Im Dezember 2021 war Schweinfurt ein Hotspot der Querdenker-Szene. Tausende Menschen zogen durch die Stadt – die nicht angemeldeten Demonstrationen getarnt als "Spaziergänge". Nachdem am Abend des zweiten Weihnachtsfeiertags eine Versammlung aus dem Ruder lief, die Gewaltbereitschaft immer größer wurde und sogar Kinder als Schutzschilde benutzt wurden, zog die Stadt Schweinfurt die Reißleine und erließ eine Allgemeinverfügung. Die bedeutete: feste Ortspflicht, ein Mindestabstand von 1,5 Metern und Maskenpflicht. Wer sich nicht daran hielt, dem drohte die Behörde mit einem Bußgeld von bis zu 3000 Euro. Abgeschreckt hat das aber nur wenige.
Mit dem Auslaufen der Allgemeinverfügung Ende Januar 2022 übernahm die Partei "Die Basis" die Organisation der Demonstrationen – und zog regelmäßig sonntags mit einigen Hunderten Teilnehmenden friedlich durch die Stadt.
Wie viele Bußgeld-Bescheide hat die Stadt Schweinfurt ausgestellt?
Die Stadt hat mittlerweile rund 500 Bußgeld-Bescheide "wegen des Verstoßes gegen das Aufzugsverbot und des Verstoßes gegen das Aufzugsverbot tateinheitlich mit Maskenpflichtsverstoß" verhängt, wie die Behörde auf Nachfrage der Redaktion mitteilt.
Warum sind es nur rund 500 Bescheide, wenn bei den "Spaziergängen" teilweise Tausende Menschen durch die Straßen der Stadt zogen?
"Es wurden seitens der Polizei nicht alle Teilnehmer aufgegriffen und angezeigt", erklärt Ordnungsreferent Jan von Lackum. "Das war nicht möglich." Die Verfolgungsbehörde ist in diesen Ordnungswidrigkeitsverfahren die Stadt Schweinfurt. Allgemein gebe es, so erklärt es die Staatsanwaltschaft Schweinfurt, im Bereich der Ordnungswidrigkeiten im Gegensatz zu Straftaten zudem keinen Verfolgungszwang. Die Stadt habe einen Ermessensspielraum, ob sie einschreite oder nicht.
Wie viel müssen die Teilnehmenden der nicht angemeldeten Demonstrationen als Strafe zahlen?
Wer in der Stadt Schweinfurt an einer nicht angemeldete Demonstration teilgenommen hat, muss ein Bußgeld von 750 Euro bezahlen. Wer dabei auch noch darauf verzichtete, eine Maske zu tragen, für den fallen 850 Euro an. Insgesamt belaufe sich die Summe der Bußgelder auf 376.225 Euro. Diese Mittel fließen aber nur dann in den städtischen Haushalt, wenn die Bußgelder akzeptiert werden. Wird Einspruch eingelegt und der Fall an die Staatsanwaltschaft abgegeben, fließt das Bußgeld in den Staatshaushalt.
Wie viele Personen legten Einspruch gegen die Bußgeld-Bescheide ein?
Sowohl seitens der Stadt als auch der Justiz ist hier keine genaue Zahl nennbar. Laut Stadtverwaltung legten 90 Prozent der Personen, die einen Bußgeld-Bescheid bekamen, Einspruch ein. Dass die Personen Teilnehmende der nicht angemeldeten Demonstrationen gewesen seien, werde in nahezu allen Fällen geleugnet. Die Begründung: zufällig vorbeigekommen, Bekannte besucht oder in ein Restaurant gegangen.
Dass es sich bei den Einsprüchen um vorgefertigte Muster handelt, die beispielsweise in Telegram-Gruppen kursieren sollen, bestätigt die Staatsanwaltschaft indes nur teilweise. "Es gibt sicherlich beides, wobei die individuellen Einsprüche meinem Eindruck nach zahlenmäßig überwiegen", erklärt Axel Weihprecht, Leitender Oberstaatsanwalt.
Wie wurden die Teilnehmenden der nicht angemeldeten Versammlungen ermittelt?
Die Teilnehmenden seien durch die Polizei festgestellt worden. "In der Regel wurden Straßenbereiche abgesperrt und die Personalien aller sich im abgesperrten Bereich befindlicher Versammlungsteilnehmer einzeln festgestellt", erklärt Ordnungsreferent von Lackum.
Wie sicher ist die Beweisführung?
Die Stadtverwaltung bewertet die Beweisführung als "durchaus sicher". In den Anzeigen der Polizei seien die Betroffenen eindeutig als Versammlungsteilnehmer bezeichnet, heißt es auf Nachfrage. "Häufig kann eine Versammlungsteilnahme aus unserer Sicht gerichtsverwertbar nachgewiesen werden (durch die polizeiliche Auswertung von Foto- und Videomaterial oder durch eindeutige polizeiliche Aktenvermerke)." Könne dieser Nachweis im Einzelfall einmal nicht erbracht werden, müssen die Verfahren eingestellt werden.
Wie laufen die Verfahren ab und wie viel Mehraufwand bedeuten sie für die Justiz?
In dem Moment, in dem der Bußgeld-Bescheid nach einem Einspruch aufrechterhalten wird, wird die Staatsanwaltschaft Verfolgungsbehörde. Stellt sie das Verfahren nicht ein und ordnet auch keine weiteren Ermittlungen an, legt sie die Akten dem Amtsgericht zur Entscheidung vor. Dieses entscheidet mit Zustimmung des Betroffenen per Beschluss oder legt einen Termin für die Hauptverhandlung über den Einspruch fest. Binnen einer Woche kann erneut Rechtsbeschwerde eingelegt werden. Für die Staatsanwaltschaft Schweinfurt bedeuten die Verfahren einen "nicht unerheblichen, aber noch überschaubaren Arbeitsaufwand", resümiert Oberstaatsanwalt Weihprecht, bei Gericht sei dieser aber noch deutlich höher. Insgesamt hänge die Höhe des Aufwandes allerdings "in erheblichen Maße" von der Einsicht und dem Verhalten des Betroffenen ab.
Das Amtsgericht teilt auf Nachfrage mit, dass "der wohl nicht unerhebliche Mehraufwand für das Gericht mit dem vorhandenen Personal bewältigt werden" müsse. Bisher sei erst ein Bruchteil der Verfahren dort eingegangen.
Diese Menschen verbreiten Angst und Intoleranz sowie leben an den Tatsachen und der Realität vorbei!