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Bad Königshofen
Wie zwei Ukrainerinnen in Bad Königshofen Putins Krieg erleben
Sie stehen in Kontakt mit ihren Familien. Sie berichten von Flucht und Panikkäufen, rotem Himmel und Raketen. Was besorgt sie am meisten?
Viktoria Fräse (links) und Viktoria Tresselt sorgen sich um ihre Familienangehörigen in der Ukraine.
Foto: Regina Vossenkaul | Viktoria Fräse (links) und Viktoria Tresselt sorgen sich um ihre Familienangehörigen in der Ukraine.
Regina Vossenkaul
Regina Vossenkaul
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:00 Uhr

Angst und Panik sind die vorherrschenden Gefühle bei den Angehörigen der beiden Ukrainerinnen in Bad Königshofen. Die beiden Viktorias, Tresselt und Fräse, sind in ständigem Handykontakt mit ihren Familien, während russische Truppen Kiew beschießen. "Schon um 5 Uhr war mein Handy voll von Nachrichten", berichtet Viktoria Tresselt. "Die werfen jetzt Raketen auf eine militärische Einrichtung, der Himmel ist ganz rot", so eine Message – der Krieg, den alle befürchteten, hat begonnen.

Schlangen an der Bank und Flüchten vor den Bomben

Viktoria Tresselt wohnt seit neun Jahren in Bad Königshofen, ist mit einem Deutschen verheiratet und hat zwei Kinder. Familienangehörige und Freunde wohnen aber in Kiew. "Alle haben Stress und Angst. Und jede Minute wird es schlimmer", so die Meldungen. Teilweise konnten die Verwandten aufs Land in ein kleines Dorf flüchten und hoffen, dort nicht von Bomben getroffen zu werden.

Sie schildern, wie die Leute an der Bank Schlange stehen, Kreditkarten werden nicht mehr angenommen, nur noch Bargeld. Wer kein Geld in der Tasche habe, könne nicht tanken, nicht einkaufen und nicht flüchten. Von bis zu 35 Kilometer langen Schlangen an den Tankstellen sei die Rede. Jeder frage sich, ob noch Benzin da ist, wenn er endlich dran ist.

"Alle wurden zu den Waffen gerufen, jeder, der sich in der Lage fühlt, kann seinen Pass vorlegen und sich ein Gewehr holen", berichtet Viktoria Tresselt. Und: Die Frau ihres Bruders dürfe nicht nach Hause, weil sie im Gefängnis arbeitet und somit zur kritischen Infrastruktur zählt. Die Kinder haben sich im Keller mit Decken und den nötigsten Sachen verschanzt. Sie rechnen, dass Strom und Gas abgeschaltet werden. Schulen und Fabriken sind geschlossen.

"Seit heute früh rufe ich meine Leute jede halbe Stunde an", berichtet die Dreißigjährige. Sie rechnet mit der Abschaltung des Internets, sobald die Russen Zugriff darauf haben. Um ihre Kinder nicht noch mehr zu beunruhigen, hat sie TikTok abgeschafft. Sie lasse sich ihre Sorgen möglichst nicht anmerken.

Im Donbass 40 Prozent russischer Abstammung

Viktoria Fräse wohnt seit acht Jahren in Bad Königshofen. Sie hat hier ebenfalls geheiratet, nachdem sie als Asylantin aus dem Kriegsgebiet Donbass Richtung Westen geflohen ist. In ihrer ehemaligen Heimat sind ungefähr 40 Prozent der Bevölkerung russischer Abstammung, sie selbst gehört auch dazu.

Damals ist sie vor den kriegerischen Auseinandersetzungen rund um die Krim mit ihren Töchtern geflüchtet, wusste zunächst nicht wohin und landete in Frankfurt, wo sie sich bei der Polizei meldete. Über Umwege kam sie nach Bad Königshofen. Dort heirateten sie und eine Tochter. Viktoria Fräse sei jetzt dreifache Oma, berichtet sie stolz.

Sie telefoniert oft mit ihrer Mutter und ihrer wieder ins Donbass, dem prorussischen Separatistengebiet, zurückgekehrten Tochter. "Das Haus hat kein Dach mehr", informierte die Mutter. Die Tochter berichtet von leergekauften Geschäften. "Ich habe Angst und weiß nicht, was ich machen soll", sagte sie in einem Telefonat. Sie war aus Deutschland in ihr Heimatland zurückgegangen, als sich die politische Lage beruhigt hatte.

Aktuell rief ihr Bürgermeister dazu auf, Ruhe zu bewahren, nicht in Panik zu verfallen und die Badewannen voll Wasser laufen zu lassen. Jedem Haushalt wurde ein Luftschutzkeller zugewiesen, die es noch aus Zeiten des Kalten Krieges überall gibt.

Es gibt aber auch zufrieden klingende Stimmen von der Krim und St. Petersburg

Die 49-jährige Viktoria Fräse berichtet aber auch, dass viele Leute, die jetzt auf der besetzten Krim wohnen, aber auch Freunde aus Petersburg sagen, sie seien generell zufrieden mit ihrem Leben in Russland. "Wir haben nur ein Leben und alle wollen gut leben, warum sollen wir aufeinander schießen?", fragt sie.

Auf der Suche nach einer Ursache oder einer nachvollziehbaren Begründung für die russische Aggression ist sie mit ihrer Namensschwester Tresselt einig: Es gebe keinen erkennbaren Grund. Wie sehen das aber ihre Landsleute? "Die Menschen wollen keinen Krieg", ist ihre Einschätzung, zumal es vielfältige wirtschaftliche, familiäre und freundschaftliche Beziehungen zwischen den Ländern gibt. Sie hatte für Mitte März schon einen Flug nach Kiew gebucht. Der wurde  abgesagt. Der gesamte Luftraum über der Ukraine ist gesperrt.

Für Viktoria Tresselt – und so schätzt sie auch ihre Familie ein - ist ein Leben ohne Demokratie unter Putin undenkbar, Viktoria Fräse würde Putin notfalls in Kauf nehmen – Hauptsache es herrschen Ruhe und Frieden.

 
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Kommentare
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  • aspirin58
    mich würde auch interessieren, wie die beiden Damen die Lage in der Ostukraine in den letzten 8 Jahren beurteilen. Das wird von den westlichen Medien weniger beleuchtet. Die Leute da feiern den Einmarsch tatsächlich als Befreiung... Viele Fragen...
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