Während es auf Bundesebene auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen CSU/CDU und SPD herauslief, gestaltete sich die Situation im Wahlkreis Bad Kissingen erwartungsgemäß deutlicher. Wie bei den letzten Bundestagswahlen sicherte sich auch diesmal Dorothee Bär (CSU) das Direktmandat des Wahlkreises. Bär musste jedoch erneut herbe Verluste hinnehmen. Mit 39,10 Prozent blieb sie deutlich unter ihrem Ergebnis von 2017 (51,12 Prozent). Dahinter folgte Sabine Dittmar (SPD) mit 19,04 Prozent (2017: 19,12 %).
Die AfD-Kandidatin Freia Lippold-Eggen erreichte 9,93 Prozent. Manuela Rottmann (Grüne) holte 9,54 Prozent (2017: 7,08 %). Frank Helmerich (Freie Wähler) schaffte es aus dem Stand auf 8,17 Prozent. Er lag damit noch vor FDP-Kandidat Karl Graf Stauffenberg, der es auf 7,07 Prozent brachte (2017: 5,61 %).
So sah es bei den Zweitstimmen aus
Bei den Zweitstimmen sah es so aus: Die CSU hatte erneut die Nase vorne, musste aber dennoch deutliche Verluste hinnehmen. Waren es 2017 noch 44,6 Prozent, kam sie nun nur noch auf 37,58 Prozent. Die SPD verbesserte sich von 15,84 auf 17,64 Prozent. Die AfD kam auf 10,65 Prozent (2017: 11,57 %). Die Grünen holten 9,17 Prozent (2017: 6,69 %), die FDP 8,79 Prozent (2017: 8,88 %), die Freien Wähler 7,30 Prozent (2017: 2,4 %) und Die Linke 2,78 Prozent (2017: 5,94 %).
Sie rechne mit einer langen Nacht, "ähnlich wie 2002", sagt Dorothee Bär. Damals war CSU-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber knapp gegen Gerhard Schröder (SPD) unterlegen. Diesmal hoffe sie, so Bär, "dass die Union am Ende vorne liegt." Es sei aber schon ein "großer Erfolg", dass es CDU und CSU im Wahlkampf-Endspurt gelungen sei, "Rot-Grün-Rot" zu verhindern, "die Menschen hierzulande wollen eben kein Linksbündnis". Dass die CSU in Bayern gegenüber 2017 sechs Prozent verloren hat und auch sie selbst im Wahlkreis Verluste einfahren musste, erklärt Bär mit dem Bundestrend.
Dittmar jubelt beim Blick auf die Zahlen im TV
SPD-Direktkandidatin Sabine Dittmar hatte, wie sie sagte, kurz nach 18 Uhr, zusammen mit ihren Fans bei der Wahlparty in Maßbach schon einmal gejubelt, als sie im Fernsehen die ersten Hochrechnungen auf Bundesebene sah: Demnach lag die SPD mit 26 Prozent schon mal vorn. CDU/CSU kamen auf 24 Prozent. Ihr sei klar gewesen, sagte sie, dass CDU/CSU und SPD sich demnach auf Bundesebene am Abend ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern würden. "Wir haben auch einen gigantischen Wahlkampf hingelegt", sagte Dittmar.
Eigentlich wusste die SPD-Abgeordnete es schon im Vorfeld angesichts der Wahlprognosen, doch die ersten Hochrechnungen am Sonntagabend ließ sie da noch sicherer werden: Um ihr Mandat im Bundestag muss sie sich keine Sorgen machen, sagte sie. "Wir hoffen, dass wir über die Liste noch ein Mandat dazu bekommen, dass also künftig Markus Hümpfer mit im Bundestag sitzt."
Dass sie in den Erststimmen im Wahlkreis 248 um 20.30 Uhr, als wir mit ihr telefonierten, - ausgezählt waren da 463 von 498 Wahllokalen - mit 19,12 Prozent ein nahezu identisches Ergebnis hat wie 2017, freut Dittmar, wie sie sagt, sehr.
Das Zweitstimmen-Ergebnis (17,64) im Wahlkreis erhöhte sich jetzt leicht um zwei Prozent und liegt damit im Bayern-Trend (17,2). Dittmar: "Das haben wir natürlich Olaf Scholz und seinem Zukunftsprogramm zu verdanken." Stolz ist sie freilich auf ihre Maßbacher, die ihr mit 34,9 Prozent (Erststimmen) einen echten Vertrauensbeweis vorlegten (Zweitstimmen 22,97 Prozent).
Lippold-Eggen: Freude auf Arbeit in der Opposition
Bad Kissingen, ein Garten in der Stadt: Hier sitzt Freia Lippold-Eggen mit ihrem Vorstand zusammen. Es ist 18.18 Uhr, die erste Hochrechnung steht noch aus, aber Freia Lippold-Eggen hat schon jetzt ein "gutes Gefühl" mit den prognostizierten elf Prozent für ihre Partei, die AfD. "Klar, zwölf Prozent wären auch schön gewesen, aber ich wäre auch mit zehn zufrieden." Es komme, wie es komme, "weil der Wähler es so möchte – das müssen wir akzeptieren". "Ich bedanke mich bei den Wählerinnen und Wählern – und ich freue mich auf die Arbeit in der Opposition." Eine starke Opposition sei "gut für jedes Land und zwar um den Teil der Menschen zu vertreten, die eine andere Meinungen haben."
Freia Lippold-Eggen: "Ich habe mal ein Zitat gehört, kann es aber leider nicht zuordnen: Je mehr Meinungen es gibt, desto besser wird da Ergebnis." Den Abend verbringt sie noch mit ihren Parteikollegen. "Erst einen Schluck Wein auf die Arbeit, die wir in den vergangenen Wochen hatten – dann beginnt die Nachbetrachtung."
Die Bündnisgrünen feierten in Münnerstadt das Ergebnis bei den Wahlen. Spannend wird nun die Frage, ob sie mitregieren, sagt Bundestagsabgeordnete Manuela Rottmann. Sie bleibt gelassen. "Das wird, wartet doch mal ab", sagt sie, als pünktlich um 18 Uhr die erste Prognose in der ARD läuft. Von 14,6 Prozent für Bündnis 90/Die Grünen ist da die Rede. "Ich glaube und ich wünsche mir, dass wir mehr als 16 Prozent bekommen", hat sie kurz zuvor gegenüber unserer Zeitung gesagt. Das ZDF hat bessere Zahlen. Da liegen um 18 Uhr die Grünen bei 15 Prozent.
Rottmann feiert in Münnerstadt
Manuela Rottmann hat ihre Wahlpartys immer in Langendorf gefeiert, dieses Mal allerdings hat sie sich für Münnerstadt entschieden. "Das liegt im Wahlkreis sehr zentral", sagt sie. Mit Listenplatz 5 braucht sich Manuela Rottmann keine Sorgen um ihren Wiedereinzug in den Bundestag zu machen. Sie war zwar auch als Direktkandidatin angetreten, aber da dürfte Dorothee Bär ganz weit vorn liegen. "Da sind wir realistisch", sagt Manuela Rottmann. "Trotzdem bin ich neugierig auf das Ergebnis."
Vor ein paar Monaten hatten Umfragen Annalena Baerbock noch eine mögliche Kanzlerschaft prognostiziert. "Man kann nicht erwarten, dass es beim ersten Mal klappt", meint Manuela Rottmann dazu.
Das prognostizierte Wahlergebnis bezeichnet sie als einen Erfolg. "Spannend wird die Frage, ob wir mitregieren, ich halte das für dringend nötig", sagt sie. Was ist für sie persönlich das Wichtigste, was will sie als Erstes machen? "Wir müssen eigentlich morgen den Schalter umlegen beim Klimaschutz. Da zählt jeder Tag. Das ist das Wichtigste."
Stauffenberg freut sich über respektables Ergebnis
Auch Karl Graf Stauffenberg, Direktkandidat der FDP im Wahlkreis Bad Kissingen, äußert sich kurz nach 19 Uhr zufrieden mit dem Abschneiden seiner Partei bei der Bundestagswahl. "Es hätten zwar noch ein paar Stimmen mehr sein können, auch, um sich den Grünen anzunähern, doch knapp 12 Prozent sind ein durchaus respektables Ergebnis." Er sei froh darüber, dass eine rot-grün-rote Regierung laut ersten Prognosen keine Chance hat.
Dass CDU und CSU mit Markus Söder als Kanzerkandidaten besser abgeschnitten hätte, bezweifelt der 51-jährige Eventmanager aus Irmelshausen. Das sehe man am schlechten CSU-Ergebnis in Bayern. „Mir persönlich war Laschet als Kanzlerkandidat sowieso lieber als Söder.“ Auch welche Koalition er in einer Regierung favorisieren würde, daraus macht Stauffenberg kein Geheimnis. "Jamaika wäre mir lieber als eine Ampel." Dass er im Wahlkreis Bad Kissingen nach der Hälfte der Auszählung bei knapp unter 7 Prozent lag, nahm er mit Genugtuung zur Kenntnis. Das sei in etwa so erwartbar gewesen und er freue sich über das gute Ergebnis.
Scheeres bedankt sich für jede Erststimme
Bei der Bundestagswahl 2017 hatte Die Linke noch 9,2 Prozent der Wahlberechtigten hinter sich – sie gehören zu den großen Verlierern der Wahl 2021. Claus Scheeres aus Großwenkheim ist für den Wahlkreis Bad Kissingen angetreten. Als er den Anruf der Redaktion erhält, zittert Die Linke bei fünf Prozent – schafft sie es oder nicht? Claus Scheeres: "Ich freue mich – weil ich ja relativ neu auf der politischen Bühne bin – über jede Erststimme, vielen Dank dafür. Auf bundespolitischer Bühne muss ich sagen, dass das niedrige Ergebnis offensichtlich auch mit dem Wahlkampf zusammenhängt, der sehr schmutzig geführt wurde."
Allen voran sieht er Ministerpräsident Markus Söder und die CSU in der Verantwortung. "Seine Warnung vor dem Linksrutsch in Deutschland ist hanebüchen gewesen. Ich frage mich, was so schlimm daran ist, beispielsweise für gerechte Löhne und eine soziale Gerechtigkeit zu sein. Im Umkehrschluss muss ich ja dann davon ausgehen, dass es das bei der Union nicht gibt."
Die CSU habe die Boxhandschuhe im Wahlkampf nicht ausgezogen. "Wir waren auch zu sehr im Endspurt damit beschäftigt, die 'Rote-Socken-Kampagne' zu konterkarieren." Einen weiteren Punkt sieht er, wo die Partei Fehler gemacht haben könnte: "Sarah Wagenknecht gegen den Rest – das hat viele potenzielle Stimmen für uns vergrault."
Der Direktkandidat der Freien Wähler im Wahlkreis Bad Kissingen, Frank Helmerich, sieht den Wahlausgang aus Sicht seiner Partei mit gemischten Gefühlen. "Einerseits konnten wir unser Ergebnis in Bayern im Vergleich zur Bundestagswahl 2017 mehr als verdoppeln", freut sich Helmerich, der den Wahlabend auf einer Wahlparty in Würzburg mit den unterfränkischen FW-Spitzenkandidaten verbrachte.
Der 44-jährige Oberstudienrat aus Bad Königshofen bedauert aber am Sonntagabend kurz vor 19 Uhr, dass es mit dem Einzug in den Bundestag nicht geklappt hat. "Wir konnten uns zwar verbessern, am Ende hat es wohl nicht gereicht." Dass es zwischen SPD und CDU/CSU dann doch noch so knapp werden würde, damit habe er gerechnet. "Am Ende wählten viele halt doch wieder konservativ, um Experimente zu vermeiden." Rot-Grün-Rot scheint nach ersten Prognosen wohl vom Tisch, worüber sich Frank Helmerich freut.
Helmerich: Sehr zufrieden mit eigenem Ergebnis
"Ich war noch nie ein Freund von so einer Regierungskonstellation." Sein persönliches Abschneiden als Direktkandidat der Freien Wähler im Wahlkreis Bad Kissingen bezeichnet er als gut, nachdem er im Wahlkreis nach der Hälfte der Auszählung bei rund 7 Prozent gelegen hatte. "Damit bin ich sehr zufrieden."
Michaela Reinhard (ödp) aus Bad Kissingen findet es "sehr sehr bedauerlich, dass die Menschen kein deutliches Signal zur Klimawende gesetzt haben." Positiv sei die hohe Wahlbeteiligung, gleichwohl habe "der Wähler die historische Chance vergeben, die Weichen auf Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels zu stellen". Die Bemühungen der Grünen "sind mir einfach zu wenig".
Johannes wird keine "Bundeskaiserin"
Der bunteste Vogel im Kreis derer, die sich für die Politik engagieren, ist zweifelsohne Sonja Johannes. Die Münnerstädterin kandidierte bereits ums Amt der Bürgermeisterin, jetzt wollte sie für die Partei "Die Partei" "Bundeskaiserin" werden. "Daraus wird leider nichts", kommentiert sie das Ergebnis, das ihre Partei unter "Sonstige" erscheinen lässt. "Ich muss also weiter meinen systemrelevanten Job als Ergo-Therapeutin machen -unterbezahlt und überarbeitet."
Was sie freut: "Wir haben immerhin ein paar intelligente Protestwähler von anderen Parteien abziehen können. Ich danke in diesem Zusammenhang herzlich meinen unterbezahlten und überarbeiteten Kolleginnen aus den systemrelevanten Jobs – die haben mir ihre Stimmen gegeben."
Zu den besonderen Persönlichkeiten unter den Kandidaten gehört der 32-jährige Michael Kaiser, parteilos angetreten und als "Einzelkämpfer" aus Koppenwind, denn auch ganz unten auf dem Wahlzettel zu finden: Und genau das sieht der Koppenwinder als Problem. Sein Bemühen richtet sich gegen die Bevorzugung der Parteien.
Kaiser hofft auf Einführung von 12,50 Euro Mindestlohn
So ändert sich "für mich gar nichts" mit dieser Bundestagswahl, überhaupt, wo die Stimmen für CDU/CSU und SPD zulasten der Linken und der Grünen gehen. "Ich hoffe, dass wenigstens der Mindestlohn mit 12,50 Euro eingeführt wird. Es heißt immer, der Markt regelt das, aber es gibt eben Menschen, die wissen sich nicht zu wehren, zum Beispiel Alleinerziehende. Und die arbeiten ja gerne."
Marco Garnache, Die Basis: Er ist um 19.48 Uhr noch sehr entspannt, obwohl die neue Partei noch unter "Sonstige" läuft. "Die Hoffnung stirbt zuletzt. Die Möglichkeit besteht rein rechnerisch noch. Wir sind eine neue Partei, auf uns liegt nicht der Fokus."