, das dann den Strom in die Verbrauchszentren transportiert.

Eine Drohnenaufnahme des zwischen 2015 und 2018 gebauten Umspannwerks Bergrheinfeld/West.
Foto: René Ruprecht | Eine Drohnenaufnahme des zwischen 2015 und 2018 gebauten Umspannwerks Bergrheinfeld/West.

Welche Stromleitungen kommen in Grafenrheinfeld und Bergrheinfeld an beziehungsweise gehen von dort weg?

Von Aschaffenburg führt eine 380-kV-Verbindung über das Umspannwerk Bergrheinfeld ins mittelfränkische Raitersaich, von wo aus die Metropolregion Nürnberg versorgt wird, so Tennet. Eine weitere Stromleitung kommt aus Thüringen in Grafenrheinfeld an. Bamberger Raum, Haßberge und Steigerwald werden von Würgau (Lkr. Bamberg) aus über eine 380-kV-Leitung versorgt, die Richtung Grafenrheinfeld weiterläuft.

Südlich des Kernkraftwerks Grafenrheinfeld verlaufen fünf Tennet-Stromkreise auf drei Leitungen. Drei Stromkreise führen von der Schaltanlage Grafenrheinfeld zum Umspannwerk Bergrheinfeld/West. Die beiden anderen führen nach Baden-Württemberg. Künftig werden in Bergrheinfeld/West auch die SuedLink-Stromtrasse und die Fulda-Main-Leitung ankommen.

Aus welchen Quellen kommt unser Strom, wie ist der Mix aus Atomstrom, erneuerbaren und fossilen Quellen?

Im Jahr 2023 wurde in Deutschland so viel Strom aus erneuerbaren Energiequellen produziert wie nie zuvor. Laut Daten des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme lag der Anteil der Erneuerbaren bei gut 60 Prozent. Die Windenergie war wieder stärkste Energiequelle, gefolgt von Braunkohle, Solar, Erdgas, Biomasse, Steinkohle, Wasserkraft und Kernenergie.

Die Nettostromerzeugung, also der Strommix, der tatsächlich aus der Steckdose kommt, betrug laut Fraunhofer-Institut 421,1 Terawattstunden (TWh) oder 421,1 Milliarden Kilowattstunden (KWh). Davon entfielen 256,1 TWh (60,8 Prozent) auf Windenergie, Solar, Biomasse und Wasserkraft und 165 TWh (39,18 Prozent) auf Kohle, Gas und Kernenergie, wobei letztere bis zur Abschaltung des letzten Kraftwerks am 15. April 2023 nur noch 6,7 TWh oder knapp 1,6 Prozent beisteuerte.

Zur Einordnung: Der jährliche Stromverbrauch eines Zwei-Personen-Haushalts liegt laut Statistischem Bundesamt im Schnitt bei gut 3000 Kilowattstunden.

Wie ist das Verhältnis von importiertem und exportiertem Strom in Deutschland?

Im Jahr 2023 hatte Deutschland laut Fraunhofer-Institut beim Stromhandel einen Importüberschuss von rund 11,7 TWh. Hauptgrund waren niedrige Strompreise der Nachbarländer im Sommer, vor allem in Dänemark, Norwegen und Schweden.

Deutschland exportierte seinerseits Strom nach Österreich (5,8 TWh) und Luxemburg (3,6 TWh). 2022 wurde aufgrund hoher Börsenstrompreise noch viel Strom für den Export produziert, was zu einem Exportüberschuss von 27 TWh führte.

 
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Kommentare
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  • Fred Reinshagen
    Die wichtigste Frage blieb unbeantwortet.

    Kommt an den Standort ggf. ein Kraftwerk anderer Art. Unweit davon, in SW-Maintal, war bekanntlich ein Gasreservekraftwerk für 1 Mrd. geplant. Und in einem MP-Artikel vor einigen Tagen stand in einem Nebensatz(!) dass das KKG wohl nicht zur grünen Wiese zurückgebaut wird, da der Leitungsknoten als Standort für ein Kraftwerk prädestiniert ist. In diesem Artikel wird von "einem wichtigen Standort für die Energieversorgung in der Region" gesprochen, vor ein paar Tagen von einem "europäischen" Leitungsknoten.

    Drückt sich die MP-Redaktion hier vor unangenehmen Wahrheiten? Redet sie hier die Sache klein? Volkswirtschaftlich ist ein Reservekraftwerk natürlich an bestehender Infrastruktur am günstigsten - auch vom Landschaftsschutz, weil man keine neuen Zuleitungen braucht.
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  • Peter Koch
    Vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme gibt es den Vorschlag an ehemaligen AKW Standorten große Batteriespeicher zu bauen. Das macht Sinn. In Brokdorf plant die PreussenElektra schon so einen Speicher.
    Unangenehm ist, dass das Zwischenlager mit 54 von genehmigten 88 Castoren noch nicht voll ist und dass es bis mindestens 2074 durchhalten muss.

    https://www.google.com/url?sa=t&source=web&rct=j&opi=89978449&url=https://www.ise.fraunhofer.de/content/dam/ise/de/documents/publications/studies/Fraunhofer-ISE-Batteriespeicher-an-ehemaligen-Kraftwerkstandorten.pdf&ved=2ahUKEwjwyZjL7oiIAxVuzgIHHXwZLJwQFnoECEYQAQ&usg=AOvVaw3louleCi_-trLh-xml14HQ
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  • Georg Ries
    Vielen Dank für diese Informationen!!!
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