Der TSV Aubstadt erlebt turbulente Tage. Am Donnerstag führten Zollbeamte auf dem Sportgelände des Fußball-Regionalligisten und bei Privatpersonen aus dem Vereinsumfeld eine Razzia durch. Dem Klub aus der 800-Einwohner-Gemeinde im Landkreis Rhön-Grabfeld wird vorgeworfen, Trainer und Spieler mit geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen über ihren eigentlichen Lohn hinaus "schwarz" bezahlt zu haben – also ohne Lohnsteuer- und Sozialversicherungsabgaben.
Der entstandene Schaden liege, so sagt es der Zoll, allein für das Kalenderjahr 2022 im sechsstelligen Bereich. Eine Höhe, wie sie viele wohl eher nicht im Amateurfußball vermuten. Zumindest nicht bei einem kleinen Verein wie dem TSV Aubstadt mit seinen rund 600 Mitgliedern.
Wie lässt sich die Zoll-Aktion einordnen? Ein Blick auf die Regionalliga Bayern, Deutschlands vierthöchste Spielklasse, in der sich die selbst ernannte "Macht aus dem Grabfeld" seit 2019 behauptet.
Was ist die Regionalliga Bayern?
Die Regionalliga Bayern ist eine von fünf Staffeln (Nord, Nordost, West, Südwest, Bayern). Sie besteht in ihrer jetzigen Form seit der Saison 2012/13 und ist mindestens genau so lange Gegenstand erbitterter Diskussionen.
Einer der Gründe ist die Aufstiegsregelung: Einen sicheren Platz in der 3. Liga bekommen nur die Meister der Staffeln Südwest und West. Von den drei Staffeln Nord, Nordost und Bayern erhält nach einem festen Rotationsverfahren eine den dritten Aufstiegsplatz. Die verbleibenden beiden müssen den vierten Aufsteiger untereinander ausspielen.
Der Sprung von der vierten in die dritte Spielklasse gilt als der schwerste im deutschen Fußballsystem. Er ist zugleich aber sehr reizvoll, weil in Liga drei Fernsehgelder und mehr mediale Aufmerksamkeit locken.
Welche Mannschaften spielen in der Regionalliga Bayern?
So kommt es, dass sich unter den 20 Vereinen in der Regionalliga Bayern einerseits ambitionierte Klubs finden, die offiziell unter Profibedingungen arbeiten - wie in dieser Saison die Würzburger Kickers, der FC 05 Schweinfurt und die SpVgg Unterhaching sowie die Reserven von Bayern München, Nürnberg, Augsburg und Fürth.
Und andererseits solche wie Aubstadt. "Die vierte Liga ist eine Amateurliga, in die kleine Amateurklubs hineingehören. Es gibt immer wieder schöne sportliche Geschichten, wenn ein Dorfverein in die Regionalliga aufsteigt", sagte Josef Francic 2021 im Gespräch mit dieser Redaktion. Der 55-Jährige war damals und ist heute wieder Trainer des TSV Aubstadt.
Wie viel ist ein Spieler in der Regionalliga wert?
Der durchschnittliche Marktwert eines Spielers des TSV Aubstadt wird laut Internetportal transfermarkt.de aktuell auf 53.000 Euro geschätzt. Gesamtwert des Kaders: geschätzt 1,27 Millionen. Damit liegt der TSV Aubstadt gemeinsam mit Burghausen (58.000 Euro Durchschnittswert pro Spieler) an der Spitze der Amateurklubs, die in der Regionalliga spielen.
Auf einen höheren Durchschnittswert kommen sonst nur die Spieler der Mannschaften, die unter Profibedingungen antreten, sprich ihre Akteure fest angestellt haben und somit auch für Lohnnebenkosten und die Berufsgenossenschaft zahlen: der FC Bayern München II (286.000 Euro), der 1. FC Nürnberg II (142.000), der FC Augsburg II (119.000), die SpVgg Unterhaching (111.000), die Würzburger Kickers (107.000), der FC 05 Schweinfurt (77.000) und die SpVgg Greuther Fürth II (67.000).
Warum gehen Spieler zu einem Regionalligisten wie dem TSV Aubstadt?
Was aber lockt fähige Spieler zu einem Verein in einer 800-Einwohner-Gemeinde im Grabfeld, der nach bisherigen Aussagen der Verantwortlichen seine Trainer und die Mannschaft nur auf geringfügiger Basis beschäftigt? Auf diese Frage gab TSV-Trainer Francic 2021 diese Antwort, die in unterschiedlichen Ausformulierungen bis heute gerne wiederholt wird: "Wir sind immer auf der Suche nach Spielern wie zum Beispiel Leon Heinze, der nach seiner fußballerischen Ausbildung beim 1. FC Nürnberg und einer ersten Station in der Regionalliga in die Region zurückkehrt. Spieler, die sich parallel zum Fußball einen Beruf suchen, eine Ausbildung beginnen oder studieren. Das ist unser Motto und wird es auch bleiben."
Vor dem letzten Spiel der Saison gegen Absteiger SpVgg Hankofen-Hailing an diesem Samstag, 27. Mai, 14 Uhr steht der TSV Aubstadt auf Rang zwölf der Tabelle. Der Klassenerhalt ist sportlich gesichert. Wie und in welcher Form es weitergeht, ist unklar. Die Ermittlungen laufen.