Das hat es hier noch nicht gegeben: Mit über 300 Traktoren sind Bauern aus Unter- und Mittelfranken sowie Baden Württemberg am Sonntagmorgen bei Geldersheim (Lkrs. Schweinfurt) vorgefahren. Sie starten von hier aus über die A 71 zur großen Bauern-Demo in Berlin.
Mehrere Tausend Bauern aus ganz Deutschland wollen am Dienstag in der Landeshauptstadt mit ihren Traktoren gegen die Agrarpolitik der Bundesrepublik mit neuen Vorgaben zum Umwelt- und Tierschutz demonstrieren. Es geht ihnen um mehr Mitsprache und ein besseres Ansehen ihres Berufsstandes in der Gesellschaft. Zu der Kundgebung am Brandenburger Tor werden rund 10 000 Teilnehmer erwartet.
Sonntagmorgen, 7 Uhr: Es ist dunkel, kalt und noch alles ruhig. Die Polizei hat gegenüber der Ortseinfahrt Nord von Geldersheim, in der Nähe der Fußgängerbrücke über die A 71, eine Mediensammelstelle eingerichtet. Seit 5 Uhr sind die Beamten schon vor Ort. "Das ist auch für uns etwas Besonderes. Es ist nicht alltäglich, dass wir mehrere hundert Traktoren lotsen", sagt Polizeihauptkommissar Michael Zimmer.
Über 600 Trecker hat die Interessensgemeinschaft "Land schafft Verbindung Unterfranken", die von Bayern aus die Traktorsternfahrt nach Berlin organisiert, angekündigt. Sie wollen sich entlang der Bundesstraße 19 aufstellen und um 10 Uhr in Richtung Berlin starten. Die B 19 muss zwischen den beiden Ortseinfahrten auf einer Länge von drei Kilometern gesperrt werden.
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Die Straßenmeisterei stellt schon mal die Pylonen auf. Während der Straßensperrung wird der Verkehr aus Richtung Norden und Süden in Schleife durch Geldersheim umgeleitet. Der 3000-Seelen-Ort feiert an diesem Wochenende seine Kirchweih, mit dem traditionellen Hammeltanz am Sonntagmittag. Auch eine Attraktion. Chaos wird es aber nicht geben. Wenn die Planpaare mit Hammel "Gisbert" durchs Dorf ziehen, werden die Bauern schon längst die thüringische Grenze überquert haben und der Verkehr wird wie gewohnt über die B 19 fließen können.
7.30 Uhr: Die Landwirte stellen sich bei Geldersheim auf
Die ersten Traktoren rollen in der Dunkelheit an. Sie kommen aus Schonungen. Die nächsten aus den Haßbergen dicht dahinter. Jetzt geht es Schlag auf Schlag. Immer mehr Trecker fahren vor. Die von Norden werden zum Wenden über einen Feldweg gelotst, damit sie sich gleich in Richtung Autobahn aufstellen können – in Zweierreihen, links und rechts am Straßenrand, dazwischen eine Rettungsgasse.
Wenn es tatsächlich 600 Traktoren werden, ergibt das auf der Autobahn einen mindestens zehn Kilometer langen Konvoi. "Der rechte Fahrstreifen der A 71 wird für die Sternfahrt komplett frei gemacht", erklärt Polizeihauptkommissar Zimmer. Und auf der anderen Spur gilt ein Limit von 80 km/h.
7.46 Uhr: Die Sonne geht über den Traktoren auf
Sonnenaufgang. Einige Polizisten zücken ihr Handy, machen schnell einen Schnappschuss von der Morgenidylle bei Geldersheim. Mit den Traktoren treffen auch die Medienvertreter ein: Rundfunk, Fernsehen, Privatsender und Zeitungsleute sind da. Die erste Drohne fliegt über die Bundesstraße, um das Spektakel von oben zu filmen. Und immer mehr Traktoren kommen angefahren.
8 Uhr: Dixi-Klos als Auflagen für die Traktor-Sternfahrt
Tobias Göbel kommt nicht mit dem Traktor, sondern mit Dixi-Klos angefahren. Eine von vielen Auflagen der Versammlungsbehörde. Die Organisation der Sternfahrt hat die Landwirte ziemlich gefordert. "Das war in der vergangenen Woche ein 40-Stunden-Job", sagt Dominik Herrmann. Der Landwirt aus Gaukönigshofen gehört zum zehnköpfigen Orga-Team. Seine Kollegen verteilen eine Stärkung an die Bauern, frische Butterbrezeln, fein sauber abgepackt in Butterbrottütchen. Auch das musste vorbereitet werden.
8.30 Uhr: Die Landwirte wollen wachrütteln und aufklären
Die Stimmung ist gut. Alle sind gut drauf, freuen sich auf die Fahrt, trotz der Strapazen. Die erste Etappe ist mit kalkulierten fünf Stunden noch erträglich. Sie führt bis nach Erfurt. Dort wird in einer Turnhalle übernachtet. Am Montag geht's dann weiter bis nach Brandenburg. Neun Stunden nonstop. "Wir dürfen nicht mal zum pinkeln anhalten", verweist Ralf Gleichmann auf die strengen Auflagen. Der 43-jährige Landwirt aus Burgpreppach nimmt für diese Demo aber jede Strapaze in Kauf, "sonst haben wir keine Zukunft mehr".
Den Bauern ist es diesmal ernst. "Es geht um unsere Existenz", sagt Johannes Then. Der 38-jährige Landwirt aus Untereisenheim schimpft über Düngeverordnung, ständig neuen Auflagen, Preisverfall und fehlende gesellschaftliche Anerkennung. "Wir Landwirte sind immer nur die Sündenböcke." Er fühlt sich als "Prügelknabe der Nation", deshalb geht er jetzt auf die Straße.
Ähnlich argumentiert auch Dietmar Lenhard. Der 41-Jährige betreibt Ackerbau und Weinbau in den Haßbergen, die Schweinemast hat er schon längst aufgegeben, "weil's keinen Spaß mehr macht", meint er ironisch. Es sei an der Zeit, die Politik wachzurütteln und die Bevölkerung endlich mal richtig aufzuklären.
9:00 Uhr: Die Kolonne der Traktoren ist drei Kilometer lang
Versammlungsleiter Martin Gleichmann greift sich das Megaphon und verliest die Auflagen. Die wichtigsten Regeln: auf der Autobahn nur die rechte Fahrspur nutzen, striktes Überholverbot in der Kolonne, nicht den Konvoi verlassen. "Einmal raus, ist endgültig raus." Damit's auch jeder mitkriegt, wird die Ansage am drei Kilometer entfernten Kolonnenende wiederholt. Jeder weiß nun Bescheid.
9.30 Uhr: Die Sternfahrt der Initiative "Land schafft Verbindung" startet
So langsam machen sich die Bauern startklar. Die Traktoren sind vollgetankt, 600 Liter gehen im Schnitt rein. "Das reicht bis Berlin", sagt Fabian Klopf. Der 29-Jährige arbeitet in einem Milchviehbetrieb bei Bad Königshofen. Er macht die Fahrt im Auftrag seines Chefs. Für ihn ist es auch ein "Abenteuer", mal mit dem Traktor auf der Autobahn zu fahren.
Christine Lindner trinkt schnell noch ihren Kaffee aus. Die 45-Jährige aus Schonungen hofft, dass die Demo in Berlin "die Politik wachrüttelt". Die Bauern der Initiative "Land schafft Verbindung" sagen, das Agrarpaket der Bundesregierung gefährde Familienbetriebe, die Änderungen bei der Düngeverordnung führten zu Unterdüngung und die zu Billigpreisen importierte Waren würde die regionale Versorgung gefährden.
Außerdem müsse der Beruf des Landwirts wieder attraktiver werden. "Es muss jetzt etwas passieren", sagt auch Nicole Kuhn, die stellvertretende Vorsitzende des Maschinenrings Arnstein. Sie ist zwar keine Landwirtin, fährt zur Unterstützung aber mit einem Mietschlepper mit.
10 Uhr: Die Polizei eskortiert die Traktoren
Pünktlich auf die Minute startet die gigantische Treckerkolonne in Richtung Autobahn. Eskortiert von etlichen Polizeimotorrädern und mehreren Streifenwagen sowie einem Polizeihubschrauber am Himmel. Ohrenbetäubend das Hup- und Pfeifkonzert. Mehrere hundert Schaulustige stehen am Straßenrand, winken, rufen den Bauern "Gute Fahrt" zu. Eine gute halbe Stunde dauert es, bis alle Trecker auf der Autobahn sind.
12 Uhr: Die unterfränkischen Bauern erreichen die Grenze zu Thüringen
Unser Reporter Jonas Keck begleitet die Sternfahrt bis Dienstagmittag. Dann wollen die Bauern das Brandenburger Tor erreicht haben. In seinem Liveticker wird er immer aktuell über die Fahrt berichten. Um 12 Uhr meldet er bereits das Passieren der thüringische Grenze. Für etliche Landwirte endet hier die Fahrt, sie müssen wieder zurück in ihre Betriebe, können nicht bis Berlin mitfahren. Auch für die unterfränkische Polizei ist hier der Einsatz beendet. Sie übergibt eigenen Angaben zufolge 171 Traktoren an die Kollegen aus Thüringen. Polizeisprecher Michael Zimmer ist zufrieden: "Alles ist ruhig und harmonisch gelaufen. Die Zusammenarbeit aller Beteiligten war sehr gut."
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Der Kommentar hier bei diesem Artikel ist ebenso unqualifiziert und diffamierend wie bei den anderen Kommentaren bei anderen Artikeln auch. Wenn man nichts weiß sollte man sich einfach zurückhalten!
Offensichtlich haben Sie zuviel Zeit Menschen oder Berufsgruppen zu beschimpfen!
Also ehrlich, ich bin mit meinem (relativ) "kleinen" Auto sehr zufrieden. Mit dem finde ich sogar ab und zu nen Parkplatz.
Ob der Schuß nicht nach hinten los geht ...